Kalte WFI-Erzeugung - Zwei Jahre nach der Arzneibuchänderung

    

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Zum April 2017 hatte es im Europäischen Arzneibuch eine wesentliche Änderung gegeben: Nach - inkl. Vorgängern - nahezu 100 Jahren wurde die Vorschrift zur Herstellung von Wasser für Injektionszwecke (WFI) geändert, die Vorgabe "Destillation" wurde gestrichen.

Die neue Vorgabe der Monografie 169 zur WFI-Produktion lautet:
"Water for injections in bulk is ... produced either by:
- distillation in an apparatus of which the parts in contact with the water are of neutral glass, quartz or a suitable metal and which is fitted with an effective device to prevent the entrainment of droplets;
- a purification process that is equivalent to distillation. Reverse osmosis, which may be single-pass or doublepass, coupled with other appropriate techniques such as electro-deionisation, ultrafiltration or nanofiltration, is suitable. Notice is given to the supervisory authority of the manufacturer before implementation."
1

Diese Änderung waren jahrelange Diskussionen vorangegangen. Das US- und auch das japanische Arzneibuch hatten bereits seit längerem von der Vorgabe Destillation Abstand genommen. Innerhalb der Ingenieurtechnik galt die Verdampfung und Kondensation bereits seit Anfang der 1990er Jahre als ineffiziente Aufreinigungsmethode zur Herstellung von WFI. Insbesondere die Fortschritte der Membrantechnik (Umkehrosmose, Elektro-De-Ionisation, Ultrafiltration) hatten z.B. in der Elektronik-Industrie deutlich gezeigt, dass sich Reinstwasser höchster mikrobiologischer Qualität ohne den Phasenübergang der Destillation erzeugen l

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Das Interesse der regulierenden Behörden in Europa, Membranverfahren als Alternative zur Destillation zuzulassen, war allerdings gering. So kam es in 2002 zu einer Sonderlösung: man führte im Europäischen Arzneibuch die Qualität Highly Purified Water (HPW) ein2. Die Spezifikation aller relevanten Freigabewerte (Leitwert, TOC, Endotoxine, Keime) ist bei HPW und WFI gleich - nur dass für WFI als Herstellmethode von 2002 bis 2017 weiter die Destillation vorgegeben war. Die HPW-Anlagen zeigten in dieser Zeit, dass man zur Herstellung von Wasser, welches die Spezifikation von WFI erfüllt, keine "Dampfmaschine" benötigt. Die Nutzung von HPW war für große Steril-Betriebe sinnvoll, die ihre Vial- / Spritzen- / Ampullen-Waschanlagen nun mit HPW statt WFI zu erheblich günstigeren Kosten betreiben konnten. Stand heute stellen sich die Kosten für die verschiedenen Wasser-Güten in der pharmazeutischen Produktion wie folgt dar:

  • Trinkwasser ca. 1-12 € / m³
  • Purified Water / Highly Purified Water ca. 10-25 € / m³
  • WFI kalt mit Membranverfahren (sollte gleich HPW und deutlich unter WFI liegen, belastbare Zahlen liegen noch nicht vor)
  • WFI heiß mit Destille ca. 50-100 € / m³
  • WFI in Apotheke: 1.000-20.000 € / m³

Insofern hat die HPW-Güte den Weg zur Änderung des Europäischen Arzneibuches in 2017 mit bereitet. Es wurde erwartet, dass die Kosten für WFI kalt mit Membranverfahren etwa denen für HPW entsprechen. Die Befürworter der Destillationstechnik argumentieren bis heute wie folgt:

 Wenn die USA und Japan schon so lange keine Destillation mehr vorschreiben, warum wird weltweit trotzdem WFI hauptsächlich mit Destillen erzeugt.

Dafür gibt es aber wesentliche Gründe:
1) Solange in Europa die Destillation vorgeschrieben war, musste jeder global verkaufende Betrieb die Vorgaben aus Europa beachten.
2) Um WFI mit Membrantechnik sicher herzustellen, benötigt man eine sehr gute stabile hochwertige Trinkwasser-Versorgung, diese gibt es in 50% von Europa, im Rest der Welt aber i.d.R. nicht.
3) In anderen Regionen mit wachsender Bedeutung - wie z.B. China - ist die Destillation nach wie vor die einzig zulässige Erzeugungsmethode für WFI

In Europa wurde 2017 ein Questions & Answers-Papier für Europäische GMP-Inspektoren in Kraft gesetzt, das nicht den aktuellen Stand der Technik widerspiegelt3. Diese Meinung vertritt auch die PDA, die im November 2016 mit einem Schreiben an die EMA herantrat4. So findet sich in dem EMA-Questions & Answers-Paper weiter z.B. diese Aussagen:

"The RO5 membranes are currently not designed to withstand pressurised steam, but those that are capable of withstanding high temperatures are available and should be utilised in order to allow for routine high temperature flush through the system in conjunction with routine chemical sanitisation."

Die Bedämpfung (121 °C) von RO-Membranen erscheint nicht sinnvoll, da die bekannten Wasserkeime auch bei niedrigeren Temperaturen wie z.B. 80 °C abgetötet werden. Der Phasenübergang Dampf-Wasser würde durch die große Volumen-Änderung die nur 0,2µm dicke Gelee-Diff usions-Schicht der Membrane beschädigen. Auch ist es nicht möglich, eine RO sinnvoll chemisch zu sanitisieren. Die Chemikalien können die RO-Membrane nicht passieren, und RO-Wickelmodule lassen sich auch nicht rückspülen. Keine HPWAnlage wurde jemals so gebaut und betrieben.

