Qualifizierung & Validierung - Das neue Aide mémoire der ZLG
Lange Jahre war das Aide mémoire "Inspektion von Qualifizierung und Validierung in pharmazeutischer Herstellung und Qualitätskontrolle" der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) das Standard-Dokument zu dieser Thematik für GMP-Inspektoren. Es beschrieb sehr umfänglich, welche Inspektionsanforderungen an die Qualifizierung und Validierung, auch von Reinigungsverfahren und analytischen Methoden gestellt wurden. Mit Revision des Annex 15 wurde auch eine Revision dieses Aide mémoires notwendig. Mit Veröffentlichung des Aide mémoires zur Prozessvalidierung zeigte sich, dass die ZLG das allumfassende Aide mémoire modular in Einzelthemen aufteilen möchte. Konsequenterweise wurde nun dieses Dokument deutlich "verschlankt" und umfasst mit 20 Seiten (vorher 52 Seiten) nur noch die Grundlagen - und Qualifizierungsanforderungen. Der Titel lautet "Qualifizierung und Validierung - allgemeine Grundlagen", obwohl auch detailliertere Qualifizierungsanforderungen beschrieben sind.
Das überarbeitete Aide mémoire umfasst sechs Kapitel:
1 Zweck
2 Grundlagen (Verantwortlichkeiten, Risikobeurteilung, Dokumentation)
3 Inspektion der Qualifizierung und Validierung (Räume, Anlagen, Geräte, Qualifizierung einfacher oder baugleicher Geräte, Requalifizierung)
4 Inspektion von Änderungsmanagementsystemen
5 Anlagen und Formulare 6 Änderungsgrund
Grundlagen
Gleich zu Beginn von Kapitel 2 (Grundlagen) wird auf das Lebenszyklusmodell hingewiesen, das Qualifizierungen/ Validierungen begleitet. Klar adressiert sind die Verantwortlichkeiten für die Qualifizierung der Räume und Einrichtungen im Herstellungsbereich, für die Qualifizierung der Lagerbereiche und die Validierung des Lagermanagementsystems mit der Leitung der Herstellung. Für die Qualifizierung der Räume und Geräte in der Qualitätskontrolle ist die Leitung der Qualitätskontrolle verantwortlich. Für Validierungen liegt die Verantwortlichkeit ebenfalls bei den Leitungen Herstellung und Qualitätskontrolle in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen. Die notwendigen Ressourcen stellt der Hersteller bereit. Die Sachkundige Person hat sich ferner zu vergewissern, dass die erforderlichen Qualifizierungen durchgeführt wurden. Das Qualitätsmanagement soll grundsätzlich in Qualifizierungen/ Validierungen eingebunden werden (definierte Informationswege) und den Überblick behalten.
Im Falle einer Auftragsfertigung trägt der Auftragnehmer die Verantwortung dafür, dass seine Abläufe (Herstellung, Reinigung, Analytik) validiert sind. Bei Vergabe der Durchführung von Qualifizierungen und/oder Validierungen an Dritte müssen die Zuständigkeiten vertraglich klar geregelt werden. Von Dritten erstellte Qualifizierungs- und Validierungsdokumente sind vom Auftraggeber zu prüfen und zu genehmigen.
Die Risikobeurteilung legt Umfang und Tiefe der Qualifizierungs-/ Validierungsaktivitäten fest. Das Lebenszyklusprinzip impliziert, dass Risikobewertungen wiederholt werden müssen, wenn dies angezeigt ist. Selbstverständlich kann bei neuen Prozessen auf bestehende Risikobetrachtungen Bezug genommen werden, wenn die Nutzbarkeit geprüft wurde. Mit Bezug auf Teil III EU GMP-Leitfaden werden als mögliche Methoden exemplarisch FMEA, HACCP und die Ishikawa- Methode genannt. Die Auswahl der Methode obliegt dabei dem pharmazeutischen Hersteller. Die Risikobewertung soll anhand eines nachvollziehbar festgelegten und genehmigten Verfahrens erfolgen, insbesondere wenn es um Kriterien zur Entscheidung des Risikoausmaßes und deren erforderlichen Maßnahmen geht.
