Mehrwegwischbezüge - GMP-konform und prozesssicher im Einsatz
Wischbezüge werden für die manuelle Reinigung und Desinfektion von größeren Raumflächen (Fußboden, Wand, Wandelemente, Außenflächen von Anlagen, Decke usw.) eingesetzt. Durch die Reinigung und Desinfektion dieser Flächen werden Kontaminationen, die die Qualität der in diesem Raum hergestellten Produkte sowie der dort stattfindenden Prozesse negativ beeinflussen können, entfernt und der vorgegebene Reinheitszustand der GMP-Reinräume eingehalten. Die Maßnahmen "Reinigung" und "Desinfektion" sind somit qualitätsrelevante Prozesse und wichtiger Teil der Kontaminationskontrollstrategie. Die Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen können aber auch zu Kontaminationsrisiken führen, wenn sie nicht fachgerecht durchgeführt werden. Daher ist notwendig, dass die Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen nicht nur systematisch geplant, sondern auch praxisnah umgesetzt werden und auf ihre Wirksamkeit geprüft sind. Ebenfalls muss sichergestellt werden, dass die einzelnen Komponenten aufeinander abgestimmt und für den jeweiligen Prozess im jeweiligen Reinraum geeignet sind, dass das Personal geschult ist, aber auch alle notwendigen Dokumente zur Umsetzung und Nachweispflicht vorliegen. Werden Betriebsmittel und Verbrauchsmaterialien mehrfach eingesetzt und dazu wiederaufbereitet, ist die Eignung und Tauglichkeit dieser Mittel und Materialien über den gesamten Nutzungszeitraum sicherzustellen. Insbesondere die hohe Belastung in den Wasch- und Sterilisationsprozessen und durch den Gebrauch sind dabei zu bewerten.
Prozessbeschreibung: Reinigung und Desinfektion im Wischverfahren
Die Reinigung ist die gezielte Entfernung unerwünschter Verunreinigungen durch Überwindung der Haftkräfte zwischen Verunreinigung und der zu reinigenden Oberfläche sowie der vollständige Abtransport der freigesetzten Kontaminationen. Die Effektivität des Reinigungsverfahrens beruht auf einer Kombination von mechanischem Abtrag durch den Wischbezug und der chemischen Wirkung der Reinigungsmittel. Bei der Desinfektion werden biozide Wirkstoff e auf die kontaminierte Fläche aufgetragen, um vorhandene pathogene und produktschädigende Mikroorganismen zu inaktivieren und abzutöten. Hierzu müssen die Wirkstoff e über den getränkten Wischbezug in ausreichender Menge auf der gesamten zu desinfizierenden Fläche bereitgestellt werden. Voraussetzungen sind eine valide Aufnahme und gleichmäßige Abgabe der Wirkstofflösung sowie Benetzung der Oberfläche. Die Mechanik beim Wischen unterstützt die keimreduzierende Wirksamkeit.
Die Reinigung und Desinfektion von Raumflächen erfolgt im sogenannten "Nass-Wischverfahren". Das Nasswischen ist ein Verfahren, um haftende Verschmutzungen zu entfernen und/ oder um eine keimabtötende Wirkung zu erreichen. Verwirrend ist der Begriff "nass", der nicht "tropfnass" bedeutet, sondern die Benetzung der Oberfläche mit einem gleichmäßiger Flüssigkeitsfilm. In der Regel wird einstufig gearbeitet: Die Oberfläche wird dabei in einem Arbeitsschritt mit einem getränkten Wischbezug gewischt, die Restflüssigkeit trocknet ohne Nachwischen ab. Im selben Schritt werden aktive Substanzen aufgetragen und Verschmutzungen sowie Rückstände durch den Wischbezug mitgenommen. Kombiniert wird die einstufige Arbeitsweise mit der sogenannten Bezugwechselmethode: Jeder Wischbezug wird nur einmal verwendet, um eine Verschleppung von Kontaminationen über die Bezüge und je nach Tränkungsmethode über die Gebrauchslösung zu vermeiden.
In der Regel werden im GMP-Umfeld Reinigungs- und Desinfektionsmittel eingesetzt, deren Wirksamkeiten belegt sind. Die tatsächliche Wirksamkeit zeigt sich aber erst bei der Bewertung des gesamten Prozesses. Die Prozessbeschreibung zeigt, dass der Wischbezug hierbei eine zentrale Rolle spielt, in engem Zusammenspiel mit dem Präparations- oder Tränkungssystem, über das die Gebrauchslösung dem Wischbezug zur Verfügung gestellt wird.
