Qualität pflanzlicher Arzneimittel - Was gibt es Neues?
Einleitung
Angesichts veränderter regulatorischer Anforderungen, wissenschaftlicher Fortschritte und einer verstärkten Fokussierung auf die Patientensicherheit unterliegt der Bereich der pflanzlichen Arzneimittel einem ständigen Wandel.
So hat das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die überarbeitete Guideline on Good Agricultural and Collection Practice (GACP) für pflanzliche Ausgangsstoffe finalisiert. Darüber hinaus veröffentlichte das HMPC einen Entwurf für eine öffentliche Stellungnahme zu Cannabis flos zur öffentlichen Konsultation bis Oktober 2025.
Parallel dazu haben United States Pharmacopeia (USP) und die Europäische Pharmakopöe (Ph. Eur.) kürzlich mehrere Aktualisierungen in Bezug auf die Qualitätsanforderungen für Pflanzliche Drogen und Zubereitungen aus Pflanzlichen Drogen veröffentlicht. Änderungen wurden insbesondere auch an den Monographien zu Cannabisblüten vorgenommen.
Diese Entwicklungen unterstreichen ein zentrales Thema: die fortlaufenden Bemühungen um eine stärkere globale Harmonisierung der Qualitätsstandards für pflanzliche Arzneimittel (herbal medicinal products = HMPs).
Aktualisierungen der EMA
Guideline on Good Agricultural and Collection Practice (GACP) of Starting Materials of Herbal Origin
Das HMPC der EMA hat die überarbeitete GACP-Leitlinie fertiggestellt. Die ursprüngliche Leitlinie trat im August 2006 in Kraft und sollte als Orientierungshilfe dienen, um eine angemessene und gleichbleibende Qualität von pflanzlichen Drogen und Zubereitungen aus pflanzlichen Drogen sicherzustellen. Die jüngste Aktualisierung spiegelt den technologischen Fortschritt wider und präzisiert die regulatorischen Erwartungen, z. B. unter Berücksichtigung von Anhang 7 ("Herstellung pflanzlicher Arzneimittel"), welcher 2009 zu den EU-GMP-Leitlinien veröffentlicht wurde.
Wichtige Änderungen
- Unterscheidung zwischen GMP (Gute Herstellungspraxis) und GACP: Klarere Vorgaben dazu, wann Aktivitäten unter GACP, GMP Teil II (Wirkstoffe) oder GMP Teil I (Fertigarzneimittel) fallen. Im Allgemeinen gilt: Je näher die Zubereitung am Endprodukt ist, desto strenger sind die Anforderungen.
- Bestimmungen zum Anbau in Innenräumen: Anerkennung der wachsenden Bedeutung des Anbaus unter kontrollierten Umgebungsbedingungen. Beim Anbau in Innenräumen müssen kritische Qualitätsmerkmale und Prozessparameter definiert werden, mit einem standardisierten Anbauprozess und qualifizierter Ausrüstung.
- Verantwortlichkeit in der Lieferkette: Alle Akteure der Lieferkette (z. B. Anbauer, Erntehelfer, Sammler, Produzenten, Händler, Verarbeiter von Heilpflanzen und pflanzlichen Stoffen) müssen ordnungsgemäße Chargendokumentationen und Qualitätssysteme führen und von ihren Partnern das Gleiche verlangen.

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Die EMA veröffentlichte außerdem eine Übersicht über die Kommentare zum im letzten Jahr veröffentlichten Leitlinienentwurf, der bis zum 15. Juli 2024 zur Stellungnahme offenstand. Darüber hinaus publizierte die EMA bereits zuvor ein Dokument mit Fragen und Antworten zu GMP für Pflanzenextrakte, die als pharmazeutische Wirkstoffe (APIs) verwendet werden. Laut diesem Dokument sollte auf die Tabelle in Anhang 7 des EU-GMP-Leitfadens verwiesen werden, in der die Anwendung von GACP und GMP dargestellt ist. Demnach sollten die ersten Extraktionsschritte bei der Herstellung von Pflanzenextrakten, die als Wirkstoffe verwendet werden, in Übereinstimmung mit den Anforderungen von EU-GMP Teil II durchgeführt werden (siehe Questions and answers on GMP requirements applicable to the early manufacturing steps for comminuted plants and herbal extracts used as active substances, Referenznummer: EMA/INS/GMP/48514/2021).
Entwurf einer öffentlichen Stellungnahme zu Cannabis sativa L., flos
Das HMPC hatte den Entwurf einer öffentlichen Stellungnahme zu Cannabis sativa L., flos (EMA/HMPC/69833/2025) veröffentlicht. Die öffentliche Konsultation endete am 31. Oktober 2025.
Sind die Anforderungen für eine bewährte oder traditionelle Verwendung erfüllt?