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Dokumentation
Die Autorisierung von Plänen soll schriftlich festgelegt sein. In der Regel erfolgen sie durch die Leitungen Herstellung und Qualitätskontrolle sowie durch die Qualitätssicherung. Der Validierungsmasterplan wird als übergeordnetes Dokument beschrieben, das den GMP-Inspektoren die Möglichkeit gibt, die Herangehensweise des Unternehmens an Qualifizierung und Validierung, die Festlegung und die Organisation der erforderlichen Aktivitäten zu verstehen. Elf Themen listet das Aide mémoire auf, die in einem Masterplan aufzuführen sind. Das sind z. T. Themen, die auch schon im Annex 15 genannt sind, aber auch darüber hinausgehen, wie- Definitionen
- Erforderliche Schulung
- Unternehmens-, Verfahrens-, Produktbeschreibung
- Grundsätze zur Risikobewertung
- Dokumentationsformat für Pläne und Berichte
- Liste der erforderlichen Anweisungen (oder Verweis auf bestehende)
- Abteilungsübergreifende Ressourcenplanung
Als regelmäßiges Aktualisierungsdatum für den Validierungsmasterplan wird "in der Regel" jährlich empfohlen. Ausdrücklich erwähnt wird, dass manche Unternehmen einen Qualifizierungsmasterplan - ggf. projektbezogen - nutzen, obwohl dieser nicht in den Regularien gefordert ist. Diese Trennung in Validierungsmasterplan und Qualifizierungsmasterplan wird bei größeren Projekten als durchaus sinnvoll angesehen, ist aber nicht zwingend.
Für Qualifizierungs- und Validierungspläne werden sieben Punkte genannt, die zu beschreiben sind. Änderungen an autorisierten Plänen sind zu dokumentieren und wissenschaftlich zu begründen und von den verantwortlichen Personen zu genehmigen. In den jeweiligen Berichten müssen Abweichungen vom Plan (insbesondere bei Änderungen an Akzeptanzkriterien und Tests) im Bericht begründet und formell genehmigt werden. Formale Freigaben für eine nächste Qualifizierungs- oder Validierungsstufe werden ebenfalls im Bericht dokumentiert. Ein Weiterarbeiten in einer nächsten Qualifizierungsstufe trotz Mängeln soll im Hinblick auf den Einfluss dieser Mängel auf diese nächste Stufe im Bericht bewertet werden.
Inspektion der Qualifizierung von Räumen und Anlagen
An einem Schaubild wird der Lebenszyklus der Qualifizierung gezeigt. Nachfolgend werden allgemeine Anforderungen an Räume beschrieben. In Produktionsräumen sind Messeinrichtungen für das Monitoring zu qualifizieren. Die Position dieser Messeinrichtungen ist auf Basis der Qualifizierungs-Ergebnisse festzulegen. Entfallen ist eine konkrete Angabe zur mikrobiologischen Luftqualität in Räumen zur Herstellung nicht-steriler Arzneiformen. Zusammen mit den Grenzwerten zur partikulären Luftqualität sollen diese im Rahmen einer Kontrollstrategie definiert werden. Bezüglich der Fertigung hochwirksamer Arzneimittel wird mit Hinweis auf den EU-GMP-Leitfaden, die EMA "Shared Facilities" Guideline und ein PIC/S Aide mémoire mit der Nummer 043 auf die Gefahr von Kreuzkontaminationen hingewiesen. Weiterhin werden allgemeine Anforderungen an Lagerräume, Qualitätskontroll-Räume und Nebenbereiche aufgeführt. Lagerbedingungen sind routinemäßig zu überwachen. Die Messstellen werden im Rahmen einer Qualifizierung festgelegt. Beispielhaft wird ein Temperaturmapping über einen Jahreszyklus genannt.
Anforderungen an die Qualifizierung von Geräten/Anlagen
Die Basis für die Anforderungen von Geräten, Einrichtungen oder Systemen sind Nutzeranforderungen und/ oder funktionale Spezifikationen. Grundlegende Qualitätselemente reduzieren hier schon GMP-Risiken. Die Nutzeranforderungen bilden die Referenz über den gesamten Qualifizierungs-Lebenszyklus. Eine Traceability- Matrix wird zur Rückführbarkeit von Qualifizierungsdokumenten auf die Nutzeranforderungen gefordert.
Die Nutzeranforderungen und/oder funktionalen Spezifikationen werden dann in der DQ verifiziert. Beispiele für elf Akzeptanzkriterien einer DQ sind benannt. Das Design gilt als qualifiziert, wenn das Pflichtenheft (Beschreibung der Realisierung und Abwicklung des Projektes durch den Auftragnehmer) den Anforderungen des Auftraggebers (Lastenheft) dokumentiert entspricht. Eine Werkabnahme (FAT) kann der IQ vorgeschaltet sein. Eine Abnahme vor Ort (SAT) folgt in der Regel dem FAT. FAT/SAT sollen insbesondere bei neuen oder komplexen Anlagen/Technologien durchgeführt werden. Prüfungen und der Dokumentenreview können ggf. vom FAT in IQ/OQ übernommen werden. Im Validierungs- oder, sofern vorhanden, Qualifizierungsmasterplan soll beschrieben sein, wann FAT/SAT durchzuführen ist und unter welchen Voraussetzungen deren Ergebnisse im Rahmen der IQ und/oder OQ verwendet werden können. Zwölf Durchführungspunkte einer IQ werden dann gelistet.
