Kreuzkontamination und Nachhaltigkeit: Das Kreuz mit der Kontamination

    

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Das Thema Kreuzkontamination und deren Vermeidung nimmt in Behördenaudits eine zunehmend größere Bedeutung ein. Es werden explizit die Maßnahmen abgefragt, um Kreuzkontamination zu verhindern, aber auch wie in Oberflächenbemusterungen auf den Erfolg dieser Maßnahmen getestet wird. Gleichzeitig stehen die Produktionsbetriebe vor der großen Herausforderung der Nachhaltigkeit, was im Gegensatz zum erhöhten Energiebedarf und Materialeinsatz für die Präventionsmaßnahmen steht.

Bei Kreuzkontamination handelt es sich gemäß dem Glossar des EU-GMP-Leitfadens1 um eine Kontamination eines Ausgangsstoff es oder eines Produktes mit einem anderen Material oder einem anderen Produkt. Dies kann auftreten durch die unkontrollierte Freisetzung von Stäuben, Gasen, Aerosolen oder Organismen, als auch durch Rückstände an der Arbeitskleidung oder an Equipments, beispielsweise aufgrund einer ungenügenden Reinigung.

Es werden verschiedene technische und organisatorische Maßnahmen vorgeschlagen, um das Auftreten von Kreuzkontamination zu verhindern. Unter anderem sind dies die gebäudetechnische Trennung, beispielsweise indem Solida in einem Gebäude produziert werden und sterile Liquida in einem anderen Gebäude. Zudem existiert die Option der räumlichen Trennung innerhalb eines Gebäudes, beispielsweise indem Produkte verschiedener Risikokategorien in zugewiesenen Bereichen und/oder mit zugewiesenem Equipment produziert werden. Weitere Möglichkeiten sind die Kampagnenfahrweise, indem mehrere Chargen des gleichen Produktes nur mit einer Trockenreinigung dazwischen hintereinander produziert werden, sowie die Etablierung von Schleusensystemen für Personal, Equipment oder Materialien. Grob zusammengefasst kann man die folgenden sechs Bereiche identifizieren, um eine "CroCo"- Risikoanalyse aufzubauen. Es lässt sich hierbei nicht analog des GMP-Leitfadens, Kap. 5.21, in "technische" und "organisatorische" Maßnahmen untergliedern, da beide Arten von Maßnahmen bei allen der sechs Bereiche eine Rolle spielen.

Mit dem aufkommenden Thema "Nachhaltigkeit" ergeben sich allerdings neue Fragen und Probleme, was die Vermeidung von Kreuzkontamination angeht. Konkret geht es bei der Nachhaltigkeit um die Vermeidung von Energie, Kohlendioxid, Abfällen und den Einsatz von Reinigungsmitteln. Letztere sollen möglichst sparsam eingesetzt werden und auch eine gute Abbaubarkeit besitzen.

Evaluiert man die oben genannten sechs Bereiche weiter im Detail, ergeben sich viele material- und energieaufwendige Maßnahmen. Hierzu gehört die Etablierung von Abzugssystemen direkt an den Produktionsstellen, um aufkommende Stäube abzusaugen. Materialaufwendige Schutzkleidungskonzepte sollen verhindern, dass Rückstände auf der Arbeitskleidung auf das Produkt übertragen werden. Darunter fällt auch der kontinuierliche Austausch der GMP-Kleidung in den Umkleiden, aber auch der Einsatz von Sonderschutzkleidung, die beim Betreten von speziellen Produktionsbereichen über die GMP-Schutzkleidung gezogen werden muss. Dazu kommt der Einsatz von Handschuhen, Schutzhelmen und von speziellem Bartschutz. Ein weiterer wichtiger Fokus liegt auf dem Thema Reinigung: am kritischsten ist die Kreuzkontamination zwischen verschiedenen Produkten zu sehen. Vor einem Wechsel von einer Charge eines Produktes zu einer Charge eines anderen Produktes in einem Produktionsraum muss eine Nassreinigung nach vorgegebenem Reinigungsverfahren durchgeführt werden, um Rückstände im Raum und auf dem Equipment zu entfernen. Hierzu werden zum Teil erhebliche Mengen an Reinigungs- und Desinfektionsmittel eingesetzt und ins Abwasser eingeleitet. Ein weiterhin großer Energiefresser betrifft die Lüftungsanlagen. Wussten Sie, dass der Energiebedarf in einem Pharma-Gebäude zu bis zu 90% durch Lüftungsanlagen verursacht wird? Das hängt aber auch von der Art des Betriebes ab. Indem man in einem Produktionsraum in einem Solidabetrieb mehr Luft absaugt, als in den angrenzenden Flur Luft eingebracht wird, wird ein Luftgefälle im Produktionsraum, ein Differenzdruck, erzeugt. Durch dieses Luftgefälle werden eventuell auftretende Staubaufkommen im Produktionsraum gehalten und eine eventuelle Kontamination des angrenzenden Flures oder sogar anderer Produktionsräume wird vermieden ("Clean- Corridor-Konzept"). Zudem muss ein effektives Monitoringsystem aufgebaut werden, welches die Differenzdrücke stetig überwacht und in Fällen eines Abfalls unter vordefinierte Grenzen entsprechende Alarmierungen erzeugt.

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Viele dieser oben aufgeführten Maßnahmen erfordern teilweise einen hohen Einsatz von Energie, aber auch von Materialien. Die Herausforderung für den pharmazeutischen Unternehmer besteht nun in Zukunft darin, eine gute Balance zwischen "Kreuzkontaminationsrisiko", "Einsatz von Materialien und Reinigungsmitteln" sowie "Energiebedarf des Betriebes" zu finden. Einige Ideen wollen wir Ihnen nachstehend näherbringen.

