Konferenzbericht zum GMP Forum 2025 in Barcelona
Das diesjährige European GMP & GDP Forum fand vom 24. bis 26. Juni 2025 in Barcelona statt. Die ersten anderthalb Tage legten den Schwerpunkt auf GMP-Themen, die darauffolgenden anderthalb Tage waren den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Guten Vertriebspraxis (GDP) gewidmet. Teilnehmende hatten die Möglichkeit, entweder nur am GMP Forum, nur am GDP Forum oder an allen drei Tagen der Veranstaltung teilzunehmen.
Das GMP-Forum, das am 24. Juni 2025 begann, hatte zum Ziel die aktuellen Entwicklungen von GMP in der EU und den USA aufzuzeigen. Moderiert wurde der erste Tag von David Cockburn, Mitglied im European Compliance Academy (ECA) „Executive Board“. Zu Beginn gab der Leiter des „Executive Boards“ der ECA, Dr. Afshin Hosseiny, einen Überblick über die Entwicklung der ECA im Gesamten und auch über die Entwicklungen der einzelnen Interessen- und Arbeitsgruppen der ECA. Sein Fazit: Mit über 4000 Mitgliedern ist die ECA ein entscheidender „Stakeholder“ im GMP-Umfeld.
Ein erstes Highlight setzte dann Brendan Cuddy, „Lead Scientific Officer“ von der EMA mit seinem Vortrag „Update on Inspections, MRAs and Working Plan". So berichtete er u. a. über die Quality Innovation Group (QIG), die derzeit an zwei Leitlinien zu Dezentralisierter Fertigung und 3-D-Druck arbeitet. Noch spannender war der Ausblick über die Änderungen zu GMP-Regeln, den Brendan Cuddy gab. Es ist einiges in Bewegung… (s. Abbildung 1, Modernisierung der GMP Leitlinien)
Abbildung 1: Modernisierung der GMP Leitlinien

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Anknüpfend an den Vortrag von Brendan Cuddy gab Dr. Ulrich Kissel, Mitglied im „Executive Board“ der ECA und Leiter der europäischen QP-Gruppe (EQPA) einen Vortrag aus Sicht der Industrie: „Update on European GMP Regulations – Outlook“. Er zeigte anhand einer Folie, wie komplex heutzutage die Fertigung von Arzneimitteln in Europa reguliert sind und was kommen wird, s. Abbildung 2.
Abbildung 2: Übersicht über die kommenden EU-Regelungen für Humanarzneimittel
Er wies ferner auf die Entwicklungen im Tierarzneimittel-Bereich hin und auf die vielen Frage-&-Antwort-Dokumente der EMA, zum Annex 1, Annex 8, Annex 16 und zu GDP.
Ebenfalls ein Highlight war dann der Doppelvortrag von Ib Alstrup, einem dänischen Inspektor, der federführend in die Annex 11-Revision und die Neuerstellung des Annex 22, zur Künstlichen Intelligenz, involviert ist. Sein Diskussionspartner war Dr. Wolfgang Schumacher, Leiter der ECA IT-Gruppe. Ib betonte, dass das Entwurfsdokument für beide Annexe abgestimmt mit der Inspektorengruppe, die involviert war, bei der EU Kommission liegt. Diese prüft das Ganze nun noch juristisch. Mittlerweile sind beide Dokumente in der Entwurfs-Fassung auch veröffentlicht. Er zeigte zu Beginn seines Vortrages, dass es in allen GxP-Bereichen (GLP, GCP; GMP, GVP) Vorgaben zur IT-Sicherheit gibt. Er gab dann eine Übersicht über die Inhalte der Entwurfsdokument Annex 11 Revision und Annex 22 Neuerstellung, s. Abbildungen 3 und 4.
