Pharma-Kongress 2020: Gedanken- und Erfahrungsaustausch online

    

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Der Pharma-Kongress hat eine lange Tradition: dieses Jahr sollte dieses größte Treffen seiner Art in der Pharma-Industrie bereits zum 22. Mal stattfinden - und mit seinen parallelen Konferenz- Tracks, dem alljährlichen Social Event und der Fachmesse PharmaTechnica mit knapp 90 Ausstellern wieder nationale und internationale Teilnehmer, Referenten, Aussteller und Fachbesucher zum fachlichen Austausch zusammenbringen. Doch die Corona-Pandemie mit weltweit schnell steigenden Infektionszahlen machte deutlich, dass ein Kongress dieses Ausmaßes nicht vor-Ort durchführbar sein würde.

Um Teilnehmern dennoch einen Austausch zu ermöglichen und Ausstellern eine Plattform zur Präsentation ihrer neuesten Produkte und Dienstleistungen zu geben, wurden Kongress mit Konferenzen und die PharmaTechnica in den September verschoben und ins Internet verlegt - mit großem Erfolg. Insgesamt loggten sich vom 15.-17. September 850 Teilnehmer zu den Live Online Konferenzen und zum Besuch der virtuellen Ausstellung PharmaTechnica ein. Auch das eigens geschaffene PharmaTechnica Forum am dritten Tag, in dem Aussteller Kongress- Teilnehmern und Fachbesuchern die neuesten Entwicklungen in Pharma-Technologie und -Produktion in über 20 Präsentationen erläuterten, wurde vielfach wahrgenommen.

Auch in der ersten Online-Ausgabe des Kongresses konzentrierten sich die Konferenzen wieder auf Berichte von Betreibern, die ihre Erfahrungen aus aktuellen Neu- und Umbau-Projekten sowie mit dem Einsatz neuer Technologien teilten und diskutierten.

Merck-Neubau für Verpackung

Herr Oliver Kärst, Head of Pharma Engineering bei Merck, berichtete im Rahmen der 22. Pharmatechnik-Konferenz vom Neubau des Pharma Packaging Centers für feste Arzneiformen in Darmstadt. Notwendig war die neue Verpackung aus verschiedenen Gründen. Zum einen ist der Platzbedarf enorm gestiegen. In Darmstadt produzierte Tabletten mussten zeitweise zum Verpacken nach Mexiko und anschließend zurück nach Deutschland geschickt werden. Auch aus GMP-Gründen war die Verpackung nicht mehr zeitgemäß: Primär- und Sekundärverpackung waren beispielsweise nicht getrennt. Ein Umbau des Bestandsgebäudes aus 1930 wäre genauso teuer geworden wie ein Neubau - mit dem zusätzlichen Vorteil, die Verpackung näher an die Produktion zu rücken und damit interne Transportwege einzusparen.

Einen Neubau zu planen ist immer eine längerfristige Angelegenheit, erläutere Herr Kärst. Der Neubau für die Verpackung war schon in den 90er Jahren ein Thema. Letztendlich genehmigt wurde das Projekt 2015, Baubeginn war 2016.

Mit der Übernahme der Projektverantwortung versuchte Herr Kärst das Projektteam zunächst zu verschlanken. Tatsächlich fehlten aber noch Bereich und damit Projektmitglieder, so dass das Team letztendlich aus 58 Mitgliedern bestand. Natürlich mussten nicht immer alle ein einem Projekt-Meeting teilnehmen, ergänze Herr Kärst, dennoch war es nicht immer einfach, Besprechungsräume mit genügen Stühlen zu finden.

Eine Herausforderung im Projekt war die Baufeldfreimachung. Wer in Darmstadt ein neues Gebäude errichtet, muss vorher drei alte Gebäude abreißen, zitierte Herr Kärst eine alte Darmstädter "Regel". Auch die Bodenvorbereitung hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als ursprünglich geplant war. Grund hierfür war die Lage von Darmstadt im Erdbebengebiet und die da mit verbundenen baulichen Maßnahmen wie die Errichtung von CMC-Säulen. Auch ein Planungsfehler bei der Medienversorgung für ein Zwischengeschoß führte zu einer Verzögerung. Insgesamt ist ein Hochregallager aber schnell aufgebaut, berichtete Oliver Kärst, aber innen gibt es viel zu tun. Viel Zeit wurde z. B. für die Einregelung der Druckstufen verwendet.

Mitte 2018 wurden die ersten Verpackungslinien installiert. Die Übergabe an die Produktion erfolgte im März 2019. Insgesamt sind acht Blisterlinien im Einsatz, Primär- und Sekundärverpackung sind konsequent getrennt, wie auch die Bereiche für Hormon- und Nicht-Hormon-Bereiche. Im angebundenen automatisierten Hochreallager stehen 3600 Palettenplätze zur Verfügung. Auch zukunftsträchtige Technologien wurden verwirklicht, wie die Papierlose Produktion, Einsatz von Augmented Reality (AR) bei der Durchführung von Rüstvorgängen und Fehlervermeidung durch Robotic Process Automation (RPA) für Batch-Release Prozessschritte.

