ISPE: Revisionierte Leitlinie zu "Commissioning and Qualification"

    

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Seit 2001 gab es die ISPE Baseline Nummer 5 zur Kommissionierung und Qualifizierung (Commissioning and Qualification). Aufgrund dieses langen Zeitraums war das Dokument nicht mehr ganz aktuell. Neuere Entwicklungen, z. B. hin zu einem Lebenszyklus-Modell, waren nicht abgebildet. Anpassungen an den Stand der Technik erfolgten in der Vergangenheit mittels "Brückendokumenten". 2019 erfolgte nun eine komplette Revision.

Das Dokument ist mit insgesamt 207 Seiten sehr umfangreich, wobei die Baseline selbst "nur" 111 Seiten enthält. Die restlichen Seiten umfassen 17 Anhänge mit Bezügen zu den Regelwerken, Musterdokumenten, Referenzen und einem Glossar. Anhang 15 beschreibt den Umgang mit Altgeräten. Die Baseline selbst gliedert sich in 14 Kapitel:

1. Einführung
2. Nutzeranforderungen
3. Systemklassifizierung
4. System-Risikoanalyse
5. Design-Review und -Qualifizierung
6. Planung von Kommissionierung und Qualifizierung
7. Tests und Dokumentation im Rahmen der Kommissionierung und Qualifizierung
8. Akzeptanz und Freigabe
9. Periodische Betrachtung
10. Lieferantenbewertung für Kommissionierung und Qualifizierung- Zwecke
11. Qualitätsprozess "Engineering"
12. Änderungs-Management
13. Gute Dokumentationspraxis für Kommissionierung und Qualifizierung
14. Strategien zur Implementierung eine Wissens- und risikobezogenen Kommissionierung und Qualifizierungs-Prozesses

Ziel und Zweck der Baseline

Ziel und Zeck der Baseline ist es, einen integrierten Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Ansatz vorzustellen, der "compliant" zu den Regelwerken ist und es ermöglicht, den Qualifizierungsprozess effizient und kostengünstiger durchzuführen. Die Kapitel 2-9 beschreiben diesen Prozess. Der Ansatz umfasst eine System-Risiko-Bewertung, die kritische Aspekte (Critical Aspects, CAs) und/oder kritische Design-Elemente (Critical Design Elements, CDEs) identifiziert. Die CDEs sind Systemfunktionen oder -eigenschaften, die Einfluss auf die Produktqualität und damit auch auf die Patientensicherheit haben. Die Baseline ist anwendbar auf Human- und Veterinär- Arzneimittel und den Arzneimittelanteil bei Kombinationsprodukten. Medizinprodukte hingegen sind nicht im Fokus der Baseline.

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Die Nutzeranforderungen

Der integrierte Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Ansatz beginnt mit der Entwicklung von Nutzeranforderungen. Sie werden basierend auf Produktrisiken, kritischen Qualitätsattributen (CQAs) und kritischen Qualitätsparametern (CPPs) sowie regulatorischen und firmeninternen Vorgaben erstellt. Ggf. können auch Gesundheits- und Sicherheitsaspekte einfließen. Diese Nutzeranforderungen müssen erfüllt sein, damit das System für seinen Zweck geeignet ist ("suitable for intended purpose").

Die Systemklassifizierung

Danach erfolgt die Systemklassifizierung. In Abhängigkeit vom Einfluss des Systems auf die Produktqualität kann ein System direkten Einfluss (direct impact system) oder keinen Einfluss (not direct impact system) auf die Produktqualität haben. "Direct impact systems" werden kommissioniert und qualifiziert, "Not direct impact systems" dagegen nur kommissioniert. Die Baseline Kommissionierung bezieht sich allerdings nicht nur auf die Inbetriebnahme, sondern wird ggf. auch auf die Konstruktion der Systeme ausgedehnt (z. B. FAT, siehe auch unten).

Systemrisikoanalyse

Im Rahmen der System-Risikoanalyse wird dann ein "direct impact system" einer Risikobewertung unterzogen, in der der Einfluss des Systems auf die Produktqualität bewertet wird und die CDEs identifiziert werden. An dieser Risikobewertung sollen Fach-Experten ("Subject Matter Experts", SMEs) teilnehmen, die die "Wissenschaft" hinter dem Herstellungsprozess verstehen, der auf dem System dann laufen soll. Die CDEs werden identifiziert, in dem die CPPs betrachtet werden, die kontrolliert werden müssen, um Produktqualität zu gewährleisten. Die CPPs basieren wiederum auf den CQAs. Unakzeptable Risiken sind im Rahmen einer Risikosteuerung zu reduzieren, einschließlich CDEs. Die CAs des Prozesses können von den CPPs abgeleitet werden. Die CDEs des Systems wiederum können basierend auf CAs identifiziert werden. Das liest sich kompliziert, deshalb ist der Bezug zwischen CQAs, CPPs, CAs, CDEs und die entsprechenden Tests an einem anschaulichen Beispiel in der Baseline illustriert.