Abbildung 3: Annex 11 Entwurf
Abbildung 4: Annex 22 Entwurf

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In gewohnter kritischer Manier antwortete Dr. Wolfgang Schumacher dann anhand des Konzeptpapiers zur Annex 11 Revision und der Übersicht, die bisher zum Annex 22 bekannt war, da die beiden Dokumente zum damaligen Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht waren. Sein Titel lautete „Pain Points and Industry Expectations“. Er begann seinen Vortrag mit der Aussage zu generellen Erwartungen von neuen Regularien: „Validierung sollte einfacher und schneller werden“ „Es sollte ein Rezept für die Validierung geben“ Er zeigte dann anhand der Vergleiche des aktuellen Annex 11 mit den Inhalten des Konzept-Papiers, dass das nicht der Fall sein wird. Und der Einsatz von künstlicher Intelligenz? Hier sah Wolfgang Schumacher „King Kong mit einem Cyber-Godzilla kämpfen" (Abbildung 5). Insbesondere seine Industriesicht wurde vom Auditorium mehrfach geteilt.
Abbildung 5: Die Zukunft der künstlichen Intelligenz.
Nach der Mittagspause gab dann Dr. Peer Schmidt von Abbvie mit seinem Vortrag „ICH Q9 Trainingspackage – An Overview" einen Überblick über das neue ICH Q9-Trainingsmaterial. Als Mitglied in der Gruppe, die die ICH Q9-Leitlinie überarbeitet hatte, war er der ideale Referent, um die neuen Aspekte der Revision und deren Aufnahme in das Trainings-Paket zu erläutern. Zu Beginn zeigte er, dass das ursprüngliche ICH Q8, Q9 und Q10 Schulungsmaterial, mit 10 Foliensätzen aktualisiert wurde, wie auch das Frage & Antwort-Dokument zu diesen Leitlinien. Offen sind noch die Schulungsunterlagen zum Annex 1 der ICH Q9 (R1)-Leitlinie „Werkzeuge und Methoden“ und zum Annex 2 „Anwendungen“ mit jeweils 9 Foliensätzen. Alle Foliensätze werden als Publikation im September erwartet, siehe Abbildung 6.
Abbildung 6: ICH Q9 Briefing Package Revision
Er ging dann auf die wichtigsten Änderungen zur Vorgängerversion von ICH Q9 ein und zeigte anhand der neuen Trainingsfolien den möglichen Umgang mit:
- Gefahrenidentifikation anstatt Risikoidentifikation
- Umgang mit Subjektivität
- Umgang mit Formalien
- Umgang mit Risiko-basierte Entscheidungen
- Umgang mit Arzneimittel-Verfügbarkeit
- Umgang mit Risiko-Review
Mit dem Thema „Global Functions in Pharma large organizations and EU GMP a critical discussion" griff nochmals Dr. Ulrich Kissel ein sehr besonderes Thema auf. Er arbeitete sehr schön die Schwierigkeiten im Hinblick auf Audits zwischen globalen Qualitätssicherungsstrukturen, lokalen sachkundigen Personen (QPs) und Auftragnehmern heraus. Eine Teilnehmerin äußerte spontan, dieselben Probleme zu haben.
Den ersten Tag abschließend, fasst dann nochmals Dr. Hosseiny zusammen: Wir haben alle dasselbe Ziel – die Patientensicherheit. Eine Busfahrt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und ein Abendessen in der Altstadt von Barcelona boten Möglichkeiten zum weiteren Gedanken-Austausch.
Den zweiten Tag eröffnete Dr. Jörg Stüben von Boehringer Ingelheim. Er sprach über „Artificial Intelligence and Digitalization in Pharma“. Dr. Stüben holte die Teilnehmenden zu Beginn mit Slido-Umfragen ab. Dann stellte er verschiedene Typen von künstlicher Intelligenz und diverse Leitlinien (spezifische vs unspezifische) vor. Er bedauerte sehr, dass im kommenden Annex 22 über die künstliche Intelligenz „Large Language Models“ und „Generative AI“ ausgeschlossen sind. Darauf antwortete Ib Alstrup als Leiter der Gruppe, die den Annex 22 erstellt, dass es ein erster Entwurf sein wird und weiterentwickelt werden könne. Wiederum mit Slido-Umfragen ließ er dann das Auditorium über den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei diversen Fällen in Forschung, Arzneimittelsicherheit, IPC und Chargenfreigabe abzustimmen. Zum Abschluss gab er den Zuhörern noch auf einer Folie „Gedanken-Futter“ mit (s. Abbildung 7).
