Pharma-Kongress: Trends in der GMP-/FDA-gerechten Pharma- Fertigung (Teil I)

    

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Über 60 Referenten aus Pharma-Unternehmen und GMP-Überwachungsbehörden diskutierten Ende April in Düsseldorf aktuelle GMP-/FDA-Trends. Eines der am umfangreichsten diskutierten Themen war die Revision des EU GMP Annex 1 zur Sterilherstellung und die Konsequenzen für Pharma-Produktion und -Technik.

Obwohl in den letzten Jahrzehnten mehrfach Änderungen am Annex 1 durchgeführt wurden, blieb die Grundstruktur des Anhangs über die ganzen Jahre unverändert. Welche Gründe sprachen also jetzt für eine komplette Neustrukturierung? Die Beweggründe für die Revision nannte die Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe zur Annex 1 Revision, Dr. Beate Reutter vom Landesamt für soziale Dienste in Kiel:

  • Fehlendes Glossar
  • Fehlende Einbeziehung neuer technologischer Entwicklungen
  • Unzureichende Detailtiefe
  • Kein Einbezug des "Risk based approachs" bei der Behandlung kritischer Situationen

Ein weiterer Gesichtspunkt waren die Anpassungen des EU-GMP-Leitfadens an die ICH (International Council for Harmonisation) - Dokumente Q 9 (Quality Risk Management) und Q 10 (Pharmaceutical Quality System). Denn bisher fanden sich die nicht im Annex 1 wieder.

Ein erstes Positionspapier legte die Annex 1-Arbeitsgruppe der IWG (Inspektors Working Group) 2014 vor. Im Februar 2016 erfolgte der erste Entwurf der im Dezember 2017 zur öffentlichen Kommentierung gestellt wurde.

Ein Schwerpunkt der Annex 1 Neufassung ist die dezidierte Einbeziehung des Quality Risk Managements und in diesem Zusammenhang die Erwartung einer Contamination Control Strategy als ganzheitliche Betrachtung. Beide Aspekte führte Frau Dr. Reutter bei den Themen Räumlichkeiten / Ausrüstung und Media Fills detailliert aus. Im Bereich Räumlichkeiten / Ausrüstung sind vielen Anforderungen aus dem bisherigen Annex 1 übernommen worden. Neu hinzugekommen ist jetzt die Einbeziehung des Quality Risk Managements, z.B.

  • Die Definition des geeigneten Reinraumdesigns für den jeweiligen Prozess
  • Die Bewertung der Material- und Personalbewegungen im Hinblick auf Kontaminationen und Kreuzkontaminationen
  • Die periodische Requalifizierung bzw. die Requalifizierung nach Änderungen an Ausrüstungen / Produktionsstätten oder Prozessen basierend auf den Prinzipien der QRM (bei Klasse A- und B-Zonen bleibt das maximale Zeitintervall für die Requalifizierung sechs Monate und für die Klasse C- und D-Zonen bei 12 Monaten)

Vergleichbar mit den Erwartungen der amerikanischen FDA ist auch im Annex 1-Entwurf die verstärkte Fokussierung auf Barriere-Systeme und Automatisierung generell erkennbar.

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8.9.
Where possible, the use of equipment, such as RABS (Restricted Access Barrier System), isolators or closed systems, should be considered in order to reduce the need for interventions into the grade A environment and minimize the risk of contamination Automation of processes should also be considered to remove the risk of contamination by intervention (e.g. dry heat tunnel, automated lyophilizer loading, SIP)

Ergo kann z.B. bei automatisierten Prozessen im Isolator ein geringeres Level der Contamination Control Strategy angewendet werden. Bei der klassischen manuellen Arbeit unter Laminar Flow liegt dagegen ein deutlich höheres Kontaminationsrisiko vor. Entsprechend deutlich umfassender muss die Contamination Control Strategy ausfallen.

