Reinigung und Desinfektion - risikobasierter vs. willkürlicher Ansatz Teil I

    

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In der (Bio)pharmazeutika und Medizinprodukte herstellenden Industrie sind Reinigung und die Kontrolle der mikrobiologischen Kontamination kritische Schwerpunktbereiche. Robuste Reinigungs- und Desinfektionsprogramme sind erforderlich, um Verfälschungen, Kreuzkontaminationen und eine mikrobiologische Verunreinigung der Produkte zu verhindern. Folglich sollten die Auswahl und Anzahl der verwendeten Desinfektionsmittel, die Häufigkeit ihrer Anwendung und die Rotation von (einem oder mehreren) Desinfektionsmitteln zusammen mit einem sporiziden Mittel durch eine formale mikrobiologische Risikoanalyse (MRA) wissenschaftlich begründet sein. Die MRA sowie das ausgewählte Reinigungs- und Desinfektionsprogramm sollten von einer regelmäßigen Überprüfung der einschlägigen Daten aus dem Umgebungsmonitoring (EM) und einem regelmäßigen Auditieren der Reinigungs- und Desinfektionsprogramme unterstützt werden.

Unzureichende Reinigungs- und Desinfektionsprogramme stellen ein signifikantes Risiko für die Patientensicherheit dar und verursachen finanzielle Verluste des Unternehmens und Produktrückrufe1-5. Normalerweise ist eine wiederkehrende mikrobiologische Kontamination das Ergebnis unzureichender Reinigungs- und Desinfektionsverfahren, verbunden mit einer unzureichenden Analyse der Ursache. Zu den zehn am häufigsten beanstandeten Mängeln bei der FDA zählen seit 2012 die Kontrolle der mikrobiologischen Kontamination und die Untersuchung der Grundursachen (rootcause investigation) (siehe CFR211.113 a und b sowie CFR211.192)6. Basierend auf den kürzlich von der britischen MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) festgestellten Mängeln sowie den Non- Compliance-Berichten der europäischen Inspektoren ist die Situation in Europa die gleiche7-9.

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Mit dem vorliegenden Artikel sollen erstens die unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen und Leitlinien zur Desinfektionsmittel-Rotation vorgestellt werden. Zweitens wird in dem Artikel versucht, die folgende Frage zu beantworten: "Ist die Rotation von mehr als einem Desinfektionsmittel zusammen mit einem sporiziden Mittel für die Einhaltung mit den cGMP-Regeln verpflichtend?" Um diese Frage vollständig beantworten zu können, wird das Verfahren zur Festlegung der Anzahl von Desinfektionsmitteln (eins oder mehrere) erörtert. Schließlich hebt der Artikel die Bedeutung einer regelmäßigen Überprüfung der mikrobiologischen Daten und der Verfahren für die Durchführung von Audits hervor, um die Wirksamkeit des Reinigungs- und Desinfektionsprogramms einschließlich der Desinfektionsmittel- Rotation und der Entscheidung hinsichtlich der Häufigkeit zu bestätigen.

Regulatorische Anforderungen und Leitlinien zur Desinfektionsmittel-Rotation

Es gibt die folgenden regulatorischen Empfehlungen zur Rotation von Desinfektionsmitteln:

1. Japan (JP) Guidance on the Manufacture of Sterile Pharmaceutical Products by Aseptic Processing (2006):
a. "Das Programm sollte Verfahren für das Screening und die Klassifizierung bakterieller Isolate in jeder Herstellungsumgebung enthalten."
b. "Reinigungs- und Desinfektionsmittel sollten vor ihrer Verwendung auf ihre Geeignetheit und Zuverlässigkeit bei der Beseitigung von Kontaminanten validiert werden. Ihre Wirksamkeit bei der Reinigung und Desinfektion sollte basierend auf der Art und Anzahl der Mikroorganismen bewertet und bestätigt werden, die beim regelmäßigen Umgebungsmonitoring charakterisiert wurden."
c. "Wenn ausgewählte Desinfektionsmittel möglicherweise eine geringere Wirksamkeit gegen aus der Umgebung isolierte Mikroorganismen haben, sollte die Wirksamkeit erneut bewertet werden. Gegebenenfalls sollte das Desinfektionsmittel ersetzt oder eine wechselnde Nutzung verschiedener Desinfektionsmittel in Erwägung gezogen und umgesetzt werden."
d. "Wenn die Daten aus der Umgebungsüberwachung auf das Vorliegen von sporenbildenden Bakterien oder Pilzen hinweisen oder dieses vermuten lassen, sollten für die Desinfektion geeignete Sporizide oder Fungizide ausgewählt werden."

