Pharma-Kongress: Neues in Qualifizierung und Technologie (Teil II)

    

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Besondere Aufmerksamkeit erhielten beim diesjährigen Pharma-Kongress die beiden Keynotes zu einer Quality Metrics Case Study bei Aenova sowie zur Revision des Annex 1 des EU GMP-Leitfadens (siehe auch GMP News Ende Mai/Anfang Juni). Dabei beleuchtete Dr. Friedrich Haefele, Vice President Fill & Finish Biopharma bei Boehringer Ingelheim, was die Pharma-Industrie von der Revision des Annex 1 erwartet.

Die erste Version stammt bereits aus dem Jahr 1972. Seit dieser Zeit gab es bereits fünf Revisionen, aber noch keine grundlegende Überarbeitung, so Dr. Haefele. Es ist also an der Zeit, dieses elementare Dokument zur Regulierung der Sterilfertigung in Europa zu überarbeiten.

Dr. Haefele zeigte den Handlungsbedarf einerseits durch den Vergleich mit dem FDA Aseptic Guide auf, andererseits auch durch seine ganze eigene Kommentierung. Oberstes Ziel müsse eine Harmonisierung sein, meinte er. Grundlegend ist er der Meinung, der Annex 1 solle weiterhin sterilen, parenteralen Produkten vorbehalten bleiben, andere sterile Produkte oder Wirkstoff e sollten in anderen Dokumenten bzw. spezifischen Anhängen reguliert werden. Auch wünscht er sich eine Trennung im neuen Annex 1 zwischen aseptisch gefertigten und terminal-sterilisierten Produkten.

Ein zentrales Dokument für ihn ist die DIN ISO 14644-1, die sowohl vom europäischen als auch US amerikanischen Guide zur Klassifizierung von Reinräumen herangezogen wird. Die Tatsache, dass die Grenze für 5 μm Partikel aus der Klasse ISO 5 (ISO 4.8) gestrichen wurde, stört Dr. Haefele dabei nicht. Seiner Meinung nach solle dies auch aus den Europäischen Forderungen gestrichen werden. Abweichungen bei 0,5 und 5 μm Partikeln gehen im Wesentlichen parallel, so dass man auf die Grenze für 5 μm Partikel verzichten kann.

Auch für das mikrobiologische Umgebungsmonitoring schlug Dr. Haefele eine Vereinfachung vor. In Europa sind zur Zeit settling-plates wie auch die aktive Luftkeimsammlung vorgeschrieben. Laut Dr. Haefele sollte nur die Luftkeimsammlung verbindlich sein, der Einsatz von settling-plates dagegen nur optional bzw. zusätzlich. Das Heranziehen von Durchschnittswerten beim mikrobiologischen Monitoring in Reinraum sollte unterbunden werden. Mit dem Einsatz von Isolatoren mit validiertem Dekontaminationszyklus kann das mikrobiologische Monitoring entsprechend ICH Q9 Quality Risk Management auf das Wesentliche reduziert werden.

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Im Europäischen Annex 1 gibt es im Gegensatz zum FDA Aseptic Guide Anforderungen für den Bördelprozess sowie die Unterscheidung in den aseptic oder clean Prozess. Für letzteren wünscht sich Dr. Haefele eine genauere Definition von "Grade A Air Supply", die laut Annex 1 zum Schutz während des Prozesses eingesetzt werden soll. Eine Industrie-Meinung gibt es hierzu, so Dr. Haefele, nur sollte dies auch im zugehörigen Behördendokument stehen. Er meinte damit den Einsatz von nach Klasse A Anforderungen gefilterter Luft, ohne Berücksichtigung der mikrobiologischen Anforderungen.

Große Unterschiede zwischen Annex 1 und Aseptic Guide gibt es im Bereich Sterilisation. Im US Dokument finden sich keine Hinweise zur terminalen Produktsterilisation. Im EU Dokument ist dies enthalten, wobei Dr. Haefele vorschlägt, die Anforderung einer Sterilisation mit Reinstdampf primär auf die terminale Produktsterilisation einzugrenzen und für sogenannte Ready-to-Use Materialien, auch die Sterilisation mit Ethylenoxid oder andere Methoden zu erlauben.