Barrier Systems & Annex 1

Für Barrier Systems stellte Dr. Daniel Müller vom Regierungspräsidium Tübingen die neuen Anforderungen den bisherigen Anforderungen des Annex 1 gegenüber. Schwerpunkte sind dabei:

  • Die Einbringung des Materials in das Barriere-System sollte bewertet und überprüft werden
  • Bei geschlossenen Isolatoren sollte eine Begründung für eine turbulente Luftströmung geliefert werden
  • Die Contamination Control Strategy sollte risikobasiert erfolgen und das Desinfektionsregime umfassen
  • Der Background des Isolators sollte risikobasiert festgelegt werden
  • Automatisierte Prozesse reduzieren die Anzahl der Interventionen und werden bevorzugt gesehen

Die ECA Foundation hatte eigens zur Kommentierung des Annex 1-Entwurfs eine Task Force gegründet. Deren Bewertungen und Kommentare zum Thema Barrier Systems fasste Dr. Friedrich Haefele von Boehringer Ingelheim Pharma zusammen. Dabei verglich er die neuen Vorgaben auch mit dem FDA Aseptic Guide und aktuellen Industrie-Guides. Seine Bewertung:

  • Dem Entwurf fehlt es an Homogenität (im Wording), was zu Verwechselungen und Fehlinterpretationen führen kann
  • Die Begriff e "Desinfektion, Sterilisation, Dekontamination, Sanitisierung, Biodekontamination" benötigen eine eindeutige Definition und sollten im gesamten Dokument einheitlich gehandhabt werden.
  • Während das Dokument auf die Anwendung des Quality Risk Managements fokussiert, finden sich gleichzeitig an manchen Stellen sehr detaillierte Anforderungen. Diese sind häufig nicht wissenschaftlich begründet und auch teilweise nicht bei Barriere- Systemen anwendbar
  • Manche Anforderungen in den Kapiteln 5 (Premises), 6 (Equipment), 8 (Production and specific technologies) und 9 (Viable and non viable environment and process monitoring) sind nur bei klassischen Reinräumen der Klasse A in Klasse B anwendbar
  • Der Annex 1 sollte deutlicher auf den besonderen Aspekt von innovativer Barriere-Technologie in Bezug auf die Minimierung des Kontaminationsrisiko eingehen.

Continuous Manufacturing

"Kontinuierliche Pharma-Produktion" ist schon seit dem Pharma-Kongress 2012 festes Thema. Dieses Jahr sprach erstmals ein Vertreter der EMA über die Erwartungen europäischer Behörden. Für Dr. Nick Lee, Leiter der Abteilung für Continuous Manufacturing bei der Irischen Gesundheitsbehörde HPRA sowie Mitglied des EMA Pat Teams, ist die Kontinuierliche Herstellung sehr viel datenfokussierter als die diskontinuierliche Herstellung in Chargen. Alleine durch das kontinuierliche Daten- Monitoring fielen enorme Daten- Mengen an. Dieses Monitoring bewertet er als enorm wichtig, ebenso wie das Verstehen der Strategie hinter dem kontinuierlichen Prozess. Die Einreichungsdokumente müssten klar und verständlich sein. "Wir wollen Sie verstehen", so Dr. Lee. Er erinnerte daran, beim Schreiben der Einreichungsdokumente an den Assessor zu denken, der die Dokumente lesen und verstehen müsse und forderte auf, firmeninternen Termini zu vermeiden.

Zentrale Elemente der kontinuierlichen Herstellung sind für ihn: die Residence Time Distribution (RTD = Verweilzeitverteilung) und, damit verbunden, auch die Stabilitäten der Materialien, die nun unter Umständen viel länger in der Anlage verweilen als in der herkömmlichen Produktion. Hilfestellung bieten eine ganze Reihe von bereits verfügbaren Guidelines, auch wenn spezifische Dokumente bisher nicht existieren. So nannte er die ICH Reihe (ICH Q8, Q9 und Q10). Auch ICH Q7 kann bei der Definition des Chargenbegriff s für eine kontinuierliche Produktion helfen. Außerdem, ergänzte Dr. Lee, sei auch das Thema Validierung bzw. Validierung eines kontinuierlichen Prozesses bereits beschrieben, und verwies auf das bestehende Dokument der EMA zum Thema Prozessvalidierung. Möglich sind der traditionelle Validierungsansatz, der kontinuierliche Ansatz [Continuous process verification] oder ein Hybrid aus beidem.

