Mikrobiologische Eignungsprüfung an nicht-sterilen Zubereitungen

    

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In unzähligen Regelwerken und Pharmakopöen steht, mit meist ähnlichen Worten formuliert, dass Methoden, die zur Prüfung von Produkten oder Substanzen herangezogen werden, spezifisch auf ihre Eignung hin überprüft werden müssen. Man spricht dann von der Durchführung einer produktspezifischen Eignungsprüfung. Dieses Vorgehen findet unter anderem bei der Prüfung auf Sterilität oder der Prüfung auf mikrobiologische Reinheit an nicht sterilen Zubereitungen Anwendung. Im Folgenden soll hier näher auf die Thematik bei der Prüfung nicht steriler Zubereitungen gemäß den harmonisierten Kapiteln 2.6.12 der Europäischen Pharmakopöe, bzw. Kapitel <61> der United States Pharmacopeia (USP) eingegangen werden.

Eignungsprüfungen können im eigenen Labor oder bei spezialisierten Auftragslaboren durchgeführt werden. Die Labor LS SE führt jährlich mehrere Hundert solcher Eignungsprüfungen im Kundenauftrag durch. Das Spektrum dieser Eignungsprüfungen umfasst dabei alle Arten von Fertigarzneimitteln, Medizinprodukten, Roh-, Hilfs-, und Wirkstoffen, Inprozesskontrollen, Packmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln oder Bedarfsgegenständen. Standen vor einigen Jahren noch hauptsächlich Fertigarzneimittel im Fokus der Tätigkeiten, nimmt die Nachfrage nach Prüfungen an Roh-, Hilfs- und Wirkstoffen immer weiter zu. Roh-, Hilfs- und Wirkstoffe in ihrer konzentrierten Form auf Eignung der Methode zu prüfen und nicht als einen von mehreren Bestandteilen in einem Fertigarzneimittel, stellt oftmals eine besondere Herausforderung dar. Besondere Eigenschaften eines einzelnen Stoffes fallen im Gemisch eines Fertigarzneimittels oftmals weniger auf und stellen somit seltener ein Problem bei der Prüfung dar, als wenn diese Stoffe isoliert in größerer Menge geprüft werden sollen. Zu den besonderen Eigenschaften, die zu einer Herausforderung während der Prüfung werden können, zählen unter anderem:

1. extreme pH-Werte von konzentrierten Säuren und Laugen
2. besonders stark ausgeprägte antimikrobielle Eigenschaften wie Antibiotika als API vorliegend
3. Unlöslichkeit der Matrix in wässrigen Medien
4. Matrizes, die aufgrund ihrer Beschaffenheit für eine mikrobiologisch veträgliche Bearbeitung nicht zugänglich sind wie z. B. unlösliche kristalline Strukturen, Matrizes mit einem Schmelzpunkt > 40 °C
5. schlechte Homogenisierbarkeit von klebrig fettigen Matrizes in wässrigen Medien
6. unerwünschte Reaktionen mit dem Lösungsmedium wie z. B. starke Hitzeentwicklung oder Aufquellen der Matrix im Lösungsprozess

Für die Bearbeitung besonderer Matrizes ist oftmals eine sehr individuelle Bearbeitung und Probenaufbereitung notwendig. Dabei können unter anderem auch verschiedene Hilfsmittel und Methoden zur Anwendung kommen. Dies können sein:

1. Einsatz spezieller Lösungsmittel oder
2. Anwendung thermischer Verfahren
3. Anwendung mechanischer Verfahren
4. Einsatz weiterer Hilfsmittel wie Vorfilter usw.

Die Vor- und Nachteile dieser potentiellen Aufbereitungsmöglichkeiten müssen aber vor ihrer Anwendung sorgfältig abgewogen werden. Nicht alle Verfahren, die zu einer homogenen Probenaufbereitung führen, sind aus mikrobiologischer Sicht uneingeschränkt zu empfehlen. Andererseits ermöglichen sie überhaupt erst die eigentliche Prüfung an der Matrix. Eine klumpig harzige Probenmatrix kann durch eine Zerkleinerung in einem Hochleistungsmixer in ein weitgehend homogenes Probenmaterial zerkleinert werden. Dies erlaubt dadurch eine bessere Probenaufbereitung im Gegensatz zum Ausgangsmaterial, das lediglich eine Benetzung der äußeren Oberfläche zulassen würde. Gleichzeitig besteht aber durch die mechanische Zerkleinerung die Gefahr, dass vor allem vegetative Keime durch Hitzeentwicklung oder Scherkräfte geschädigt oder abgetötet werden könnten. Die Gefahr falsch negativer Ergebnisse steigt somit an. Wird eine Probenaufbereitung zur besseren Homogenisierung für 10 Minuten in einem Wasserbad mit maximal 40 °C erwärmt, wird dies keinen Einfluss auf die originäre Keimbelastung einer Matrix haben. Lässt man die Zubereitung aber eine Stunde im Wasserbad bei 40 °C stehen, könnte es bereits zu einer Vermehrung von Mikroorganismen wie z.B. Escherichia coli kommen. Hier tritt nun der umgekehrte Fall ein und die Gefahr für falsch positive Ergebnisse steigt.