Planung der Kommissionierung und Qualifizierung und Design-Prozess

Es folgt die Planung der Kommissionierung und Qualifizierung, die durchaus parallel zum Design-Prozess erfolgen kann. Allerdings müssen ausreichend Design-Informationen vorliegen. Als iterativer Prozess in der Design-Phase wird ein Design-Review durchgeführt, um sicher zu stellen, dass alle Nutzeranforderungen und CDEs im Design abgebildet werden. Design- Aspekte, die Einfluss auf die Produktqualität haben, werden in der Design-Qualifizierung (DQ) für die "direct impact systems" bestätigt. Die Qualitätseinheit gibt die Design-Qualifizierung frei. Nach der Fertigstellung des Design-Reviews und der DQ kann auch der Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Plan finalisiert werden.

Tests und Dokumentation der Kommissionierung

Die Tests zur Kommissionierung und Qualifizierung sollten zum frühestmöglichen Zeitpunkt beginnen. Natürlich müssen entsprechend Voraussetzung vorhanden und die Tests zu so einem frühen Zeitpunkt sinnvoll sein. Das bedeutet, es kann damit schon begonnen werden, bevor die Konstruktion komplett abgeschlossen ist. Die Tests umfassen auch die Kontrolle von Dokumenten. In der Kommissionierungs- und Qualifizierungs- Planung werden auch Tests adressiert, die im Rahmen der Qualifizierung genutzt werden. Genannt sind Abnahmetest beim Hersteller (Factory Acceptance Tests, FAT) und Inbetriebnahmetests (Site Acceptance Tests, SAT).

Akzeptanz und Freigabe

Nach dem Abschluss der Tests erfolgen deren Akzeptanz und die Freigabe. Die Freigabe bestätigt, dass das System für den Verwendungszweck geeignet ist. Daran anschließend kann die Prozessvalidierung bzw. Routineherstellung beginnen. Betrachtungen zur Prozessvalidierung oder Process Performance Qualification (PPQ) sind nicht Bestandteil der Baseline.

Periodische Betrachtung des Systems

Das Aufrechterhalten des Kommissionierungs- und Qualifizierungszustandes nach der Freigabe und auch während des Routinebetriebs erfolgt durch verschiedene Systeme, wie Änderungs- Management, Kalibrierung und Wartung). Des Weiteren ist dafür auch eine periodische Betrachtung des Systems erforderlich (Periodic Review).

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Unterstützende Prozesse

Unterstützende Prozesse des eigentlichen, integrierten Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Prozesses sind in den Kapiteln 10-13 beschrieben. Die Musterbeispiele in den Anhängen dienen zusätzlich als Anschauungsmaterial zu einer möglichen Umsetzung.

Informationen zur Revision

Mit der Revision der ursprünglichen ISPE Baseline Nr. 5, Version 1, zur Kommissionierung und Qualifizierung sind die neueren regulatorischen Vorgaben der EMA, FDA, ICH mit eingeflossen. Durch die Revision entfallen natürlich die erste Version der Baseline Nr. 5 selbst, aber auch folgende ISPE Leitlinien: Science and Risk-Based Approach for the Delivery of Facilities, Systems and Qualification und Applied Risk Management for Commissioning and Qualification sind nun zurückgezogen. Auch Begriffe aus der Version 1, wie z. B. "Component Criticality Assessment" (ersetzt durch CDEs), "Enhanced Design Review" (ersetzt durch Design Review das zur DQ führt) und das "Indirect Impacts System" sind in der Version 2 nicht mehr enthalten. Explizit wird auch auf die verschiedenen Rollen bei der Freigabe der diversen Dokumente eingegangen. Insbesondere die Qualitäts-Einheit sollte eine "Oversight" haben. Eingebunden werden sollte sie bei der Freigabe von Testplänen und -Dokumenten für "direct impact systems" und bei der Akzeptanz und Freigabe-Dokumentation. Eine große Bedeutung kommt den SMEs in der Baseline zu. Beispielhaft gibt eine Dokumenten- Freigabe-Matrix im Kapitel 6 Vorschläge bzgl. der zu leistenden Unterschriften auf diversen Kommissionierungs- und Qualifizierungsdokumenten.

Die revisionierte Baseline Nr. 5 zur Kommissionierung und Qualifizierung ist seit Juni 2019 bei der ISPE erhältlich. Sie ist allerdings kostenpflichtig.

ECA Good Practice Guide Integrated Qualification and Validation

Die ECA hatte 2018 einen Modern Qualification Guide - a guide to effective qualification based on Customer -Supplier Partnership veröffentlicht. Die Rückmeldungen auf diesen Guide sind in eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Guides eingeflossen. Die überarbeitete Version wurde unter dem neuen Namen ECA Good Practice Guide Integrated Qualification and Validation Im Oktober 2019 in Berlin vorgestellt. Dabei wurde auch auf Vergleiche/Unterschiede zum ISPE-Guide zu Kommissionierung und Qualifizierung Version 2 eingegangen. Die finale Version des Guides wird im Oktober 2020 veröffentlicht (siehe dazu auch die Seiten 4/5 in dieser Ausgabe). 

Welches sind geeignete Zyklen für eine Requalifizierung?