Die Projektenkosten beliefen sich auch insgesamt 63 Mio Euro, schloss Herr Kärst.

Technische Sicht auf den EU GMP Annex 1

In seinem Vortrag ging Klaus Feuerhelm, GMP-Inspektor bei der Leitstelle Arzneimittelüberwachung Baden-Württemberg, auf Änderungen im EU GMP Annex 1 Draft aus technischer Sicht ein. Insbesondere behandelte er Medien (Druckluft), die Dichtigkeitsprüfung und die visuelle Kontrolle von Parenteralia. Zunächst verwies er wesentliche Guidelines im Zusammenhang mit Druckluft und Sterilfiltration. Neben den Rechtsgrundlagen nannte er hier den ISPE Good Practice Guide Process Gases, die ISPE Baseline Steril Product Manufacturing Facilities, die ISO Norm 8573-1 Druckluft sowie VDMA Dokument 15390-2 Druckluftreinheit - Teil 2.

Als weiteres wesentliches Dokument nannte er Kapitel 6.19 im EU-GMP Annex 1 Draft, wo sich u.a. folgende Punkte finden:

Druckgase, die in aseptischen Prozessen genutzt werden, sollten steril filtriert werden. Die Porengröße des Sterilfilters entspricht der Arzneibuchvorgabe (0,22 μm). Die Sterilfiltration sollte am Point of Use erfolgen. Ein zentraler Hinweis mit großer Bedeutung ist die Überprüfung der Integrität im Rahmen der Chargenfreigabe. Hinweise zur Überprüfung der Filterintegrität findet man auch in anderen Guidelines wie beispielsweise im ISPE Practice Guide Process Gases. Hier werden folgende Punkte genannt: vor Benutzung, nach Benutzung, in einem vorbestimmten Intervall sowie nach Ereignissen, die als Belastungsbedingungen für den Filter gelten (z.B. Sterilisation). Eine Integritätsprüfung vor jeder Chargenfreigabe lässt sich hier zwar nicht direkt erkennen, allerdings deutet der Hinweis vor und nach Benutzung auch darauf hin.

Im Annex 1 Draft findet man auch zentrale Hinweise zur Dichtigkeitskontrolle von Behältnissen. Ausdrücklich wurde von Herrn Feuerhelm darauf hingewiesen, dass es zwei Varianten gibt, Dichtigkeit zu gewährleisten: die 100 % - Kontrolle bei Behältnissen, die durch Schmelzen verschlossen worden sind und bei den anderen Behältnissen ein ausreichendes CCI-Konzept [Container-/Closure-Integrity]. Das CCI-Konzept besteht immer aus mehreren Maßnahmen auf GMP-Ebene, welche die Aufrechterhaltung der Integrität des Verpackungsverschlusssystems sicherstellen.

Bei den Vorgaben zur visuellen Kontrolle im Annex 1 Draft, im Vergleich zur momentan gültigen Version des EU-GMP Annex 1, wurden etliche Änderungen vorgenommen. Neu ist vor allem die Forderung nach der Klassifizierung der Defekte und die Bewertung des Risikos der Defekte für den Menschen. Die Bewertung des Patientenrisikos ist schwierig. Es gebe momentan kaum konkrete wissenschaftliche Aussagen zum Patientenrisiko, ergänzte Klaus Feuerhelm.

Eine Sammlung von im Prozess anfallenden Defekten sollen in einer Defektbibliothek dargestellt werden. Diese Defektbibliothek soll dann auch zur Personalschulung genutzt werden. Die Mitarbeiter, die die Inspektion durchführen, sollten sich mindestens einmal jährlich einer Qualifikation für die Sichtprüfung unterziehen. Die Qualifizierung der Mitarbeiter ist beschrieben. Die Qualifizierung sollte unter Verwendung geeigneter Proben aus den Fehlerbibliothekssätzen des Herstellers und unter Berücksichtigung von Worst-Case-Szenarien (z. B. Inspektionszeit, Liniengeschwindigkeit, wenn das Produkt durch ein Fördersystem an den Bediener übergeben wird, Behältergröße oder Ermüdung am Ende der Schicht) durchgeführt werden und die Prüfung des Sehvermögens einschließen.

Zum Ende seines Beitrags gab Herr Feuerhelm noch einige Hinweise zur AQL in der manuellen Kontrolle. Aus regulatorischer Sicht ist eine AQL-Prüfung in Europa bis jetzt nicht zwingend erforderlich, entspricht aber dem Stand der Technik. Von den meisten Betrieben, die visuelle Kontrollen durchführen, wird das auch inzwischen meist praktiziert. Im USP Informational Chapter <1790> finden sich detaillierte Hinweise zum AQL. Die Anzahl der kritischen Defekte sollte im Rahmen der AQLPrüfung null sein. Das wird so auch in der USP <1790> gefordert. Wird ein AQL-Grenzwert überschritten, sollte die gesamte Charge zu 100% erneut überprüft werden, erklärte Klaus Feuerhelm. Für die Freigabeentscheidung müssen damit zwei Kriterien bewertet werden: die Trendanalyse der 100 % Chargeninspektion und das Ergebnis der manuellen AQL-Prüfung.

