Valsartan-Skandal Teil 3: Ergebnisse aus der interaktiven Session beim QP Update

    

GMP/GDP – Fortbildung jederzeit!

Buchen Sie das gewünschte online GMP/GDP Seminar als Aufzeichnung aus unserer umfangreichen Datenbank. Klicken Sie hier für weitere Informationen.

   

Immer auf dem Laufenden mit unseren GMP-Newsletters

Concept Heidelberg bietet verschiedene kostenfreie GMP-Newsletter an, die Sie ganz nach persönlichem Bedarf abonnieren können.

Einleitung

Im Rahmen der Veranstaltung „Qualified Person Update 2025 – Neues für die Sachkundige Person in Deutschland“ fand eine Interactive Session statt, mit dem Titel Valsartan: Ist der Fall gründlich aufgearbeitet worden?

Die Einführung startete mit der allgemeinen Darstellung des Ereignisses:

Ein qualifizierter Wirkstoffhersteller führt eine Änderung der Synthese durch. Dabei entstehen Verunreinigungen, die als potenziell krebserregend eingestuft sind. Entdeckt wird es sechs Jahre später durch eine Analyse.

Es folgten anschließende Erläuterung zentralen Fragestellungen

  • Wiederholungsrisiko
  • Regulatorische Lücken
  • Früherkennung
  • Haftung

Die Ergebnisse der Diskussionsthemen werden hier im Folgenden beschrieben.

Wiederholungsrisiko

Das Wiederholungsrisiko wurde unter den Gesichtspunkten der Erfassung, Bewertung und Ph. Eur./ICH-Anforderungen bezüglich Verunreinigungen erörtert.

Über die zwei Möglichkeiten hinsichtlich der Bestimmung des %-Anteiles von Verunreinigungen wurde bereits in Ausgabe Nr. 73 des GMP-Journals (Dez 2024) berichtet.

Diskussionsthema 1

Die meisten MAH setzen die Option 2 („peak area normalisation“; d. h. ohne Kenntnis des Empfindlichkeitsfaktors, also keine abgesicherte Mengenangabe) bezüglich der Identifizierungsschwelle ein.

Von 50 Antworten meinte etwa ein Drittel, dass nur die wenigsten sich für diese Option entscheiden, d. h. sie hören nicht beim Peakflächen-% auf. Die Identifizierung des Signals wird weiter betrieben, um eine richtige Mengen-%-Angabe zu erhalten (Option 1).

Gerätequalifizierung im Analytik-Labor (A 3) - Live Online Seminar

Seminarempfehlung

27.-29. Januar 2026

Gerätequalifizierung im Analytik-Labor (A 3) - Live Online Seminar

Die restlichen 70% waren der Meinung, dass entweder alle oder die meisten MAH sich für die o. g. Option 2, z. B. < 0,10 % bzw. „disregard“ bei < 0,05 % -Peakflächen-% für Unbekannte entscheiden.

Diskussionsthema 2

Sind Sie überzeugt, dass sich die QP-Kolleg*innen dessen bewusst sind, welche Unschärfe Option 2 haben könnte?

Die Antwort, dass die meisten QP-Kolleg*innen sich dessen bewusst sind, war zu erwarten (70%). Dennoch signifikant sind die restlichen 30%: Nur sehr wenige gehen davon aus, dass sicher alle QP-Kolleg*innen sich dessen bewusst sind und immerhin 28%, dass nur viele sich dessen bewusst sind.

Regulatorische Lücken

Diskussionsthema 1

CEP-Zertifikat:Dem Valsartan-Skandal hat es weder zur Verhinderung noch zur Frühentdeckung etwas beigebracht, weil…?

 

Fast 80% waren der Meinung, dass es in dieser Form nicht effektiv genug ist. Immerhin hielt es ein geringer Prozentsatz für eine der Ursachen, weshalb das passieren konnte. Bemerkenswert: die Anzahl der Stimmenthaltungen; 38 Antworten insgesamt. Bei den beiden vorherigen Themen wurden 50 Antworten abgegeben.

Die Leitung der Qualitätskontrolle - Live Online Seminar

Seminarempfehlung

27./28. Januar 2026

Die Leitung der Qualitätskontrolle - Live Online Seminar

Früherkennung

Diskussionsthema 1

Ein wesentlicher Bestandteil der genannten Aspekte (CEP, QP declaration, Lieferantenbewertung) ist die Durchführung von Audits. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, beispielsweise:

I. Die zutreffende verantwortliche QP führt es selbst durch
II. Die Durchführung wird firmenintern delegiert, z. B. an den Leiter des Pharmazeutischen Qualitätsmanagement Systems oder „Quality unit“
III. Eine andere Firma wird mit der Durchführung als ausgelagerte Tätigkeit beauftragt („third Party“)
IV. Man erwirbt von einer auf Audits spezialisierte Firma („third Party“) einen vorhandenen Auditbericht von der betreffenden Produktionsstätte

Was direkt auffällt, ist die rege Beteiligung: 72% mehr Antworten als bei den ersten beiden Themen (50 Antworten).
Nicht weniger erstaunlich ist der hohe Anteil (17%) der Möglichkeit IV (Voraussetzung: der Auditbericht ist noch keine drei Jahre alt). Eine brisante Thematik, v. a. wegen Möglichkeit IV, die die Notwendigkeit einer näheren Betrachtung hervorruft.

Diskussionsthema 2

Abschließend betrachtet: Hätte der Valsartan-Skandal bei ordnungsgemäßer und konsequenter Anwendung der Richtlinien früher entdeckt werden können (< 6 Jahren)?

