Out-of-Specification Results im Fokus von FDA-Inspektionen - eine Analyse der Warning Letters der letzten 5 Jahre

    

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Der Umgang mit nicht spezifikationskonformen Analysenergebnissen ist ein wesentliches Merkmal dafür, wie gut GMP-Anforderungen im Qualitätskontrollbereich umgesetzt werden. Seit dem Barr-Urteil von 1993 gilt ein "Prüfen in die Spezifikation" (testing into compliance) zu Recht als KO-Kriterium für eine Qualitätsorganisation, deren Aufgabe es ist, für die gleichbleibende Qualität der pharmazeutischen Produkte unter ihrer Verantwortung zu sorgen. Die in der Folge konzipierte, dann 2006 endgültig finalisierte und im Mai 2022 als überarbeitetes Dokument erschienene Guidance for Industry "Investigating Out-of-Specification (OOS) Test Results for Pharmaceutical Production" (Revision 1) enthält die Vorgaben für die Handhabung von OOS-Ergebnissen und entspricht dem "current thinking" der FDA. Sie bildet gleichzeitig den Maßstab, den FDA-Inspektoren bei der Überprüfung des Bereichs der Qualitätskontrolle zugrunde legen.

Die auf der Webseite der Behörde frei zugänglichen Warning Letters enthalten detaillierte Beschreibungen der Mängel, die die Inspektoren bei ihrer Visite der verschiedenen Bereiche vorgefunden hatten und bieten damit eine Fundgrube für Fallbeispiele von nicht cGMP-konformen Gegebenheiten oder auch Verhaltensweisen des Personals während der Inspektion.

Die in diesem Artikel vorgestellten Daten zum Umgang mit OOS-Resultaten stützen sich auf diese in den Warning Letters teilweise ausführlich formulierten Beschreibungen der Mängel. Da das Thema OOS bereits über etliche Jahre immer wieder in den Warning Letters auftaucht, mit leicht steigender Tendenz, wurden für die nachfolgende Analyse die Daten aus den Warning Letters der letzten 5 Fiskaljahre (Okt. 2017 - Sept. 2022) zugrunde gelegt. Dazu wurden für diesen Zeitraum insgesamt 292 Warning Letters an Arzneimittelhersteller ("Drugs") und 51 Warning Letters an Wirkstoffhersteller ("APIs") systematisch nach "OOS-Stories" durchsucht und daraus als Quintessenz die generellen Fehler der Qualitätseinheiten im Umgang mit OOS-Ergebnissen abgeleitet.

Häufigkeit OOS-bezogener Mängelrügen

Wie bereits erwähnt, ergibt sich bis zum FY 2021 eine leicht steigende Tendenz, wenn man für jedes der 5 Fiskaljahre die Anzahl der Warning Letters mit einer expliziten Beschreibung der OOS-bezogenen Mängel mit der Gesamtzahl der in diesem Fiskaljahr veröffentlichten Warning Letters an Arzneimittelhersteller ins Verhältnis setzt. Diese Tendenz ist auch bei den Warning Letters an Wirkstoffhersteller, hier für die beiden letzten Fiskaljahre FY 21 und FY 22, erkennbar (Tab. 1 auf S. 17).

Zuordnung der OOS-bezogenen Mängelrügen zu 21 CFR 211

74% der an Arzneimittelhersteller gerichteten Mängelrügen zum Umgang mit OOS-Resultaten beziehen sich auf nicht erfüllte Anforderungen des Paragrafen 211.192 (Subpart J - Records and Reports und stehen unter folgender Überschrift:

Your firm failed to thoroughly investigate any unexplained discrepancy or failure of a batch or any of its components to meet any of its specifications, whether or not the batch has already been distributed (21 CFR 211.192).

Am zweithäufigste werden Versäumnisse der Qualitätssicherungseinheit in Verbindung mit OOS-Ergebnissen genannt; 21% der Mängelrügen beziehen sich auf die Vorgaben des Paragrafen 211.22:

Your firm's quality control unit failed to exercise its responsibility to ensure drug products manufactured are in compliance with CGMP, and meet established specifications for identity, strength, quality, and purity (21 CFR 211.22).

