Raumdruckregelung und Kontrolle in der sterilen pharmazeutischen Herstellung: Anforderungen und technische Umsetzung
Die Regelung und Kontrolle der Druckdifferenzen zwischen Räumen unterschiedlicher Reinheitsklassen und Produktionsbereichen ist ein essenzielles Element in der sterilen Arzneimittelherstellung. Sie dient dazu, den Luftstrom gezielt zu lenken um das Produkt vor Verunreinigungen zu schützen, das Risiko von Kreuzkontaminationen zu minimieren und den notwendigen Personenschutz sicherzustellen. Ein gut geplantes Druckmanagement gewährleistet also sowohl den Personenschutz, die Produktqualität als auch die Einhaltung regulatorischer Anforderungen, wie sie in GMP-Leitlinien festgelegt sind. Im Detail gibt es aber immer wieder Fragen zur Auslegung der Differenzdrücke zwischen verschiedenen Reinheitsbereichen bzw. Räumen oder Materialtransferöffnungen (wie Durchreichen, Mouseholes). Im Folgenden werden die wichtigsten Vorgaben sowie technische Umsetzungsmöglichkeiten näher erläutert.
Druckkaskaden und Raumluftströmung
In sterilen Herstellungsbereichen müssen die Druckverhältnisse so gestaltet sein, dass die Luft von höher klassifizierten Räumen (z. B. Grade A) zu weniger kritischen Bereichen (z. B. Grade D oder unklassifiziert) fließt. Dies erfolgt durch die Einrichtung von Druckkaskaden:
- Höhere Reinraumklassen (z. B. Grade A): Höchster Druck, um Produkt und Umgebung zu schützen.
- Niedrigere Klassen (z. B. Grade D): Geringerer Druck, um zu verhindern, dass Luft in die höher klassifizierten Bereiche eindringt.
- Räume mit gleichen Klassifikationen können ebenfalls eine Druckdifferenz aufweisen, wenn dies aus prozesstechnischen Gründen erforderlich ist.

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Spezifische Anforderungen an Druckdifferenzen
Die Mindestdifferenzen sind klar definiert:
- Bei einer Standardkaskade zwischen zwei Grade-Räumen (z. B. Grade C zu D): Mindestens 15 Pa über beide Türen einer Luftschleuse verteilt.
- Zwischen Räumen unterschiedlicher Grade: Mindestens 7,5 Pa pro Tür in Luftschleusen.
- Druckdifferenzen sollten 37 Pa nicht überschreiten, um Probleme wie das schwerfällige Öffnen von Türen, Lärmbelästigung oder Luftbalancierungsprobleme zu vermeiden.
Überwachung und Alarmmanagement
Eine kontinuierliche Überwachung der Druckverhältnisse ist notwendig, um GMP-Konformität sicherzustellen:
- Kritische Räume (z. B. Grade A und B): Druckdifferenzen und andere Parameter wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit müssen kontinuierlich gemessen und archiviert werden. Abweichungen müssen durch Alarme angezeigt werden.
- Nicht-GMP-kritische Räume (z. B. Grade C und D): Hier können Druckdifferenzen zur Aufrechterhaltung der Reinraumklasse ebenfalls überwacht werden, allerdings gelten sie in der Regel als nicht qualitätskritisch.
- Druckalarme sollten so eingestellt sein, dass sie frühzeitig auf potenzielle Probleme hinweisen. Typische Alarmgrenzen für Grade-C- und -D-Räume liegen bei 4 Pa (+/- 2 Pa)

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Materialtransfer und Luftschleusen
Der Materialtransfer zwischen Räumen unterschiedlicher Grade erfolgt häufig durch sogenannte Mouseholes. Hierbei gelten spezielle Anforderungen:
- Der Luftstrom muss immer vom saubereren Bereich in den weniger sauberen Raum gerichtet sein.
- Der positive Luftstrom wird durch Visualisierung (smoke studies) nachgewiesen.
- Die Konstruktion von Mouseholes muss gewährleisten, dass eine filtrierte ausreichende Luftmenge für den Differenzdruck bereitgestellt wird, auch wenn eine unidirektionale Strömung nicht vollständig erreicht werden kann.
Weitere kritische Parameter
Neben Druckdifferenzen müssen auch andere raumbezogene Parameter überwacht werden:
- Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit: Diese müssen insbesondere in Grade-A- und Grade-B-Räumen überwacht werden, wenn Schwankungen die Produktqualität beeinflussen könnten.
- Luftversorgungsausfall: Ein Verlust der Luftzufuhr in sterilen Grade-A-Bereichen gilt als kritisches Ereignis und muss überwacht werden.
Datenarchivierung und Dokumentation
Die Ergebnisse der Drucküberwachung sowie anderer raumbezogener Parameter müssen in Übereinstimmung mit GMP-Richtlinien dokumentiert werden:
- Archivierung: Alle relevanten Daten müssen verfügbar sein, um bei Audits oder Inspektionen die Einhaltung der Vorgaben nachweisen zu können.
- Zusammenführung von Daten: Für weniger komplexe Anlagen können Druckdifferenzen auch durch Berechnung auf Basis von Messungen an Referenzpunkten ermittelt werden, sofern diese Daten aus einer einzigen Steuereinheit stammen und mit geeigneten Alarmgrenzen versehen sind.
Zusammenfassung: Raumdifferenzdruckregelung und Alarmierung
Die Kontrolle der Raumdrücke und Druckdifferenzen in sterilen Herstellungsbereichen ist eine zentrale Maßnahme, um Kreuzkontaminationen zu verhindern und die Qualität der pharmazeutischen Produkte sicherzustellen. Durch die Einhaltung der definierten Druckdifferenzen, deren kontinuierlicher Überwachung und Dokumentation können regulatorische Anforderungen erfüllt und Risiken minimiert werden. Ein robustes Druckmanagement ist in komplexen Anlagen mit vielen Schnittstellen, wie z. B. bei Isolatoren, RABS oder Luftschleusen mit Materialtransferöffnungen besonders wichtig.
Folgende Tabelle zeigt auf, wie Druckkaskaden inkl. Alarmierung zwischen Räumen verschiedener Reinheitsklasse ausgelegt sein können.
1 Für alle Klassen gilt der Mindestdifferenzdruck zwischen Prozessräumen und Fluren. Wenn Luftschleusen vorhanden sind, gilt der Mindestdifferenzdruck von Raum zu Raum über die Luftschleuse. Für die Klassen D bis C mit einem Mindestdifferenzdruck von 15 Pa beträgt der Mindestdruck an jeder Tür der Schleuse beispielsweise 7,5 Pa.
2 Der Differenzdruck kann als kritisch angesehen werden, wenn dies zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen erforderlich ist.
Für Bereiche mit komplexen Drucksystemen, wie bei Isolatoren oder RABS können höhere Differenzdrücke erforderlich sein.
Über den Autor:
Nikolaus Ferstl
... führte als Niederlassungsleiter von LSMW/M+W (heute Exyte) in Wien Pharmaprojekte weltweit durch. Von 2009 bis 2024 war er technischer Leiter der Universitätsklinik Regensburg. Heute ist er Geschäftsführer der Facility Engineering Services GmbH.
Referenzen:
EU GMP Annex 1
ISPE Baseline® Guide: Volume 3 – Sterile Product Manufacturing Facilities
ISPE Good Practice Guide: Heating, Ventilation, & Air Conditioning