Pharmazeutische Verträge und ihre Wichtigkeit für die Qualified Person
Pharmazeutische Verträge sind von großer Bedeutung nicht nur für die Abgrenzung allgemeiner und spezifischer Vertragsbelange im Auftragsverhältnis, sondern auch für die involvierten sachkundigen Personen (Qualified Person, QP). Dies zeigte auch das große Interesse an der parallelen Session zu diesem Thema beim 18. QP Forum der European QP Association am 12./13. Oktober 2023 in Wien. Knapp 75% der Teilnehmenden entschied sich für den Besuch einer der insgesamt drei Mal angebotenen Session (vor Ort und live online). Moderiert wurde die Session von Dr. Monika Hupfauf, einer auf Pharmarecht spezialisierten Rechtsanwältin aus Wien und Dr. Carsten Coors, Vetter Development Services Austria.
Nach einer kurzen Einführung in die rechtlichen Hintergründe mit einem Schwerpunkt auf die EU-GMP Guideline Teil 1 Kapitel 7 "Outsourced activities" wurden direkt wichtige Fragen diskutiert, die für QPs in diesem Zusammenhang von Interesse sind, getreu dem Titel der Session "What a QP needs to know about pharmaceutical Contracts". In der live online durchgeführten Session wurde Feedback u. a. mit Hilfe eines webbasierten Umfrage-Tools eingeholt, so dass man hier eine gute Übersicht einzelner Ansichten bekommen konnte.
Die erste Frage bzw. der erste Diskussionspunkt ging um den Detaillierungsgrad einer Qualitätssicherungsvereinbarung (auch Quality Agreement, QA oder Technical Agreement, TA) genannt. Laut Umfrage bevorzugen knapp zwei Drittel der Befragten einen eher detaillierten Vertrag, während der Rest sich hier lieber nur auf die wichtigsten Punkte fokussieren möchte (Abb. 1).
Abb. 1
Vor Ort gab es hier schon die ersten spannenden Diskussionen. Auf jeden Fall sei es wichtig zu beschreiben, wer welche GMP-bezogene Aufgabe ausführt, denn dies lässt sich den Regularien so individuell nicht entnehmen. Essentiell sind hierbei Festlegungen zu Genehmigungsverfahren für Änderungen und die Kommunikation von produkt- bzw. projektbezogenen Problemen, Abweichungen, Änderungen, und Rückrufen.
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Größere Einigkeit gab es bei der Frage, ob die Qualitätssicherungsvereinbarung Bestandteil des Liefervertrags (Supply Agreement, SA) sein sollte oder ein separates Dokument. Mehr als 90% bevorzugen hier eine eigenständige Variante (Abb. 2).
Abb. 2
Zwar bietet eine "All in one" Lösung gewisse Vorteile, wie z. B. erleichterte (Quer-)Verweise, eine einheitlichere Terminologie, eine geringe Gefahr für Widersprüche und keine Unterschiede beim Tag der In-Kraft-Setzung, aber die Vorteile eines separaten Dokuments überwiegen hier:
- Spezialisierung auf den eigentlichen Fokus (GMP und Recht vs. kommerzielle Welt)
- Erleichterte Einbindung der QP
- Bessere Übersicht (weniger komplexe und umfangreiche Verträge)
- Kommerzielle Bedingungen sind für Inspektoren und Auditoren nicht sichtbar
- Schnellerer Aktualisierungsprozess im Falle von Änderungen an den Vertragsbedingungen
Die meisten Verträge werden nach drei bis fünf Jahren aktualisiert (Abb. 3).
Abb. 3
Und was, wenn solch ein oben genannter "Aktualisierungsprozess" von Nöten ist? Eine große Mehrheit (ca. 90 Prozent) der Befragten sieht seinen eigenen Handlungsbedarf (Abb. 4).
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Abb. 4
Und was, wenn die QP einen Vertrag übernimmt, der so gar nicht ihren Vorstellungen entspricht? Hier wollen gut zwei Drittel neu verhandeln, während knapp ein Drittel den Vertrag vorerst so belassen würde (Abb. 5).