Um einen harmonischeren Ansatz bei der Präsentation und Herstellung von Arzneimitteln auf Cannabisbasis zu fördern, hat die Europäische Kommission (EK) das HMPC gebeten, ein "Cannabis-Glossar" (Zusammenstellung von Begriffen und Definitionen für Arzneimittel aus Cannabis, EMA/HMPC/161753/2020) zu erstellen und die Realisierbarkeit einer EU-Pflanzenmonographie zu Cannabis sativa L., flos, zu prüfen. Zusammenfassend kam das HMPC jedoch zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für die Erstellung einer EU-Pflanzenmonographie über die traditionelle und/oder bewährte Verwendung von pflanzlichen Arzneimitteln, die Cannabis sativa L., flos enthalten, (derzeit) nicht erfüllt sind.
Aktualisierungen des Europäischen Arzneibuches (Ph. Eur.)
Bestimmung von Estragol (neues Kapitel 2.8.27) In Pharmeuropa 37.3 wurde ein neues Kapitel 2.8.27 für das europäische Arzneibuch mit dem Titel "Determination of Estragole" vorgeschlagen. Die Frist für Stellungnahmen endete am 30. September 2025.
Zwischenzeitlich wurde ein zweites neues Kapitel 2.8.28 "Determination of Thujone" in Pharmeuropa 37.4 veröffentlicht. Kommentare zum vorgeschlagenen neuen Text für den Abschnitt "Methods in Pharmacognosy" der Ph. Eur. können bis zum 31. Dezember 2025 eingereicht werden.
Estragole ist eine natürliche organische Verbindung und Bestandteil mehrerer ätherischer Öle. Es steht im Verdacht, krebserregend und genotoxisch zu sein, wie aus einem Bericht des HMPC über die Verwendung von pflanzlichen Arzneimitteln mit Estragole (EMA/HMPC/137212/2005 Rev. 1 Corr.) hervorgeht. Aufgrund der allgemein anerkannten Hinweise auf genotoxische Karzinogenität sollte die Exposition mit Estragol so gering wie möglich gehalten werden. Bei der Bewertung von pflanzlichen Arzneimitteln, die Estragol enthalten, sollten die EU-Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit vor Exposition geschützt ist.

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Das neue allgemeine Kapitel der Ph. Eur. ist für die quantitative Bestimmung von Estragol in pflanzlichen Drogen und Zubereitungen aus pflanzlichen Drogen vorgesehen. Die vorgeschlagene Methode (Gaschromatographie) wurde für Anis, Anisöl, Sternanis, Sternanisöl, süßen Fenchel, Bitterfenchel, geschnittenen Bitterfenchel, Bitterfenchelöl und Bitterfenchelkrautöl validiert. Ihre Eignung für andere pflanzliche Arzneimittel oder pflanzliche Arzneimittelzubereitungen muss jedoch nachgewiesen werden, oder es muss eine alternative validierte Methode zum Einsatz kommen.
Monographie zu Cannabisblüten (Pharmeuropa 37.4)
Eine überarbeitete Fassung der Ph. Eur. - Monographie "Cannabis Flower" wurde in Pharmeuropa 37.4 veröffentlicht. Die Frist für Stellungnahmen endet am 31. Dezember 2025.
Die überarbeitete Monographie "Cannabisblüten" führt weiter gefasste Akzeptanzkriterien für Fremde Bestandteile wie Samen und Blätter ein und passt die Identitätsprüfungen an.
Identifizierungstest C (Hochleistungs-Dünnschichtchromatographie, HPTLC): Das Akzeptanzkriterium für die HPTLC-Zone für Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) für den THC-dominanten Typ wird erweitert. Damit sollen Fälle einbezogen werden, in denen diese Zone sehr schwach oder sogar nicht vorhanden ist. Da THC hauptsächlich aus dem Abbau der entsprechenden Säure (THCA) stammt, können THC-dominante Typen, die kurz nach der Ernte und Trocknung getestet werden, THC-Gehalte aufweisen, die mit dem HPTLC-Verfahren nicht nachweisbar sind.
Fremde Bestandteile: Die zusätzlichen Akzeptanzkriterien für Samen und Blätter für das pflanzliche Arzneimittel, wenn es Patienten als Medizinprodukt verschrieben wird, werden erweitert:
- Max. 2 Prozent; wenn das pflanzliche Arzneimittel Patienten als Medizinprodukt verschrieben werden soll, darf es keine reifen Samen enthalten.
Die derzeitige Anforderung lautet wie folgt: maximal 2 Prozent; wenn die pflanzliche Droge Patienten als Arzneimittel verschrieben werden soll, darf sie keine Samen enthalten und die gesamte pflanzliche Droge darf keine Blätter enthalten, die länger als 1,0 cm sind.