Abb. 1: Mögliche Strukturierung einer Risikoanalyse zur Kreuzkontamination

1. Materialien

Im Hinblick auf "Vermeidung von Materialien" sind weniger die Roh- und Hilfsstoffe zur Herstellung im Fokus, sondern vielmehr sämtliche Materialien, die ansonsten für die Herstellung benötigt werden. Einweg- bzw. Mehrwegkleidung, die oben genannte "Sonderschutzkleidung", Probenahmematerialien, Verpackungen, Single-Use-Equipment, aber auch Papier zu Dokumentationszwecken sind hier von Interesse. In vielen Fällen stellt sich nun die Frage "Einweg vs. Mehrweg". Das ist so pauschal nicht zu beantworten, denn auch die Reinigung kostet wieder Ressourcen. Über den CO2-Fußabdruck können Sie alle Ihre Prozesse und Materialien bilanzieren (z. B. gemäß ISO 140672). Wichtig ist, dass Sie für Ihre Bilanzierung den "Scope", also den Betrachtungsrahmen, richtig festlegen. Als Faustregel gilt bei der Bilanzierung: je öfter Sie einen Mehrwegartikel wiederverwenden können, desto besser wird die Bilanz für den Mehrwegartikel.

2. Gebäude

Ganz wesentlich in punkto Kreuzkontamination und Nachhaltigkeit ist das Lüftungskonzept. Hohe Luftwechselzahlen im Raum sorgen zwar für eine kurze Erholzeit und so schnellere Abtragung von Partikeln und anderen Verunreinigungen. Dem steht jedoch ein signifikant erhöhter Energiebedarf entgegen. Wie weit können Sie Ihre Luftwechselzahlen gefahrlos reduzieren? Ein weiterer möglicher Lösungsvorschlag könnte, abhängig vom Gebäudedesign, in einer drastischen Reduktion des Außenluftanteils der Lüftung liegen. So kann man eine starke Zirkulation innerhalb des Gebäudes aufrechterhalten, verliert aber nicht die aufgewendete Enthalpie. Das setzt natürlich ein entsprechendes Design der Lüftungsanlage voraus. Automationsgrad der Lüftung, HEPA-Filter in der Zu- und/oder Abluft, Abluftanschlüsse untenliegend im Raum, frequenzgerichtete Lüfter und Wärmerückgewinnung sind die Themen, die beachtet werden müssen. Damit hören allerdings die Möglichkeiten und Diskussionspunkte bei einer Lüftungsanlage nicht auf. Adiabate Befeuchtung der Zu-oder Abluft (hier dann zu Wärmerückgewinnungszwecken), solarbetriebene Nacherhitzer oder Geothermie sind weitere Themen, um der "Erleuchtung" in punkto Nachhaltigkeit noch näher zu kommen. Zu guter Letzt können Sie sich Gedanken um die wirklichen Anforderungen ihrer Luftfeuchte im Betrieb machen. Vor allem die letztgenannten Punkte müssen aber immer unter dem Aspekt der Hygiene und der mikrobiologischen Belastung betrachtet werden. Für Sterilbetriebe ist dieses Thema also noch kritischer. Hier stehen bei der Risikoanalyse zur Kreuzkontamination nämlich nicht die Stäube an erster Stelle im Fokus, sondern die Mikrobiologie.

3. Reinigungs- und Desinfektionsmittel:

Reinigung und Desinfektion ist ein zentrales Element der genannten Risikoanalyse. Die neuen Anforderungen zur Nachhaltigkeit werden darauf abzielen, Reinigungsprozesse mit geringeren Temperaturen (z. B. CIP/WIP) zu fahren. Außerdem sollen die Mengen an Reinigungs- und Desinfektionsmitteln möglichst verringert werden, und idealerweise sollen gut abbaubare Substanzen für die Reinigung/Desinfektion verwendet werden. Chlor- und Flourverbindungen beispielsweise besitzen eine schlechte Abbaubarkeit. Der Abbaubarkeit gegenüber steht aber die Wirksamkeit und Konzentration der genannten Reinigungs- und Desinfektionsmittel, was sich auf die Bewertung im Rahmen der Risikoanalyse zur Kreuzkontamination auswirkt. Gleiches gilt übrigens für Sterilisationsprozesse, hier ist die Bewertung noch schwieriger.

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Zusammenfassung

Die Nachhaltigkeit und damit einhergehende Veränderungen halten mehr und mehr Einzug in die pharmazeutischen Betriebe. Jedoch lässt sich beobachten, dass QA-Vertreter und auch die behördliche Seite zu Recht ein Mindestmaß an Kontrolle, Hygiene und Vermeidung von Verunreinigungen im GMP-Betrieb einfordern. Daraus können Konflikte entstehen. Wer bekommt nun Recht? Wie kann man pharmazeutische Prozesse nachhaltiger machen, ohne auf die bisherige Absicherung der Prozesse und die entsprechende Kontrolle verzichten zu müssen? Hier werden sich Vertreter von Qualität und Umwelt auf Kompromisse einigen müssen. Der Schlüssel liegt in guten Kontrollstrategien und der holistischen Bewertung aller Risiken. Vielleicht finden ja auch wir im GMP-Bereich irgendwann zu "integrierten Managementsystemen", die Qualität, Umwelt, Sicherheit und Gesundheit gemeinsam unter einem Dach betrachten?

 

Über die Autoren:
Dr. Felix Kern
... ist Apotheker und Leiter der Herstellung bei der Merck KGaA in Darmstadt.
Fritz Röder
... ist Senior QA Manager bei Merck KGaA, Darmstadt.

Fußnoten:
1 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/gmp.html, abgerufen am 04.02.22

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