Extrem kritisch ist aber eine weitere Forderung, die sich zumindest nicht so leicht zurückweisen lässt. Es ist unumstritten, dass aus einer Destille - nach dem Dampf-Flüssig-Phasenübergang - stets WFI ohne lebensfähige Keime gemäß Agar-Platten-Kolonie-Zähl- Prüf-Methode herauskommt.

Bei einer kalten WFI-Erzeugung mit Membrantechnik kann es aber zu einem Durchbruch von solchen Keimen kommen. Das EMA-Q&A-Paper fordert deshalb:

"Use of rapid microbiological methods should be considered as part of the control strategy to aid with rapid responses to deterioration of the system." und "Quantitative microbiological test methods - in line with Ph.Eur. 5.1.6 monograph 'Alternative Methods for control of Microbiological Quality'. " 

Es ist unumstritten, dass die Auszählung von Keimen gemäß Platten-Methode nicht die modernste Methode ist. Es gibt die "Alternativen Verfahren" zur Keimzahl- Bestimmung. Es ist aber so, dass alle diese Alternativ- Verfahren erheblich höhere Keimzahlen finden. Eine erfolgreiche Validierung - insbesondere die Sicherung der Vergleichbarkeit ist daher bisher nicht gelungen6. Der Versuch einer solchen Validierung kostet schnell 500.000 bis fünf Mio. Euro. Derartige Mehrkosten - nur um WFI-Erzeuger mit Membrantechnik einsetzen zu dürfen - sind i.d.R. betriebswirtschaftlich nicht darstellbar. Stand heute erfolgt die Chargenfreigabe für mit WFI hergestellte Medikamente deshalb weiterhin mit der Agar-Platten-Methode.

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Trotzdem haben einige Betriebe angefangen, WFI-Erzeuger mit Membrantechnik zu planen und zu installieren. Viele gehen davon aus, dass die Vorgaben des EMA-Q&A-Papiers fachlich revidiert werden - und man dieses Dokument deshalb zwar betrachtet, aber einige der geforderten Maßnahmen bewusst nicht implementiert.

Viele Betriebe wollen aber keinerlei Compliance-Risiko eingehen. Dort entscheidet man sich deshalb auch bei neuen WFI-Erzeugern weiterhin für die alte "Dampfmaschinen- Technik".

Mit dem EMA-Q&A-Paper haben wir nach Ansicht des Autors einen Fall einer nicht zeitgemäßen Regulierung, welche den Fortschritt behindert und zu vermeidbaren Mehrkosten in der Arzneimittelherstellung führt. Ein wichtiger Standort-Vorteil der Mittel- und Nord-Europäer - nämlich die Verfügbarkeit von sehr gutem Speisewasser als exzellente Voraussetzung zur Nutzung der Kalt-WFI-Herstellverfahren - wird dadurch aufgehoben. Ob und wann sich diese Hürden beseitigen lassen und wie schnell sich dann die WFI-Herstellung mit Membranverfahren durchsetzen wird, ist deshalb heute noch nicht absehbar.

Autor:
Markus Multhauf
... Senior-Ingenieur arbeitet seit 2013 als Freier Ingenieur im Bereich GMP-Pharmatechnik.

 

Fußnoten:
1 European Pharmacopoeia , www.edqm.eu; Monografie Water for Injections 2017-2019
2 Note for Guidance on Quality of water for pharmaceutical use (2002)
3 Questions and answers on production of water for injections by non-distillation methods - reverse osmosis and biofilms and control strategies EMA/ INS/GMP/443117/2017 GMP/GDP Inspectors Working Group;
www.ema.europa.eu/documents/other/questions-answers-production-water-injections-non-distillation-methods-reverse-osmosis-biofilms_en.pdf (link re-checked Jul. 2019)
4 PDA Answer on EMA's Questions and answers on production of water for injections by non?distillation...; 4 November 2016; www.pda.org/docs/default-source/website-document-library/scientific-and-regulatory-affairs/regulatory-comments-resources/2016/ema-qa-production-of-wfi-by-nondistillation-methods-submitted-4-nov-2016.pdf?sfvrsn=4 (link re-checked Dec. 2018)
5 RO = Reverse Osmosis / dt. Umkehrosmose
6 Siehe Präsentationen Pharma-Lounge 5.-7.Feb.2019 R.Roepenack, Robert Bosch Packaging Technology GmbH; Membranbasierte WFI-Erzeugung gemäß revidiertem Monographen 0169 Ph.Eur. + K.-P.Mang, Mettler-Toledo GmbH; Erfahrungen mit neuen Technologien zur Bestimmung der Keimzahl in Pharmawasser in Echtzeit + R.Scheibel, PMT Partikel-Messtechnik GmbH; Möglichkeiten der kontinuierlichen mikrobiologischen Prozesskontrolle + A.Minzenmay, BWT Pharma & Biotech GmbH; Trinkwasser zu WFI (Ph.Eur.) mit einer Membrananlage + U.Träger, Wilhelm Werner GmbH; Kalte WFI-Erzeugung - Projektvorstellung + T.Rücker, Letzner Wasseraufbereitung GmbH; Biofilmkontrollstrategie in der Pharmawasseraufbereitung + P.Kreutzenbeck, Roche Diagnostics GmbH; Trend Mircobiologie On-line - Rapid Microbiological Method

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