Unreife Samen scheinen in Cannabis Flos in einigen Mitgliedstaaten, in denen dieses pflanzliche Arzneimittel Patienten verschrieben wird, relativ häufig vorzukommen. Das Vorhandensein von Blättern mit einer Länge von mehr als 1,0 cm ist auch in ganzen, getrimmten Cannabisblüten, die in ähnlicher Weise verschrieben werden, nicht selten. Ein übermäßiger Blattanteil (d. h. fremde Organe) wird jedoch bereits durch die allgemeine Höchstgrenze von 2 % kontrolliert, wie im Europäischen Arzneibuch, Kapitel 2.8.2, ""Foreign Matter" festgelegt.
Aktualisierungen der United States Pharmacopeia (USP)
Monographie zu Blütenständen von Cannabis-Arten
Das USP Herbal Medicines Compendium (HMC) hat die finale autorisierte Version 1.0 seiner Monographie zu Blütenständen von Cannabis-Arten veröffentlicht ("Cannabis Species Inflorescence Monograph").
- Definition: Bezieht sich auf die weiblichen Blütenstände von Cannabis sativa L. und Spezifikationen für die dazugehörigen Chemotypen (THC-dominant, CBD-dominant, intermediär).
- Kennzeichnungsanforderungen: Produkte müssen innerhalb von 90-110 % des auf dem Etikett angegebenen Gesamtgehalts an THC und CBD liegen. Auf den Etiketten müssen auch die verwendeten Behandlungen zur Reduzierung der Keim-belastung angegeben sein, um Patienten bei ihrer Kaufentscheidung zu unterstützen. In Fällen, in denen das Produkt den strengeren Grenzwerten für die inhalative Anwendung entspricht, und um Risikogruppen bei der Auswahl risikoärmerer Produkte zu unterstützen, sollte auf dem Etikett angegeben werden, dass das Produkt eine reduzierte Keimbelastung aufweist.
- Verunreinigungen: Für Risikogruppen wie immungeschwächte Patient*innen gelten strengere Grenzwerte für mikrobiologische Tests, um das Infektionsrisiko durch das Inhalieren von Cannabis zu minimieren. Die Grenzwerte für Schwermetalle umfassen Arsen (max. 0,2 ppm), Cadmium (max. 0,3 ppm), Blei (max. 0,5 ppm) und Quecksilber (max. 0,1 ppm).
- Trocknungsverlust (LOD): max. 10,0 %
Weitere spezifische Tests umfassen: Fremde organische Bestandteile (max. 5 % Stängel haben einen Durchmesser von 3 mm oder mehr; max. 2 % für alle anderen fremden Bestandteile, Gesamtasche (max. 20,0 %) und Wasseraktivität (0,60 ± 0,05).
Überarbeitung von USP Kapitel <561> Articles of Botanical Origin
Eine überarbeitete Fassung von USP Kapitel <561> Articles of Botanical Origin (ABOs) wurde im Pharmacopeial Forum (PF) 51(4) veröffentlicht. Die Frist für Stellungnahmen endete am 30. September 2025.
Der Entwurf führt eine neue GC-MS-Methode für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ein, deren Grenzwerte an die EU-Normen angepasst sind.
- Bedenkliche PAK: Benzo[a]pyren, Chrysen, Benz[a]anthracen und Benzo[b]fluoranthen.
- Akzeptanzkriterien: Benzo[a]pyren ≤10 ppb; Summe der vier PAK ≤50 ppb.
PAK sind aromatische Verbindungen, die aus zwei oder mehr miteinander verbundenen aromatischen Ringen bestehen, welche aus Kohlenstoff und Wasserstoff aufgebaut sind. Seitdem entdeckt wurde, dass einige von ihnen - wie beispielsweise Benzo[a]pyren - genotoxisch und karzinogen sind, wurden sie intensiv untersucht. Jüngste Studien haben gezeigt, dass einige Heilpflanzen mit PAK belastet sein können, was entweder auf eine Kontamination während der Verarbeitung nach der Ernte oder auf Umweltquellen zurückzuführen sein kann. Aufgrund ihrer großen Oberfläche sind pflanzliche Arzneimittel anfällig für Umweltbelastungen durch PAK, und Trocknungsprozesse können möglicherweise zu dieser Belastung beitragen.
Fazit
Die jüngsten Aktualisierungen der Ph. Eur., USP und EMA zeigen einen gemeinsamen globalen Ansatz: Pflanzliche Arzneimittel werden nun nicht mehr nur als "natürliche Heilmittel" bewertet, sondern auch nach strengen, wissenschaftlich fundierten pharmazeutischen Qualitätsstandards. Zusammen stellen diese Maßnahmen sicher, dass Phytopharmaka den hohen Erwartungen hinsichtlich Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit entsprechen und damit das Vertrauen von Gesundheitsdienstleistern, Aufsichtsbehörden und das der Patienten fördern.
Über die Autorin:
Dr. Andrea Kühn-Hebecker
... ist seit 2015 bei CONCEPT HEIDELBERG und als Fachbereichsleiterin verantwortlich für die Themen Packaging, Phytopharmaka, Entwicklung und Life Cycle Management.