Seminarempfehlung
Karlsruhe22.-24. Oktober 2024
Hygienebeauftragte/r (H 2)
Anforderung | reinheitsspezifisch | prozessspezifisch | anwendungsspezifisch |
Flüssigkeitsaufnahmekapazität und Flüssigkeitshaltevermögen | x | x | |
Flüssigkeitsabgabevermögen | x | ||
Oberflächenbenetzung | x | ||
Reinigungseffizienz, Aufnahme- und Mitnahmefähigkeit von Kontaminationen | x | x | x |
Flächenleistung | x | ||
Chemische Beständigkeit | x | ||
Wirkstoffadsorption | x | ||
Partikelfreisetzung und Abriebfestigkeit (getränkter Wischbezug) | x | x | |
Waschbeständigkeit und Verschleißbeständigkeit | x | ||
Sterilisierbarkeit | x | x | |
Thermische Beständigkeit | x | ||
Extrahierbare Rückstände | x | x | |
Ausgasung (AMC) | x | x | |
Hygienegerechte Konstruktion und Handhabung | x |
Die Anforderungen werden beeinflusst durch die Reinheitsanforderungen der Raumumgebung, den Produktionsprozess und durch die Anwender: |
Reinheitsspezifisch | Anforderungen durch die Luftreinheitsklasse und Oberflächenreinheitsklasse |
Prozessspezifisch | Anforderungen durch den Produktionsprozess an die Reinraumumgebung |
anwendungsspezifisch | Anforderungen durch die Art der Anwendung |
Tabelle 1: Übersicht der Anforderungen durch den generellen Einsatz zur Reinigung und Desinfektion im manuellen Wischverfahren im GMP-Reinraum, in Anlehnung an VDI 2083, Bl. 9.2, Tab. 23
Anforderungen an einen GMP-konformen Wischbezug
Aus der Prozessbeschreibung ergeben sich für den Wischbezug folgende Aufgaben:
• Aufnahme der Wirkstofflösung,
• Transport der Wirkstoffe zur kontaminierten Oberfläche,
• Abgabe der Wirkstofflösung und Benetzung der Oberfläche sowie
• Mitnahme und Entfernung der Kontaminationen durch Abschwemmen und Mechanik.
Die Funktionalität zur Erfüllung dieser Aufgaben wird durch weitere anwendungsspezifische Eigenschaften wie chemische Beständigkeit und Flächenleistung ergänzt. Neben den Eigenschaften, die sich aus dem Einsatz im Wischverfahren ergeben, dürfen Wischbezüge selbst keine Quellen von Verunreinigungen darstellen und keine Anlagerung von Mikroorganismen begünstigen. Die Gesamtheit aller Anforderungen wird auch mit dem Begriff "Reinheitstauglichkeit" beschrieben, der vorgibt, dass ein Wischbezug für den jeweiligen Einsatz und Prozess im jeweiligen Reinraum geeignet sein muss1.
Da der Einsatz von den betriebsspezifischen Reinheitsanforderungen, Prozessen und Anwendungen abhängig ist, sind die Anforderungen an den Wischbezug vom Anwender für seinen Einsatzbereich zu definieren. Für den GMP-Reinraum ist es aber möglich einen Leistungsprofil als Standard vorauszusetzen, da aufgrund der geltenden Regelwerke viele Anforderungen an die Wischbezüge vorgegeben sind. Die Festlegung der Spezifikation und die Qualifikation eines GMP-konformen Wischbezugs erfolgt auf Basis des EU-GMP-Leitfadens, der Norm DIN EN ISO 14644-5, der Richtlinie VDI 2083, Bl. 9.2, sowie verschiedener textiler Prüfnormen (u. a. der Normenfamilie DIN EN ISO 9073 und IEST-RP-CC-004.3).