Große Unentschiedenheit: Um die Hälfte weniger Rückmeldungen (42) als beim Thema Audits.

Signifikant ist, dass es die meisten (64%) für unwahrscheinlich halten, dass bei ordnungsgemäßer und konsequenter Anwendung der Richtlinien der Valsartan-Skandal früher hätte entdeckt werden können (< 6 Jahren).

In diesem Zusammenhang ein interessanter Kommentar aus dem Auditorium: „Es wurde gefunden, weil man wusste, wonach man suche.“ Die Frage: „Aus welchem Anlass kam man auf die Idee, auf weitere Verunreinigungen zu untersuchen, und das erst nach sechs Jahren?“ blieb unbeantwortet.

Haftung

Leider fehlte aufgrund der regen Diskussion der vorangegangenen Themen die Zeit zur ausführlichen Behandlung.´Lediglich eine Aktualisierung der Klage-Welle in den USA wurde präsentiert:

Im Teil 2 der Reihe Valsartan-Skandal, veröffentlicht im GMP-Journal März 2025, wurde berichtet, dass im Januar 2024 1.226 aktive Valsartan-Klagen anhängig waren. Ein Jahr später stieg die Zahl auf 1.288 und im August dieses Jahres weiter auf 1.349 von insgesamt 1.526 Fällen (Drugwatch.com). Eine tabellarische Darstellung der Vorwürfe finden Sie unter: https://www.drugwatch.com/valsartan/lawsuits/

Es gibt einen großen Unterschied zwischen den USA und dem Rest der Welt in Bezug auf die Anzahl der Klagen; jedoch ließen sich solche Vorwürfe grundsätzlich auch andernorts ohne Weiteres erheben.

Schlussbetrachtung

Aus den beiden ersten Diskussionsthemen ist unschwer die Tendenz zum Weg des geringsten Widerstandes zu erkennen. Die Identifizierung und toxikologische Bewertung einer unbekannten Verunreinigung kann langwierig und kostenintensiv werden.

Bei der Entscheidung zur Option 2 muss man mit der Ungewissheit rechnen, dass eine toxische Verbindung bei der angewendeten analytischen Methode mit einem geringen Empfindlichkeitsfaktor unbeachtet bleibt. Denn das war der Fall bei Valsartan.

Ph. Eur. Monographie
Limits:
– impurity C: not more than twice the area of the principal peak in the chromatogram obtained with reference solution (a) (0.2 per cent);
– unspecified impurities: for each impurity, not more than the area of the principal peak in the chromatogram obtained with reference solution (a) (0.10 per cent);
– total: not more than 3 times the area of the principal peak in the chromatogram obtained with reference solution (a) (0.3 per cent);
– disregard limit: 0.5 times the area of the principal peak in the chromatogram obtained with reference solution (a) (0.05 per cent).

Die Behörden haben reagiert, das EDQM hat einiges veröffentlicht und eine neue Revision des CEP (CEP 2.0) herausgebracht, zu sehen in Abbildung 1.

Abbildung 1: Revision des CEP (CEP 2.0)

Weitere Einzelheiten hierzu, siehe: Pharm. Ind. 86, Nr. 11, 1038-1044 (2024) CMC und GMP – Update. Darin heißt es in der Zusammenfassung (es wird empfohlen, den ganzen Artikel zu lesen):

„…, dass es in der Verantwortung des Antragstellers bzw. Zulassungsinhabers liegt, …
… Dazu muss allerdings festgestellt werde, dass es für diese Forderung keine rechtsverbindliche Vorgabe im EU-Arzneimittelrecht gibt.“

Etwas anders ist es in den USA gelaufen. Seit dem 30.06.2025 gibt es das neue Kapitel <477> User-Determined Reprting Thresholds. Am besten lässt sich die Änderung mit dem Text der Ankündigung vom Mai 2024 zusammenfassen, so wie bei der Präsentation vorgestellt:

The United States Pharmacopeia published the approved General Chapter <477> User-Determined Reporting Thresholds in USP-NF Online on November 1, 2023.

The chapter is based on a proposal published in Pharmacopeial Forum (PF) 48(5) and anticipated to become an official general chapter with USP-NF 2024, Issue 1 on May 1, 2024.

The removal of prescriptive numeric values for reporting thresholds from some USP-NF monographs was based on recommendations by the US Food and Drug Administration (FDA) and was subsequently proposed as a policy change titled "Reporting Threshold in USP-NF Monographs

The flexible, user-determined reporting thresholds approach improves alignment between certain USP-NF monographs and applicable ICH guidelines.

Zurück zu den anfangs genannten zentralen Fragestellungen, lassen sich die Meinungen der Kollegen folgendermaßen beantworten:

  • Wiederholungsrisiko: Ja, mittel bis hoch
  • Regulatorische Lücken: Ja, zumindest zum Teil (CEP, rechtsverbindliche Vorgaben fehlen)
  • Früherkennung: Keine frühzeitige Risikoerkennung, ob CEP 2.0 es künftig garantiert bzw. erheblich begünstigt
  • Haftung: Man darf gespannt sein, wie die Gerichte in USA die Klagevorwürfe bewerten



Über den Autor:
Dr. Jaime Guardiola
... ist Inhaber von DocJaGuar Consulting und verfügt über mehr als 40 Jahre Industrieerfahrung in den Bereichen Produktion, Entwicklung, Zulassungsfragen, Qualitätskontrolle und Qualitätsmanagement.

Zurück

To-Top
To-Bottom