2. United States Food and Drug Administration (US FDA) guidance on aseptic manufacturing (2004):
a. "…. Routinemäßig verwendete Desinfektionsmittel sollten gegen die im aseptischen Betrieb normalerweise gefundene mikrobielle Flora vegetativer Bakterien wirksam sein.…."
b. "Daher soll in einem richtig konzipierten Desinfektionsprogramm auch ein sporizides Desinfektionsmittel zum Einsatz kommen, das in schriftlich festgelegten Zeitabständen routinemäßig eingesetzt wird, und zusätzlich, wenn Daten des Umgebungsmonitoring auf das Vorkommen von Sporenbildern schließen lassen."
c. "…. Wenn erforderlich, können im Zusammenhang mit unerwünschten Trends isolierte Mikroorganismen auf ihre Empfindlichkeit gegenüber dem Desinfektionsmittel, das im betroffenen Reinraum verwendet wird, untersucht werden."

3. Brazil National Health Surveillance Agency (ANVISA) Beschluss - RDC Nr. 17 (2010):
a. "Artikel 315. Die Betriebshygiene in reinen Bereichen ist insbesondere bei der Herstellung von sterilen Produkten wichtig. § 1 Diese Bereiche sollten nach einem speziellen, von der Qualitätssicherung genehmigten Programm häufig gereinigt und desinfiziert werden. § 2 Die Bereiche sollten regelmäßig kontrolliert werden, um das Auftreten resistenter Mikroorganismen festzustellen."

4. Europäische Arzneimittel- Agentur (EMA) EudraLex Anhang 1 (2008):
a. "61. Die Betriebshygiene in reinen Bereichen ist besonders wichtig. Diese sollten gründlich nach einem schriftlich festgelegten Programm gereinigt werden. Wenn Desinfektionsmittel verwendet werden, sollten mehrere Typen eingesetzt werden. Es sollten regelmäßige mikrobiologische Kontrollen erfolgen, um die Entwicklung resistenter Stämme aufzudecken. "

Die Anforderungen der Pharmaceutical Inspection Convention/Pharmaceutical Inspection Co-Operation Scheme (PIC/S) - PE 009-13 Anhänge (2017) ähneln in Bezug auf die Desinfektionsmittel-Rotation den Anforderungen aus EudraLex Anhang 1 (2008).

Hier ist anzumerken, dass der Leser basierend auf diesen Auszügen im Hinblick auf die Definition der Rotation verwirrt sein kann. Ist es ein Desinfektionsmittel, das abwechselnd mit einem zweiten Desinfektionsmittel verwendet wird? Oder handelt es sich um ein oder mehrere Desinfektionsmittel mit einem sporiziden Mittel? Es wurden bereits verschiedene Artikel veröffentlicht, in denen Rotation definiert wird10-13. Einige Nichtregierungsorganisationen haben Empfehlungen zur Gestaltung der Reinigungs- und Desinfektionsprogramme und der Rotation der Desinfektionsmittel veröffentlicht14- 16. Die Bedeutung von Rotation sollte in den Reinigungs- und Desinfektionsverfahren angemessen definiert sein.

Allgemeine Kapitel aus den Arzneibüchern oder technische Dokumente von Nichtregierungsorganisationen sind keine verbindlichen Anforderungen. Diese Informationen könnten jedoch Empfehlungen enthalten, die Unternehmen helfen sollten, die cGMP-Regeln einzuhalten:

1. United States Pharmacopeia (USP) <1072>:
a. "Die Rotation eines wirksamen Desinfektionsmittels mit einem Sporizid wird angeregt. Es ist vernünftig, die tägliche Anwendung eines bakteriziden Desinfektionsmittel mit der wöchentlichen (oder monatlichen) Anwendung eines sporiziden Mittels zu ergänzen."
b. "Andere Rotationssysteme für Desinfektionsmittelkönnen auf der Grundlage einer Überprüfung der beim Umgebungsmonitoring gewonnenen Daten unterstützt werden."
c. "... es kann in regelmäßigen Abständen ein Test durchgeführt werden, bei dem die beim Umgebungsmonitoring am häufigsten isolierten Mikroorganismen den in dem Desinfektionsprogramm genutzten Mitteln in der verwendeten Verdünnung ausgesetzt werden, um die Empfindlichkeit dieser Mikroorganismen gegenüber den Mitteln zu bestätigen, da es bezüglich der abtötenden Wirkung von Desinfektionsmitteln deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Arten von Mikroorganismen gibt."

2. Parenteral Drug Association (PDA) Technical Report 70:
a. "Heutzutage verwenden die meisten Unternehmen ein System, bei dem zwischen einem Desinfektionsmittel und einem Sporizid abgewechselt wird, um das Ausmaß der mikrobiologische Grundbelastung wirkungsvoller zu reduzieren."
b. "Alle Rotationssysteme sollten anhand einer Raumklassifizierung, den Daten aus dem Umgebungsmonitoring und/oder einer Risikobewertung bewertet werden."

Die regulatorischen Vorgaben stimmen darin überein, dass ein routinemäßig eingesetztes Desinfektionsmittel gegenüber der Flora vegetativer Bakterien wirksam sein muss, die in den Räumlichkeiten oder in Isolaten vorgefunden wird. Die Wirksamkeit der Desinfektionsmittel und der Sporizide muss anhand einer Validierung der Desinfektionsmittel (Laboruntersuchungen wie Suspension und Coupon Testing und in-Situ-Tests) nachgewiesen und durch Umgebungsmonitoring und Trenddarstellung der Daten im Laufe der Zeit bestätigt werden. Schließlich sollte das Programm für das Umgebungsmonitoring so ausgearbeitet sein, dass es die am häufigsten auftretenden Isolate von Mikroorganismen sowie worst-case-Mikroorganismen (z. B. Sporen oder Pilze) oder "resistente" Stämme/ Mikroorganismen aufdeckt. Für (Bio)pharmazeutika und Medizinprodukte herstellende Unternehmen wird die in der USP genutzte Terminologie "häufigstes Isolat" als genauer angesehen als der Begriff "resistente Mikroorganismen". Wenn die Daten aus dem Umgebungsmonitoring das Vorliegen von sporenbildenden Organismen zeigen, wird die Verwendung eines sporiziden Mittels erwartet. Es wird darauf hingewiesen, dass diese letztgenannte Forderung nicht im 2008 überarbeiteten Anhang 1 des EU-GMP Leitfadens aufgeführt ist. Der Autor ist jedoch der Ansicht, dass diese in der nächsten Revision niedergelegt werden sollte, um den Anhang mit den anderen regulatorischen Empfehlungen in Einklang zu bringen.

Und schließlich unterscheiden sich die regulatorischen Vorgaben hinsichtlich der Zahl der Desinfektionsmittel, die in Verbindung mit einem sporiziden Mittel benötigt werden (Desinfektionsmittel-Rotation). In den Leitlinien der USA FDA, JP und ANVISA wird jedoch erwartet, dass der Hersteller die Anzahl der Desinfektionsmittel und die Rotation basierend auf einer Überprüfung der Daten aus dem Umgebungsmonitoring begründet. Im EU-GMP Leitfaden wird dagegen gefordert, dass zumindest mehrere Typen eingesetzt werden, wenn Desinfektionsmittel verwendet werden15,17. Außerdem fordert der zur öffentlichen Kommentierung verfügbare Entwurf des Annex 1, dass "mehr als ein Typ Desinfektionsmittel verwendet werden und auch die periodische Anwendung eines sporiziden Mittels beinhalten sollte." Ist das angesichts des Grundsatzes des Qualitäts-Risikomanagements, der in den verschiedenen kürzlich erfolgten Revisionen des EU-Leitfadens gefördert wird, nicht paradox? Das Reinigungs- und Desinfektionsprogramm sollte als Teil des Life Cycle-Ansatzes des Umgebungsmonitoring- Programms gesehen werden. Folglich sollte die Anzahl der Desinfektionsmittel, die zusammen mit einem sporiziden Mittel verwendet werden, durch eine formale mikrobiologische Risikoanlayse, eine regelmäßige Überprüfung der Daten aus dem Umgebungsmonitoring und ein regelmäßiges Auditieren des Reinigungs- und Desinfektionsprogramms begründet werden, statt dass willkürliche Vorgaben gemacht werden.