Eine weitere Verbesserungsmöglichkeit sieht Dr. Haefele beim Thema Sterilfiltration. So vertritt er die Meinung, dass eine Integritätsprüfung nach Sterilisation unmittelbar vor der Abfüllung entfallen kann. Denn die Daten der Filtervalidierung und der Integritätsprüfung nach der Abfüllung geben ausreichende Sicherheit. Der Verzicht auf die obligate Integritätsprüfung nach Sterilisation, vor dem Einsatz reduziert die Komplexität beim aseptischen set-up und bei der Konstruktion von Anlagen.

Einen weiteren Unterschied gibt es beim Quality Oversight. In Europa gibt es keine Forderung, dass die Qualitätssicherung (physisch) bei aseptischen Prozessen on-site sein muss. Der Aseptic Guide hingegen fordert eine QC Oversight, speziell der Media Fill wird hier genannt. Dr. Haefele rief zur Harmonisierung der Anforderungen auf, allerdings um die Europäische Philosophie zu bestärken: Qualitätssicherung ist ein System, keine Organisation. Eine weitere Änderung schlug Herr Haefele beim Media Fill in Isolatoren vor. Eingriff e erfolgen hier von außen über Handschuhe und sind somit "personenneutral". Die Anforderung, dass Eingriff e beim Media Fill personenspezifisch abgebildet sein müssen, sollte daher für Mediafills in Isolatoren entfallen.

Beim Thema Desinfektion wünschte sich Herr Haefele die Aufnahme von Wasserstoff peroxid zur Dekontamination von Oberflächen in Isolatoren und Materialschleusen, sowie den Verzicht auf die obligatorische Rotation beim Einsatz von Desinfektionsmitteln.

Ein weiteres Thema im Annex 1 ist die Überprüfung der Integrität von Behältnissen mit sterilen Arzneimitteln. Nur für Behältnisse, die über eine Abschmelzung verschlossen wurden (Glasampullen sowie BFS Behältnisse), fordert der Annex im Augenblick eine 100% Kontrolle. Dr. Haefele wünscht sich hier mehr Offenheit, hin zu geeigneten Kontrollen für alle Packmittelarten bzw. Darreichungsarten.

Zum Abschluss bekräftigte er den Einsatz moderner Barrieretechnik für die aseptische Herstellung als Stand der Technik und wiederholte den Wunsch einer Harmonisierung der Anforderungen für steril und aseptisch hergestellte Arzneimittel. MRAs, also Mutual Recognition Agreements, könnten die Anzahl der Behördeninspektionen in den Firmen reduzieren.

Annex 1 Revision aus regulatorischer Sicht

Aus regulatorischer Sicht wurde die Revision des Annex 1 von Herrn Dr. Arno Terhechte von der Bezirksregierung Münster und von Frau Dr. Beate Reutter vom Landesamt für soziale Dienste des Landes Schleswig Holstein dargestellt.

Ursprünglich initiierte die deutsche Expertenfachgruppe 3 (Sterile und aseptisch hergestellte Arzneimittel) die Revision des Annex 1 in einer Eingabe an die EMA IWG (Inspectors Working Group) im Jahr 2012. Im Rahmen der Neufassung fragte man auch die PIC/S um Unterstützung an. Eine gemeinsame EMA-PIC/S-Arbeitsgruppe legte im September 2014 einen ersten Entwurf für ein Konzeptpapier vor. Dieses Konzeptpapier wurde im Februar 2015 mit einer sehr kurzen Kommentierungsfrist veröffentlicht. Aktuell zeigt sich, dass der ursprüngliche Zeitplan für die Revision des Dokuments nicht mehr gehalten werden kann. Trotzdem ist seit Februar 2016 ein Vorschlag für die Neustrukturierung des Dokuments veröffentlicht. Inhaltlich sind dabei viele Punkte des aktuellen Annex 1 beibehalten worden, wobei die Strukturierung des Dokuments komplett erneuert wurde. Vorgeschlagen für die neue Struktur des Annex 1 ist:

  • 1. Scope
  • 2. Principles
  • 3. General
  • 4. PQS (Pharmaceutical Quality System)
  • 5. Personnel
  • 6. Premises
  • 7. Equipment
  • 8. Utilities
  • 9. Production and Specific Technologies
  • 10. Non Viable and Viable Environmental Monitoring
  • 11. Quality Control
  • 12. Glossary

Im Wesentlichen neu sind die Kapitel 1, 2, 4 und 8. Als deutsches Mitglied der Arbeitsgruppe erläuterte Frau Dr. Reutter hierzu die wesentlichen Gedanken bezüglich der neuen Kapitel und den Zielen der Neuformulierung.