Mit der Revision des Annex 15 zum Oktober 2015 hat das Thema Requalifizierung einen höheren Stellenwert erhalten. Im alten Annex 15 von 2001 "versteckte" sich das Thema Requalifizierung unter der allgemeinen Forderung nach Revalidierung (Punkt 45). Mit der Revision des Annex 15 erhielt die Requalifizierung nun ein eigenes Kapitel - u. a. mit den Forderungen nach

  • einer Evaluierung von Gerätschaften mit ausreichender Häufigkeit, um zeigen zu können, dass sie noch im kontrollierten Zustand verblieben sind
  • und
  • dort wo eine Requalifizierung erforderlich ist, sollten die Zeitabstände begründet und die Kriterien für die Evaluation festgelegt werden.

In der Praxis fällt es manchmal schwer, solche Zeitschienen und Kriterien für eine Bewertung festzulegen. Im Sterilbereich gibt es hierzu manchmal spezifische Hinweise aus den Regelwerken zu einzelnen Geräten und Prozessen. So sollen beispielweise HEPA-Filter in der Reinraum-Klasse 5 gemäß FDA Aseptik Guide zweimal jährlich getestet werden. Auch der Annex 1 des EU-GMP-Leitfadens gibt zu dieser Thematik Vorgaben (z. B. bei der Sterilisation).

Wie sieht es aber bei Gerätschaften in anderen Bereichen aus?

Periodic Review gemäß ISPE Baseline Commissioning & Qualification, 2019

Hier kann ggf. das Kapitel 9 zum periodischen Review der revisionierten ISPE Baseline No 5 Commissioning & Qualification aus Juni 2019 weiterhelfen. Der "Review"-Ansatz, also die Bewertung, wird dort zweiphasig vorgestellt.

In Phase 1 werden die vorhandenen "direct impact systems" kategorisiert. Je nach Komplexität der Anlage (komplex vs. Standard) und dem Einfluss auf die Produktqualität werden die Systeme beispielhaft in die Kategorien 0-3 eingeteilt. Jeder Kategorie, außer Kategorie 0, wird dann ein "Review"-Zeitraum zugewiesen. Die Kategorie 0 bezieht sich auf schon existierende Systeme und dem Vorhandensein von Monitoring-Daten. Insofern ist kein Review dieser in die Kategorie 0 eingruppierten Systeme (z. B. Wassersysteme) notwendig. Es sind schon Daten vorhanden, die bewertet werden. Für Systeme in Kategorie 1 - z. B. Autoklaven - gelten die o. g. Vorgaben aus den Steril-Regelwerken. Für Systeme der Kategorie 2 - z. B. Pufferlagerbehälter - schlägt die Baseline ein zweijähriges Intervall vor. Für Systeme der Kategorie 3 - z. B. Tablettenpressen - schlägt die Baseline ein dreijähriges "Review"-Intervall vor.

In der Phase zwei erfolgt die Ausführung des "Reviews". Der "Review" selbst erfolgt als dreistufiger Prozess:

  • Stufe 1: eine initiale Bewertung bezüglich GMP-Compliance, Historie von Änderungen, Wartung/Kalibrierung und Abweichungen

Falls in dieser Bewertung Bedenken hinsichtlich des Einflusses des Systems auf die Produktqualität aufkommen, wird Stufe 2 nachgeschaltet. Ansonsten endet der Prozess hier.

  • Stufe 2: basierend auf dem Ergebnis der Stufe 1 werden vertiefend die in Stufe 1 untersuchten Systeme, deren Ergebnisse fraglich sind, von Subject Matter Experts (SMEs) untersucht. Die SMEs sollen aus denselben Abteilungen kommen, die auch bei der Bewertung in Stufe 1 beteiligt waren.

Falls die Bewertung in der Stufe 2 zum Ergebnis kommt, dass ein System nicht mehr im qualifizierten Status ist, erfolgt mit Stude 3 der nächste Schritt. Ansonsten endet der Prozess hier.

  • Stufe 3: basierend auf dem Ergebnis der Stufe 2 werden vertiefend die in Stufe 2 untersuchten Systeme, deren Ergebnisse fraglich sind, von SMEs untersucht. Die SMEs sollen aus denselben Abteilungen kommen, die auch bei der Bewertung in Stufe 1 und 2 beteiligt waren. Falls notwendig, sollen Maßnahmen eingeleitet werden, die das System wieder in den qualifizierten Zustand bringen. Ein Abweichungs-Dokument sollte erstellt werden, um die eingeleiteten Maßnahmen zu steuern.

Der Gesamt-Prozess sollte laut Baseline von jemandem geleitet werden, der einen reichen Erfahrungsschatz besitzt. Das Review selbst sollte mindestens vom System-Eigner und der Qualitäts-Einheit freigegeben werden. Ein Review-Formblatt ist als Anhang 11 Teil der Baseline und ein Beispiel wird in Anhang 12 erläutert.

 

Autor:
Sven Pommeranz
... ist seit 1996 bei CONCEPT HEIDELBERG und dort als Fachbereichsleiter für die Themenbereiche Validierung/Qualifizierung und Medizinprodukte verantwortlich.

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