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In den restlichen 5% der Mängelrügen wird ein Zusammenhang mit den Anforderungen in folgenden 21 CFR 211-Paragrafen hergestellt:

• 211.67 (Equipment cleaning and meintenance)
• 211.100 (Written procedures; deviations)
• 211.110 (Sampling and testing of in-process materials and
drug products)
• 211.160 (Laboratory controls – General requirements)
• 211.165 (Testing and release for distribution)
• 211.166 (Stability testing)
• 211.194 (Laboratory records)

Analog dazu werden in den Warning Letters die an Wirkstoffhersteller adressierten Mängelrügen zum Umgang mit OOS-Resultaten zunächst mit folgender allgemeiner Formulierung beschrieben bevor der genaue Sachverhalt im Detail erörtert wird:

Failure to adequately investigate and document out-of-specification results and implement appropriate corrective actions.

FY 2018

FY 2019

FY 2020

FY 2021

FY 2022

Drugs

18 von 69 (26%)

27 von 84 (32%)

23 von 70 (33%)

11 von 27 (41%)

12 von 42 (29%)

APIs

8 von 20 (40%)

4 von 10 (40%)

2 von 8 (25%)

0 von 4

4 von 9 (44%)

Tabelle 1: Anzahl Warning Letters an die Hersteller von Fertigarzneimitteln und Wirkstoffen mit Mängelrügen zum Umgang mit OOS-Resultaten (Fiskaljahre 2018-2022)

Diese Formulierung nimmt Bezug auf die Vorgaben zur Handhabung von OOS-Resultaten wie sie in der ICH Q7 Guideline im Kapitel 11 (Laboratory Controls) - 11.1 General Controls, Abschnitt 11.15 festgelegt sind:

Any out-of-specification result obtained should be investigated and documented according to a procedure. This procedure should require analysis of the data, assessment of whether a significant problem exists, allocation of the tasks for corrective actions, and conclusions. Any resampling and/or retesting after OOS results should be performed according to a documented procedure.

Die nachfolgende Analyse beschränkt sich auf die Befunde der FDA-Inspektoren in den Qualitätskontrolllaboren der Hersteller von Fertigarzneimitteln und Wirkstoffen und fasst die GMP-Mängel aus zahlreichen Warning Letters in 6 Hauptkategorien zusammen.

1. Es wird keine Nachforschung zur Ermittlung der Ursachen für die OOS-Resultate initiiert.

  • Ursache und Identität unbekannter Peaks im HPLC-Chromatogramm werden nicht aufgeklärt.
  • Anstatt das OOS-Ergebnis bei der Gehaltsbestimmung mit dem initialen Prüfmuster aufzuklären, werden neue Prüfmuster angefertigt, die dann spezifikationskonforme Ergebnisse liefern.
  • Die analytische Methode, die OOS-Ergebnisse lieferte, wird gegen eine neue, nicht validierte Methode ausgetauscht, mit der dann spezifikationskonforme Resultate erhalten werden, die als Grundlage der Chargenfreigabe dienen.
  • Nach nicht bestandener Prüfung mit einer Arzneibuchmethode wird mit einer alternativen Methode getestet, die dann spezifikationskonforme Ergebnisse liefert, auf deren Grundlage die Charge freigegeben wird. Eine Ursachenforschung wird nicht initiiert.
  • Es wird zunächst mit einer nicht validierten Methode geprüft, danach mit einer Arzneibuchmethode, wobei jedes Mal OOS-Resultate erhalten werden. Eine erneute Prüfung mit zwei weiteren Methoden liefert konforme Ergebnisse, die dann als Basis für die Freigabe dienen ("Testing into Compliance"). Die vorausgegangenen OOS-Ergebnisse werden ohne Begründung invalidiert; eine wissenschaftlich stichhaltige Ursachenforschung findet nicht statt.
  • Die Ursachen für OOS-Ergebnisse, die mikrobielle Verunreinigungen im Wassersystem anzeigen (Bioburden), werden nicht aufgeklärt.