Erfahren Sie im zweiten Teil dieses Beitrags in der kommenden Ausgabe des GMP Journals mehr über den Lebenszyklus-Ansatz zur Bestätigung des Desinfektionsmittel- Rotationsprogramms.

 

Autor:
Walid El Azab
... ist Technical Services Manager bei STERIS Life Science. Derzeit bietet er technische Unterstützung in Bezug auf Reinigungsmittel, Desinfektionsmittel und Produkte zur Sicherstellung der Sterilität sowie ihrer Anwendung und Validierung an. Walid ist Industrieapotheker und Secretary der Belgium Qualified Person Association.

 

Fußnoten:
1 Macher, J. Business Case for Quality. Pharmaceutical Quality Systems (ICH Q10) Conference. (2011)
2 Sutton, S and L Jimenez., A Review of Reported Recalls Involving Microbiological Control 2004-2011 with Emphasis on FDA Considerations of "Objectionable Organisms", American Pharmaceutical Review, 15, 42-57, (2012).
3 Hayes, R.J. Cost of Quality (CoQ) - An Analysis of the Cost of Maintaining a State of Compliance. (2014) Int. Pharm. Ind. 6(1), 74-76.
4 Cundell, T. Mold Monitoring and Control in Pharmaceutical Manufacturing Areas. (2016) Am. Pharm. Rev., 19(5).
5 $18.2 million in settlement over mold at manufacturing facility, abgerufen am 1. Juli 2017 unter: http://www.modernhealthcare.com/article/20170112/NEWS/170119945
6 United States Food and Drug Administration (US FDA), Summary of Inspectional Observations by Fiscal Year, abgerufen am 25. Mai 2017 unter: https://www.fda.gov/ICECI/Inspections/ucm250720.htm
7 Medicines & Healthcare products Regulatory, MHRA GMP Inspection Deficiency Data Trend 2015, abgerufen am 25. Mai 2017 unter: https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/582841/MHRA_GMP_Inspection_Deficiency_Data_Trending_2015.pdf.
8 Medicines & Healthcare products Regulatory, MHRA GMP Inspection Deficiency Data Trend 2016, abgerufen am 25. Mai 2017 unter: https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/609030/MHRA_GMP_Inspection_Deficiency_Data_Trend_2016.pdf 9 EudraGMDP Berichte über Nichteinhaltungen, die von den europäischen Inspektoren von Februar 2015 bis Mai 2017 festgestellt wurden, abgerufen am 1. Juli 2017 unter: http://eudragmdp.ema.europa.eu/inspections/gmpc/searchGMPNonCompliance.do
10 Smith, J. "Rotational Cleaning-Is It Necessary?" Cleanroom Technology (Januar 2014)
11 Martinez, JE "The Rotation of Disinfectant Principle True or False?" Pharmaceutical Technology (2009)
12 Sutton, S. "Disinfectant Rotation in a Cleaning= Disinfection Program for Clean Rooms and Controlled Environments" CRC Press Taylor Francis (2007), herausgegegen von Gurusamy Manivannan
13 Sutton, S. "Disinfectant Rotation a Microbiologists View" Cleanrooms, 2005, abgerufen am 25. Mai 2017 unter: https://www.cemag.us/article/2005/07/disinfectant-rotation-microbiologists-view
14 PDA Technical Report Number 70: Fundamentals of Cleaning and Disinfection Programs for Aseptic Manufacturing Facilities (2015)
15 Europäische Kommission, EU-GMP Leitfaden für Human- und Tierarzneimittel - Anhang 1 - Herstellung steriler Arzneimittel.
16 United States Pharmacopeia 38 (USP) <1072> - Disinfectants and Antiseptics. The United States Pharmacopeia Convention/National Formulary, Rockville, MD.
17 Sandle T., a guide to cleaning and disinfecting cleanrooms, 3. Ausgabe, the CDC Handbook, 2012, S. 173-180.

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