Prozesssicherheit durch Validierung
Über die Validierung erfolgt der dokumentierte Nachweis, dass der Reinigungs- und Desinfektionsprozess tatsächlich und reproduzierbar zum erwarteten Ergebnis führt. Die Prozesssicherheit bei der Reinigung und Desinfektion im Wischverfahren liegt vor, wenn
- die Flüssigkeitsaufnahme des Wischbezugs konstant und reproduzierbar erfolgt, Voraussetzungen hierzu sind ein valides Präparationsverfahren bzw. Tränkungssystem sowie eine valide Flüssigkeitsaufnahmekapazität des Wischbezugs,
- die Oberfläche gleichmäßig mit einem durchgehenden Flüssigkeitsfilm benetzt ist, was ein konstantes Flüssigkeitsabgabevermögen des Wischbezugs erfordert,
- eine Abgabe mikrobieller Wirkstoff e in ausreichender Menge an die Oberfläche unter Berücksichtigung einer möglichen Wirkstoffadsorption und
- die vollständige Mitnahme aller Kontaminationen ohne Verschleppung (Reinigungseffizienz) erfolgt,
- die Kompatibilität Wischtextil und Chemie gegeben ist, d. h. die Bewertung einer möglichen Wirkstoffadsorption und Prüfung der chemischen Beständigkeit,
- die Wirksamkeit und Stabilität der Gebrauchslösung über die Standzeit und
- die hygienische Sicherheit im gesamten Prozess gegeben sind, sowie
- die typischen Alterungs- und Verschleißerscheinungen der Wischbezüge und der Betriebsmittel, die zur Wiederverwendung aufbereitet werden, berücksichtigt werden.
Bewertung der Prozesssicherheit hinsichtlich Alterung
Die Anwendung mit chemischen Mitteln, der Abrieb in der Anwendung, Wechselwirkungen mit Restverschmutzungen und Rückständen sowie die Aufbereitungsprozesse können die textile Struktur und damit die Funktionalität der Wischbezüge negativ beeinflussen und reduzieren die Tauglichkeit eines Wischbezugs mit der Zeit. Durch Materialermüdung und Materialzerstörung besteht zusätzlich das Risiko einer unerwünschten Freigabe von Fasern und Filamenten aus den Textilien.
Seminarempfehlung
Berlin, Germany5-8 November 2024
Contamination Control Strategies & Workshop Risk Assessment in Contamination Control
Aufgrund der Veränderungen, die durch die regelmäßigen Belastungen und den damit verbundenen Verschleiß nicht auszuschließen sind, kann ein Mehrwegwischbezug zu einem Kontaminationsrisiko werden. Daher muss die maximale Anwendungsdauer über die Anzahl der Aufbereitungszyklen festgelegt werden. Basierend auf Untersuchungen2 sowie auf Erfahrungswerte aus der Industrie und seitens der Reinraumwäschereien, liegen für die Mehrwegwischbezüge Empfehlungen zur Anzahl der Anwendungszyklen vor. Die Alterungserscheinungen, die hierbei bewertet wurden, wurden verursacht durch Einflüsse, die in einem GMP-Reinraum in der Regel zu erwarten sind. Diese Empfehlung entbindet den Anwender aber nicht von einer individuellen Eignungs- und Kompatibilitätsprüfung und ggf. der Anpassung der Anwendungszyklen auf seine spezifischen Anwendungsbedingungen.
Fazit
Mehrwegwischbezüge GMP-konform und prozesssicher im Einsatz, bedeutet zusammengefasst, dass diese hinsichtlich der Anforderungen der GMP-Regelwerke für den vorgesehenen Einsatz qualifiziert sein müssen, kein Kontaminationsrisiko darstellen dürfen und eine sichere Umsetzung der Prozesse "Reinigung" und "Desinfektion" durch die gegebene Funktionalität über einen definierten Anwendungszeitraum gewährleisten müssen. Die Bewertung des Wischbezugs ist Teil der Reinigungs- und Desinfektionsvalidierung und damit der Kontaminationskontrollstrategie.
Über die Autorin:
Margarete Witt-Mäckel
... ist seit 2012 als Coach und Consultant im Hygiene- und Qualitätsmanagement tätig.
Fußnoten:
1 VDI 2083 Blatt 9.2 (2017). Reinraumtechnik – Verbrauchsmaterialien im Reinraum. Berlin: Beuth.
2 Schmeer-Lioe G, Witt-Mäckel M et al (2016). Wiederaufbereitung reinheitstauglich! Analysen zur Alterung von Mehrweg-Wischbezügen für Reinraumanwendungen. Reinraumtechnik 05/2016, S. 48–53. Weinheim: Wiley-VCH.