2. Die Ursachenforschung ist wissenschaftlich nicht stichhaltig

  • Die vermeintliche Ursache z.B. "Falsches Pipettieren oder Verdünnungsfehler" kann nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, da die Original-Utensilien nicht mehr vorhanden sind.
  • Anstatt bei mehreren OOS-Ergebnissen die Einzelfälle zu untersuchen, wird eine einzige pauschale Untersuchung durchgeführt, aus der dann keinerlei CAPA-Maßnahmen resultieren.
  • Beim Transfer einer Methode in ein anderes Labor werden OOS-Resultate erhalten. Die anschließende Untersuchung ist unvollständig, da nicht alle kritischen Teile des analytischen Equipments mit einbezogen werden.

3. Die Ursachenforschung für OOS-Resultate wird verspätet veranlasst und umfasst nicht alle potentiell betroffenen Chargen.

  • Nach Feststellen eines Rechenfehlers bei der Gehaltsbestimmung wird erst 3 Monate später eine OOS-Ursachenforschung veranlasst.
  • Nach Erhalt einer Beanstandung wegen Schimmelpilz- Befall des Produkts wird die Ursachenforschung nicht auf weitere, potentiell betroffenen Chargen ausgedehnt.

4. Nach Abschluss einer OOS-Ursachenforschung werden keine oder unzureichende CAPA-Maßnahmen veranlasst.

  • Mikrobielle Kontamination im Wassersystem und im Prozessequipment führen nicht zur generellen Überprüfung der Systeme bzw. des Sanitisierungsprozesses; stattdessen wird ein ineffektives Re-Training des Personals durchgeführt, das nicht die kritischen Stellen des Equipments in den Blick nimmt.

5. Die SOP zum Umgang mit OOS-Resultaten ist unzureichend.

  • Das Vorgehen bei der Ursachenermittlung wird nicht bzw. nicht eindeutig beschrieben.
  • Die SOP enthält keine Angaben darüber ob und wie potentiell betroffenen Chargen in die Untersuchung mit einbezogen werden.

6. OOS-Resultate bei Stabilitätsprüfungen werden nicht bzw. nur unvollständig aufgeklärt.

  • Die in einer Langzeit-Stabilitätsprüfung aufgetretenen OOS-Resultate (ph-Wert) werden dem vermeintlich nicht geeigneten Behältnis-Verschlusssystem zugeschrieben, das danach ausgetauscht wird. In der nachfolgenden Langzeit-Studie treten wieder die gleichen Abweichungen auf, worauf die Spezifikation ohne wissenschaftliche Begründung so geändert wird, dass die betreffenden Chargen wieder konform sind. Weitere beschleunigten Stabilitätsprüfungen bzw. Langzeitstudien liefern wiederum OOS-Ergebnisse. Obwohl somit keine Datenbasis für die Produktstabilität vorhanden ist, wird kein Chargenrückruf initiiert.
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Die hier beschriebenen Fallanalysen stammen in der Mehrzahl aus den Warning Letters des Fiskaljahres 2022 (Okt. 2021 - Sept. 2022) und können, obwohl sie eine Momentaufnahme aus den aktuellen Warning Letters darstellen, als repräsentativ für die meisten Fälle im untersuchten Zeitraum der Fiskaljahre 2018 bis 2022 (Okt. 2017 - Sept. 2022) angesehen werden.

Insgesamt liefert ein derartiger themenbezogener Einblick in die so ausführlich erläuterten Mängelrügen der FDA wertvolle Hinweise darauf, wo FDA-Inspektoren bei ihrer Visite in einem Qualitätskontrolllabor in Bezug auf dessen Umgang mit OOS-Resultaten genau hinschauen und was sie von den betreffenden Verantwortlichen - der Leitung der Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung - diesbezüglich erwarten.

 

Über den Autor:
Dr. Gerhard Becker
... ist seit 2002 bei CONCEPT HEIDELBERG und seither Fachbereichsleiter für die Themen Wirkstoffe und Dokumentation.

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