Die auf die IQ folgende OQ kann unabhängig von dieser oder als Kombination (IOQ) durchgeführt werden. In der OQ sollen auch worst-case-Betrachtungen durchgeführt werden, ggf. auch unter Betrachtung von Umgebungsbedingungen. Bei der OQ sollen die Personen, die später die Anlagen bedienen, auch an den Testläufen beteiligt sein. Mit dem Abschluss der OQ sollen auch SOPs für den Betrieb und die Reinigung sowie der Wartungsplan vorhanden und die Schulung des Personals erfolgt sein.
Auch für die PQ bietet sich ggf. eine Kombination mit der OQ an (OPQ). Ausdrücklich erwähnt wird, dass die PQ sowohl Elemente der Qualifizierung als auch der Validierung enthält und somit Teil der Prozessvalidierung sein kann. "In der Regel" ist es allerdings nicht möglich, durch eine PQ eine Prozessvalidierung zu ersetzen, so das Aide mémoire. Die angestrebten Leistungsparameter sollen in der PQ unter realen Produktionsbedingungen mit worst-case Chargengrößen überprüft werden. Die PQ soll also mehr als ein kurzer Probelauf sein. Auch bei der Verkettung von Anlagen soll eine PQ durchgeführt werden. Bracketing, also das Zusammenfassen von verschiedenen Produkten ist möglich, wie auch der Einsatz von simuliertem Produkt. Erst nach Klärung ggf. aufgetretener Fragestellungen in der PQ im PQ-Bericht kann die Prozessvalidierung beginnen. Für Betriebsmittel gelten die gleichen Qualifizierungsschritte wie für Anlagen.
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Qualifizierung einfacher und baugleicher Geräte
Die Qualifizierung einfacher und baugleicher Geräte sollte auch auf Basis eines Qualitätsrisikomanagements beruhen. Baugleichheit muss nachgewiesen werden. Die Möglichkeit der Reduzierung des Aufwandes wird im Aide mémoire nur im Bereich der DQ sowie in der Planung der IQ gesehen. Nicht möglich - ausdrücklich fett gedruckt - ist ein Verzicht auf die IQ und OQ bzw. die Reduzierung des Testumfangs auf eine Auswahl der Tests, die im Plan vorgegeben werden. Das Unterkapitel Requalifizierung wiederholt inhaltlich hauptsächlich Forderungen des Annex 15 zu diesem Thema.
Change Control
Mit Bezug auf das Wissensmanagement wird das Change Control System als wichtig angesehen. Mögliche Änderungen, die Change Control-pflichtig sind, werden in Form von 12 Aufzählungspunkten genannt. In einer Abbildung sind die erforderlichen Inhalte und die daraus resultierenden Dokumente eines Change Control Systems als eine Art Fließschema dargestellt. Ein besonderer Hinweis betriff t Änderungen, wenn ein Design Space in den Zulassungsunterlagen registriert ist. Die Autorisierung des geplanten Vorgehens einer Änderung sollte durch einen entsprechenden Funktionsträger (i. d. R. Leitung Herstellung oder Qualitätskontrolle) erfolgen. Die sachkundige Person ist zu informieren, damit sie diese Informationen im Rahmen der Chargenfreigabe berücksichtigen kann. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass ungeplante Änderungen als Abweichungen nach einem Maßnahmenplan behandelt werden - auch wenn diese später in eine geplante Änderung überführt werden.Kapitel 5 und 6 (Anlagen und Formulare, Änderungsgrund)
Das Dokument schließt mit einem Verweis auf ein weiteres ZLG-Dokument zu Begriffsdefinitionen und Abkürzungen (071211_F01) und gibt als Grund der Änderung für dieses neue Aide mémoire die Revision des Annex 15 an.Fazit
Das neue Aide mémoire "Qualifizierung und Validierung - allgemeine Grundlagen" zeigt sehr schön den Stand der Technik zu dieser Thematik. Etwas überraschend geht das Dokument auch detailliert auf Qualifizierungsforderungen ein. Im Vergleich zum Vorgängerdokument sind mikrobiologische Grenzwerte für nicht-sterile Bereiche entfallen und es erfolgt eine Klarstellung bezüglich der Qualifizierung einfacher und baugleicher Geräte im Hinblick auf eine Aufwandreduzierung. Ferner ist als optionales Dokument ein Qualifizierungsmasterplan beschrieben.
Autor:
Sven Pommeranz
... ist seit 1996 bei CONCEPT HEIDELBERG und dort als Fachbereichsleiter für die Themenbereiche Validierung/Qualifizierung und Medizinprodukte verantwortlich.