Kapitel 1 beschreibt die Anwendbarkeit des Annex 1 auf alle sterilen Arzneimittel. Zusätzlich sollen Elemente des Risikomanagements stärker mit aufgenommen werden. Teilaspekte des Annex 1 sollen auch auf mikrobiologische Fragestellung nichtsteriler Arzneimittel Anwendung finden.

Kapitel 2 betont die stärkere Anpassung des Annex 1 an die bestehenden Anforderungen des EU GMP Leitfadens. Insbesondere findet sich hier der Querverweis auf die Kapitel 3 (Räumlichkeiten und Ausrüstung) und 5 (Produktion) des Leitfadens. Ebenso findet sich der Hinweis auf die regelmäßige Hinterfragung der Herstellungsprozesse vor den Hintergrund der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen.

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Das Kapitel 4 zum Pharmazeutischen Qualitätssystem fokussiert erneut auf das verstärkte Einbeziehen des Risikomanagements und auch der Root Cause Analysis sowie des Product Impact Assessments.

Das Kapitel 8 "Utilities" soll z.B. Medien wie Druckluft und Dampf beschreiben und weithin auf das Thema "WFI durch Reverse Osmose" und auf die Thematik Biofilm eingehen. Alternativ wird außerdem überlegt, diese Themen in einen separaten Bereich in den GMP-Regelwerken auszulagern. Eine Entscheidung dazu ist aber noch nicht getroffen.

Dr. Reutter ist als deutsche Vertreterin in der Arbeitsgruppe zur Revision des Annex 1 für den Bereich Barriere- Systeme zuständig. In einem 2. Beitrag stellte Sie die zu erwartenden Änderungen bei diesem Thema vor.

Einer der Hauptgründe für die Revision hier liegt in der bisher ausschließlichen Fokussierung auf Isolatoren. Mittlerweile werden in der Industrie immer mehr RABS (Restricted Access Barrier Systems) eingesetzt. Entsprechende Anforderungen an diese Systeme sollen in die Neufassung von Annex 1 aufgenommen werden. Dabei sollen folgende Themen adressiert werden - Definition von offenen und geschlossenen RABS; Unterschiede zwischen RABS und Isolator; Definition angemessener Umgebungsbedingungen; Umgang mit Eingriff en; Umgang mit Handschuhsystemen und Vorgaben an Transfereinheiten. Weitere neu zu adressierende Punkte sind die verschiedenen Isolatortechnologien - Überdruck und Unterdruck - sowie angemessene Umgebungsbedingungen für Isolatoren. Dabei wird für RABS generell ein Klasse B Hintergrund erwartet, während bei Isolatoren eine risikobasierte Definition der Umgebung erwartet wird. Abhängig vom Design des Isolators - off en oder geschlossen / Über- oder Unterdruckbetrieb, vom Design des Prozesses und vom Design der Dekontamination kann die Umgebungsklasse B, C oder D geeignet sein.

Die Minimierung des Kontaminationsrisikos durch die deutliche Reduzierung der Eingriff e in den A-Bereich wird generell dazu führen, dass der Einsatz von Barriere- Systemen regulatorisch mehr und mehr erwartet und mittelfristig auch gefordert wird. Dazu das Schlussstatement von Frau Dr. Reutter - "Inspectors prefer well designed aseptic processes with best protection against microbial or particulate contamination caused by interventions."

 

Autoren:
Dr. Robert Eicher
... ist seit 2006 bei CONCEPT HEIDELBERG und hier Fachbereichsleiter für den Themenbereich Pharmatechnik.

Dr. Andreas Mangel
... kam 1995 als Fachbereichsleiter zu CONCEPT HEIDELBERG, wo er für die Themenereiche (Steril)produktion und Computervalidierung verantwortlich ist.

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