Dr. Eric Meier, Leiter QA Continuous Manufacturing bei Novartis, ging auf Qualitätsaspekte der kontinuierlichen Produktion ein. Seine Vision ist eine kontinuierliche Produktion - beginnend bei den Rohstoff en, über den (nicht isolierten) Wirkstoff bis zum Fertigprodukt. Auch für ihn ist das Fehlen von spezifischen "Konti-Regularien" kein Problem. Und auch er verwies auf das vorhandene Guideline-Gerüst. Zudem wäre die oft diskutierte Chargendefinition bestens abgedeckt, so Dr. Meier. Die Chargengröße wächst auf dem Weg von der Entwicklung zur Routineproduktion. Und je mehr man lernt, umso geringer wird damit das Risiko für das Produkt.

"Konti" ohne PAT erscheint Dr. Meier nicht sinnvoll. Auch ist dann der Weg zur Real Time Release nicht mehr weit, ergänzte er. Für den Einsatz von PAT-Methoden wäre allerdings zu bedenken, dass deren Validierung validierte Referenzmethoden erfordere. Diese wiederum müssten meist noch entwickelt sowie validiert werden, bevor sie zum Einsatz kommen könnten. Ebenfalls wichtig ist die Messung der Material Traceability, also der Messung, wie lange z.B. der Wirkstoff nach Zugabe bis zur Tablette braucht. Auf die Frage "Wie lange ist kontinuierlich?" antwortete Dr. Meier: "Tage bis Monate". Und ergänzte: "Sonst macht es keinen Sinn." Interessant war auch die Definition der minimalen Probenahme bzw. Messfrequenz. Diese leitete er aus der zeitlichen Messung eines Qualitätsparameters ab, bzw. aus der Zeit, die das Signal vom z.B. unteren Alarmlimit zur unteren Spezifikationsgrenze benötigt. Der Sicherheitspuff er, nachdem das Signal wieder im ‚grünen' Bereich ist und bis wieder Gutmaterial entnommen werden darf, ist auf die doppelte Länge der minimalen Messfrequenz festgelegt.

Die praktische Anwendung stellte Dr Giustino Di Pretoro von Janssen Pharmaceutica vor. Die Firma Janssen hat sich Continuous Manufacturing auf die Fahnen geschrieben und verfügt bereits über zwei zugelassene Linien bzw. Produkte aus einer Kontinuierlichen Herstellung in Puerto Rico und Italien. Hauptantrieb für die Entwicklung und Umstellung auf "Konti" ist die Qualität, so Dr. Di Pretoro. "Bisher hat die Qualitätskontrolle 10 von 265.000 Tabletten einer Charge geprüft. Jetzt sehen wir alle". Zentraler Punkt für Giustino Di Pretoro sind die Materialeigenschaften, die für kontinuierliche Prozesse eine viel größere Rolle spielen als bei der chargenweisen Herstellung. Zwei Parameter sind bei der Herstellung von Tabletten besonders wichtig: Fließfähigkeit und Verpressbarkeit. Die "Konti-Linien" können nicht zaubern, so Di Pretoro. Auch die Variabilität der Hilfsstoff e spielt eine viel größere Rolle. So betreibt die Firma Janssen ein "API Engineering", um Wirkstoff e für den Einsatz in kontinuierlichen Prozessen nutzbar zu machen. Hierzu sind viele Studien notwendig. Di Pretoro nannte als Beispiel die Untersuchung (DoE) zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Tabletten-Relaxation und Defekten beim Film-Coating. Bei einem Produkt allerdings konnte hier kein Zusammenhang festgestellt werden. Auch dies sei möglich.

Ein großes Thema, das auch Dr. Lee eingangs erwähnt hatte, ist die Kontroll-Strategie des Konti-Prozesses. Den Behörden wurde beispielsweise eine kontrollierte Störung des Prozesses vorgeführt und die Rückführung des Systems auf den kontrollierten Zustand. Das OOS-Material, welches während der Störung hergestellt worden war, wurde verworfen, das System von der Behörde für gut befunden.