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Immer öfter stoßen die klassischen Methoden an ihre Grenzen oder können nur unter Anwendung einer Risikobewertung eingesetzt werden. Ein konkretes Beispiel hierfür ist ein API, bei dem in der Prüfung auf mikrobielle Reinheit eine Spezifikation von TAMC (Total Aerobic Microbial Count) max. 100 KBE / g und TYMC (Total Combined Yeasts / Moulds Count) max. 10 KBE / g eingehalten werden sollte. Im Rahmen der Methodenentwicklung wurde mit verschiedenen Lösungsmitteln, unterschiedlichen Verdünnungen und Nährmedienzusätzen, Modifikationen des pH-Wertes und Einsatz des Plattenguss- sowie des Membranfiltrationsverfahren gearbeitet. Letztendlich zeigte sich, dass erst durch den Einsatz eines speziellen Vorfiltersystems akzeptable Wiederfindungen der vorgeschriebenen Testkeime möglich waren. Gleichzeitig zeigten die Ergebnisse aber auch, dass das Vorfiltersystem selbst einen negativen Einfluss auf einzelne Testkeime hatte und somit die Forderung des Arzneibuchs nach Nicht-Toxizität der eingesetzten Prüfmethode nicht für alle Testkeime erfüllt werden konnte. Ein anderes Beispiel ist die Prüfung an einem Rohstoff, der bei Zugabe des wässrigen Mediums zur Probenaufbereitung mit einer starken Hitzeentwicklung und gleichzeitigem starken Anstieg des pH-Wertes reagiert. Der Versuch den pH-Wert auf den vorgeschriebenen Bereich von pH 6-8 einzustellen, führt zu einer fortlaufenden Kettenreaktion.

In solchen Fällen in denen die Entwicklung einer validen Methode nur eingeschränkt oder letztendlich gar nicht möglich sein sollte, ist es zwingend erforderlich eine Risikoabschätzung für die Anfälligkeit einer mikrobiellen Kontamination der Matrix vorzunehmen. Ein wichtiger Baustein in einer solchen Risikoabschätzung kann die Bestimmung der Wasseraktivität sein. Die Wasseraktivität stellt ein Maß für das ungebundene und somit für Stoffwechselvorgänge frei verfügbare Wasser in der Matrix dar. Der Wert für die Wasseraktivität kann zwischen 0 und 0,99 liegen. Nur reines Wasser besitzt einen Wert von 1. Je höher der Wert liegt, umso mikrobiologisch instabiler ist eine Matrix zu bewerten. In der Lebensmittelproduktion wird dieser Wert als wichtige Kenngröße für die Qualität des Produkts schon seit langer Zeit eingesetzt. Seit Jahrhunderten angewendete Methoden der Lebensmittelkonservierung wie Salzen (Einsalzen von Fisch), Zuckern (Herstellung von Marmelade) oder Trocknen (Trockenobst oder Trockenfleisch) haben zum Ziel die Wasseraktivität zu verringern und somit den mikrobiellen Verderb von Lebensmitteln aufzuhalten.

Tabelle 1: Wasseraktivitätswerte ausgewählter Mikroorganismen
Auszug aus USP <1112>, Tabelle 1

Wasseraktivität (aw)

Mikroorganismen

0,97

Pseudomonas aeruginosa

0,95

Bacillus cereus, Clostridium botulinum (Typ A), Escherichia coli, Clostridium perfringens, Lactobacillus viridescens, Salmonella spp.

0,94

Enterobacter aerogenes

0,93

Rhyzopus nigricans, Micrococcus lysodekticus

0,92

Mucor plumbeus, Rhodotorula mucilaginosa

0,90

Saccharomyces cerevisiae

0,86

Staphylococcus aureus

0,84

Paecilomyces variotti

0,83

Penicillium chrysogenum

0,82

Aspergillus fumigatus

0,78

Aspergillus flavus

0,77

Aspergillus niger

0,75

Hallobacterium halobium

0,62

Zygosaccharomyces rouxii

0,61

Xeromyces bisporus

Diese Methoden lassen sich problemlos auch auf andere Industrien übertragen. So können z. B. kleine Veränderungen des Gehalts an Kochsalz, Saccharose oder Alkohol den Wasseraktivitätswert einer Formulierung wesentlich erniedrigen. Mit einem erniedrigten Wasseraktivitätswert gehen vielfältige mikrobiologische Effekte einher, wie z.B. eine verlängerte lag-Phase, langsamere Wachstumsraten oder auch eine verminderte Toxinproduktion. Neben den mikrobiologischen Effekten kann sich die Wasseraktivität aber auch auf andere Eigenschaften der Matrix auswirken, wie z. B. auf den Gehalt an Proteinen und Vitaminen, auf die Stabilität und Haltbarkeit oder Löslichkeit und Textur.

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Um die Effekte eines reduzierten Wasseraktivitätswerts bestmöglich auszunutzen, ist es unabdingbar die Wasseraktivitätswerte ausgewählter Mikroorganismen und die Werte ausgewählter Zubereitungen zu kennen.

Tabelle 2: Wasseraktivitätswerte ausgewählter Arzneimittel und OTC-Produkte
Auszug aus USP <1112>, Tabelle 2

Produkte

Wasseraktivität (aw)

Nasales Inhalativum 0.99
Antazidum 0.99
Topische Creme 0.97
Flüssige orale Zubereitung 0.90
Orale Suspension 0.87
Topische Salbe 0.55
Gepresste Tabletten 0.36
Flüssigkeitsgefüllte Kapsel 0.30

Diese Informationen finden sich allesamt in Kapitel <1112> der USP, aktuelle Ausgabe. Ebenfalls dort zu finden ist eine praktische Übersicht über das Anwendungspotential des Wasseraktivitätswerts in der pharmazeutischen Industrie. Weitergehende allgemeine Informationen, vor allem auch zur Verifizierung und Validierung der Methode, beinhaltet das neue Kapitel <922>. Dies wurde zum 01.05.2021 gültig.

 

Autorin:
Christine Weiß
... ist als Leiterin QC und Leiterin der Abteilung für die Prüfung nicht steriler Produkte bei Labor LS tätig.

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