WFI und WFI-Kalterzeugung

In einem zweiten Vortrag sprach Klaus Feuerhelm über aktuelle GMP-Anforderungen an Pharmawasser einschließlich WFI und WFI-Kalterzeugung ein. Dabei ging er insbesondere auf Änderungen durch den EU GMP Annex 1 Draft, Filter in Wassersystemen und den WHO Guide zur Produktion von WFI mittels nicht destillativer-Methoden ein, der sich ebenfalls noch im Entwurfsstatus befindet.

Hinsichtlich der Neuerungen im Annex 1 Draft nannte Herr Feuerhelm die Hinweise auf Dead Legs und Hinweise auf Leitungen mit Gefälle. Die Formulierung "Where filters are included in the system…" ist laut Herrn Feuerhelm unglücklich. Hier könnte man annehmen, dass auch im Lager und Verteilsystem Filter installiert sein könnten, was aus GMP-Sicht inakzeptabel ist. Lediglich in der Aufbereitung selbst und unter Umständen am Point of Use könnten Filter installiert sein. Filter am Point of Use sind aber aus seiner Sicht umstritten und es sollte eine ausreichende Begründung vorhanden sein, wenn man dies umsetzten will.

Ebenfalls in den Draft mit aufgenommen wurde die Forderung nach einer turbulenten Strömung. Diese Forderung findet man praktisch in allen gängigen Guidelines zu Pharmawasser, ergänzte Klaus Feuerhelm. Bereiche ohne turbulente Strömung gelten als anfällig gegenüber Biofimbildung. Zusammenfassend betonte er, dass endlich wesentliche Aspekte für WFISysteme angesprochen werden wie Dead legs, Biofilmbildung, Bedeutung der Sanitisierung, Filter in Wassersystemen oder turbulente Strömung. Er merkte aber auch kritisch an, dass man nach wie vor bestimmte Punkte ignoriert, wie beispielsweise Rouging. Die neu aufgelegte ISPE Baseline Water and Steam Systems widmete dem Thema Rouging im Vergleich über 15 Seiten. Das Thema ist seiner nach Meinung noch lange nicht ausdiskutiert.

Gemäß zweitem Teil seines Vortrags ist die Kaltherstellung von WFI nach EU-GMP Annex 1 Draft zwar inzwischen zulässig; durchgesetzt hat sich die Methode in Baden-Württemberg allerdings noch nicht. Es soll lediglich ein Arzneimittelhersteller davon Gebrauch machen. Klaus Feuerhelm ging auf die Frage ein, ob eine Umkehrosmose zwingend erforderlich ist und wenn diese eingesetzt wird, ob eine doppelte Umkehrosmose angebracht ist. Auf den ersten Blick erscheint die nicht zwingend erforderlich zu sein, und ein anderes Systemdesign wäre denkbar. Hierfür spricht insbesondere die Arzneibuch-Monographie Monographie mit der Aussage: "produced by a purification process that is equivalent to distillation".

Dieser Satz steht aber nicht isoliert im Arzneibuch, ergänzte Klaus Feuerhelm. Denn im Folgenden werden Möglichkeiten aufgezählt, und dies lässt vermuten, dass die Umkehrosmose auch erforderlich ist. Noch eindeutiger ist das im Annex 1 Draft formuliert:

"Where the WFI is produced by methods other than distillation, further techniques such as nanofiltration and ultra-filtration as well as electrodeionization (EDI) should be considered in conjunction with reverse osmosis (RO) membranes."

Demnach wäre nach Auffassung von Herrn Feuerhelm eine Umkehrosmose auf jeden Fall notwendig.

Dagegen scheint aber eine einstufige Umkehrosmose ausreichend zu sein. Die Formulierung "by reverse osmosis, which may be single-pass or double-pass" ist eindeutig. Es scheint aber durchaus Situationen zu geben, bei denen eine doppelte Umkehrosmose Sinn machen kann. Herr Feuerhelm zitiert hierzu das ISPE-Handbuch Herstellung von Wasser für Injektionszwecke ohne Destillationsverfahren. Hier heißt es: "In Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Rohwassers ist zu prüfen, ob ein Umkehrosmose-Prozess ein- oder zweistufig ausgeführt werden muss. Eine zweistufige Umkehrosomose erhöht die Prozesssicherheit."

Im Abschluss widmete sich Herr Feuerhelm noch kurz dem Entwurf des WHO Dokuments "PRODUCTION OF WATER FOR INJECTION BY MEANS OTHER THAN DISTILLATION". Seiner Meinung nach sind hier keine wesentlichen Hinweise oder Neuerungen zu finden.

 

Autor:
Dr. Robert Eicher
... … ist seit 2006 bei CONCEPT HEIDELBERG tätig und hier Fachbereichsleiter für den Themenbereich Pharmatechnik.

 

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