Abbildung 7: „Gedanken-Futter“ zum Einsatz von künstlicher Intelligenz
Der Vormittag endete dann mit jeweils zwei Doppelpräsentationen. Zuerst sprachen Ralf Gengenbach, der Leiter der ECA Validation Group, und Dr. Franz Schönfeld, GMP-Inspektor in Bayern, über den ECA Good Practice Guide „Qualification and Validation 3.0". Zuerst gab Ralf Gengenbach einen Überblick über den Guide und was sich bei der aktuellen Version 3.0 im Vergleich zur Version 2.2 geändert hat. Das Ziel des Guides ist es, die Zusammenarbeit bei der Geräte-Qualifizierung zwischen Lieferanten und Kunden zu beschreiben. Schon 2005 hatte ein ISPE „White Paper“ die Einbindung von Good Engineering Practice (GEP) und die Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Kunden propagiert (s. Abbilddung 8). Das ist 20 Jahre her.
Abbildung 8: Auszug aus dem ISPE White Paper zur Geräte-Qualifizierung
Am Beispiel des Devonport Skandals 1972 zeigte Franz Schönfeld, welche GMP-Regeln sich davon ableiten lassen (Kenntnisse zum Geräte-Design, Prozess- und Produktkenntnis, Risikomanagement). Er empfahl ausdrücklich Lieferanten in die Geräte-Qualifizierung mit einzubinden. Die Lieferanten haben häufig eine bessere Gerätekenntnis als der Kunde und Tests von Lieferanten ausgeführt müssen nicht zwingend vom Kunden wiederholt werden. Auf der anderen Seite sieht er auch Grenzen der Lieferanteneinbindung. Betrachtet werden sollten:
- Geräte „von der Stange“ vs. kundenspezifisch entworfene Geräte
- Erfahrung und Marktstellung des Lieferanten
- Die effektive Einbindung von GEP
Aber, ganz wichtig:
- Der Auftraggeber bleibt verantwortlich
Und wie werden Lieferanten einbezogen in die Qualifizierung? Hierzu gab Ralf Gengenbach nochmals Ideen. Beginnen bei den Produkt- und Prozessanforderungen werden Nutzeranforderungen an ein Gerät gestellt. Diese fließen dann, begleitet von Risikomanagement-Aktivitäten, in die Planung, das Design und den Bau des Gerätes ein. Und bei allen Aktivitäten fließt die Expertise des Lieferanten mit ein.
Im letzten Vortrag vor der Mittagspause stellte dann David Abraham, Leiter der Arbeitsgruppe, die den ECA "GMP Auditor Guide" erstellt hatte, die Entwicklung der Leitlinie vor und gab eine allgemeine Übersicht über den Inhalt „Introducing GMP Auditor Guideline“. Darauf aufbauend vertiefte mit Dr. Ingrid Walther, ein Gruppenmitglied der „GMP Auditor Association“, den Inhalt der Leitlinie. Frau Dr. Walther ging insbesondere auf den Berichts-Vordruck in der Leitlinie ein, s. Abbildung 9.
Abbildung 9: Auszug Berichts-Vordruck (Auditbericht)
Zum Abschluss stellte sie noch Praxisbeispiele schwieriger Auditsituationen und mögliche Lösungen vor. Damit endete der zweite Tag des GMP Forums. Nach der Mittagspause ging es dann mit dem GDP-Forum weiter.
Fazit: Begleitet von drei Ausstellern bot das GMP-Forum eine Plattform, um sich über die Entwicklung der GMP-Regelwerke und aktuelle Umsetzungsmöglichkeiten zu informieren. Knapp 160 Teilnehmende und Referenten aus 24 Ländern nutzten diese Chance ausgiebig.
Das GMP & GDP Forum findet alle zwei Jahre statt. Das nächste Forum ist für Juni 2027 geplant.
Über den Autor:
Sven Pommeranz
... ist seit 1996 bei CONCEPT HEIDELBERG und dort als Fachbereichsleiter für die Themenbereiche Validierung/Qualifizierung und Medizinprodukte verantwortlich.