Abb. 5
Diskutiert wurde hierbei wie wichtig es dabei sei, potenzielle Risiken und Verbindlichkeiten, einschließlich etwaiger rechtlicher Probleme, zu identifizieren. Es empfiehlt sich für die QP zumindest den Arbeitgeber schriftlich über den Sachverhalt zu informieren ggf. mit der Nennung von Empfehlungen. Zusammen mit dem Arbeitgeber sollte dann bewertet werden, ob eine Neuverhandlung oder gar eine Kündigung des Vertrags nötig und möglich ist.
Aus dem Blickwinkel eines Auftragnehmers ist oft die Frage interessant, inwieweit Fragen von anderen Parteien in der Wertschöpfungskette beantwortet werden müssen, auch wenn hier gar kein Vertrag besteht. Hier kommt es darauf an, meinen zwei Drittel der Befragten (Abb. 6).
Abb. 6
In einem solchen Fall sollte auf jeden Fall bewertet werden, was die Art und der Zweck der Anfrage sind und es sollte sich beim eigentlichen Vertragspartner erkundigt werden, wie der Status des anfragenden Unternehmens ist. In Zweifelsfällen sollte eine QP schriftlich dokumentiert um firmeninterne Unterstützung bitten, wie bei solchen Anfragen vorgegangen werden sollte. Eine unbeabsichtigte Offenlegung vertraulicher, sensibler oder geschützter Informationen gilt es ist zu vermeiden.
Im Juli 2023 hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA ihre Fragen und Antworten aktualisiert und erörtert dort die Vertragskette "Chain of Contracts"1 , ein Konstrukt, bei dem eine oder mehrere Parteien (Standorte/Unternehmen) als Unterzeichner in einer Kette von Verträgen agieren. Damit werden eine oder mehrere getrennte juristische Personen zwischen dem Auftraggeber - z. B. dem Inhaber der Herstellerlaubnis, der für die QP-Zertifizierung verantwortlich ist, und einem Auftragshersteller eingefügt. Die betreff enden GMP-Tätigkeiten werden dabei über eine oder mehrere Ebenen untervergeben. Grund genug, dies auch im Rahmen dieser Session zu diskutieren. Präferiert wurde von den QPs ganz klar, sich nur auf direkte Verträge zu fokussieren und nicht mit allen Parteien in der Wertschöpfungskette ein vertragliches Verhältnis einzugehen (Abb. 7).
Abb. 7
Eine "Vertragskette" kann ausnahmsweise anstelle von direkten schriftlichen Verträgen akzeptabel sein, sofern die folgenden Grundsätze beachtet werden:
- Nachvollziehbarkeit der Verträge
- Diagramm der Lieferkette
- Änderungsverfahren
- Audits
- Leistungsbewertungen
- Datenintegrität, Archivierung, Zugriff srechte...
Details finden Sie unter dem angegebenen Link.
Weitere Themen, die vor Ort zum Teil intensiv diskutiert wurden waren:
- Verantwortlichkeiten der QP bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels
- Direkte QP-QP Verträge
- QA/TA für reine Buy-Sell-Vorgänge
- GMP-Verpflichtungen vs. vertragliche Bedingungen: Lösung von Konflikten
Bei letzterem ist es für die QP v.a. wichtig, die Anliegen recht zeitig zu kommunizieren und diese Kommunikation auch zu dokumentieren, inklusive aller Vereinbarungen und Entscheidungen. Falls möglich, sollten Verhandlungen und Vertragsänderungen vorgeschlagen werden, auch basierend auf einer Risikobewertung.
Auch diesem Jahr sind Frau Dr. Hupfauf und Dr. Carsten Coors wieder beim QP Forum dabei. Am 27. November 2024 moderieren sie zusammen mit einer weiteren QP und einer auf internationales Arbeitsrecht spezialisierten Anwältin eine Session zum Thema Haftung und Absicherung von QPs.
Über den Autor:
Wolfgang Schmitt
... wechselte 2006 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Qualitätssicherung und GMP.
Fußnoten:
1. https://www.gmp-navigator.com/gmp-news/eu-gmp-kapitel-7-ist-eine-kette-von-vertraegen-erlaubt