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Aber Kontinuierliche Produktion hat auch Schattenseiten, so Dr. Di Pretoro. So ist die Change-over-Time sehr viel höher als bei Batch Prozessen. Diese sinken aber, wenn die Erfahrung mit dem Prozess steigt. Wichtig sind "lean Projekte", die das Leben der Bediener vereinfachen, ergänzte Di Pretoro. Auch die Ausbeuten können anfangs ein Problem sein. So waren es im Falle von Janssen Software-Fehler der Konti-Linien, die gelöst werden mussten. Teilweise waren es zu Beginn 50% von dem, was jetzt an Ausbeute erreicht wird. Trotzdem sind die möglichen Einsparungen enorm, wenn man an Scale-Up und den Entfall des Prozess-Transfers von der Entwicklung in einen größeren Maßstab denkt, schloss Dr Giustino Di Pretoro.

Track & Trace

Laut Martin Bergen, dem Geschäftsführer von secur- Pharm, ist die Pharma Supply Chain in Europa noch sicher. Aber das ändert sich. Zumal mit gefälschtem Viagra mehr Geld zu verdienen sei als mit Kokain. Auch die Strafen sind viel geringer, was das Fälschen von Arzneimitteln noch attraktiver macht und die Sicherheit von Arzneimitteln in Europa noch mehr gefährdet. Die EU hat hierauf bereits 2011 mit der EU Direktive 2011/62/EU reagiert und 2016 mit den Delegierten Rechtsakten und dem FAQ-Dokument 2018 weiter ausgeführt. Diese umfassen zwei Sicherheitsmerkmale: die eindeutige Seriennummer sowie die sogenannten temper-proof-evidence, also ein Anti-Manipulationsmerkmal der Verpackung, welches dessen Unversehrtheit belegt.

Entsprechend legte Martin Bergen den Schwerpunkt seines Vortrags in der Verpackungs-Konferenz auf die Vergabe der eindeutigen Seriennummern und deren Verwaltung. securPharm hat dazu das Deutsche Pilot- Projekt gestartet und gibt auch die Codierungsregeln vor.

Das zentrale Element des Systems (national repository) ist die Datenbank, die die Seriennummern vergibt, diese verwaltet und bei Benutzung (d.h. Abgabe des Medikaments durch die Apotheke) die Seriennummer streicht, d.h. als benutzt vermerkt. Die Datenbank hat zwei Zugangspunkte: einen für die Arzneimittelhersteller, verwaltet durch ACS Pharmaprotect und einen für die Apotheken, verwaltet durch NGDA (Netzgesellschaft Deutscher Apotheker). Durch securPharm zugelassene Codierungsstandards für die Codierung der eindeutigen Seriennummer per Datamatrix Code sind der "GS1"- und der "IFA"-Standard. GS1 ist weiter verbreitet, IFA dafür aber kostengünstiger und daher eine mögliche Alternative. Von großem Interesse waren die Timelines, also der Zeitpunkt, ab dem die neuen Sicherheitsmerkmale verpflichtend werden. Laut Herrn Bergen ist der 9. Februar 2019 der zentrale Tag. Freigegebene Medikamente werden danach allerdings noch abverkauft werden dürfen. Nur neue Produkte werden für ihre Freigabe den 2D Code tragen müssen. Ganz klar wird es also eine Zeitspanne geben, in der zwei Arten des gleichen Medikaments in der Apotheke lagern: mit und ohne Sicherheitsmerkmalen. Das seit 2013 laufende deutsche Pilotprojekt läuft gut, so Martin Bergen. Es gibt aber auch Probleme - wie beispielsweise die Anzeige "unique identifier is not known" in der Apotheke. In diesem Fall hat der jeweilige Zulassungs-Inhaber einfach vergessen, die für ein Produkt benutzten Identifikationsnummern in das Datenbank-System hochzuladen. Aber dafür, so Martin Bergen, sind wir ja auch noch in der Pilot- bzw. Lernphase.

Erfahren Sie in der nächsten Ausgabe des GMP Journals mehr über die Vorträge in den Bereichen Containment und Wasser für Injektionszwecke (WFI). Aktuelle Informationen rund um den Pharma-Kongress finden Sie außerdem unter www.pharma-kongress.de.

 

Autoren:
Dr. Robert Eicher
... ist seit 2006 bei CONCEPT HEIDELBERG und hier Fachbereichsleiter für den Themenbereich Pharmatechnik.
und
Dr. Andreas Mangel
... kam 1995 als Fachbereichsleiter zu CONCEPT HEIDELBERG, wo er für die Themenbereiche (Steril)produktion und Computervalidierung verantwortlich ist.

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