Inspektionen: Praktische Aspekte der Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung (Teil I)
Jeder pharmazeutische Hersteller untersteht der regelmäßigen Kontrolle durch die zuständige Behörde. Deren Aufgabe ist es zu überprüfen, ob Arzneimittel nach den geltenden Vorschriften produziert werden. Aber auch der Import eines Arzneimittels erfordert unter Umständen die Inspektion durch die Behörde des entsprechenden Landes.
Auch Lohnhersteller, Lohnlabore und Hersteller von Ausgangsmaterialien werden nicht nur von Behörden sondern insbesondere auch von ihren Kunden auditiert. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem § 9 "Tätigkeiten im Auftrag" und § 11 "Selbstinspektion und Lieferantenqualifizierung" der AMWHV (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung). Firmen und Mitarbeiter, die noch wenig Erfahrung mit Kundenaudits haben, mögen hier nützliche Anregungen finden.
Als Ergänzung zu einem früheren Beitrag* sollen diverse Beispiele aus der persönlichen Erfahrung des Autors als Auditor bzw. Inspektionsbegleiter dem besseren Verständnis der Spielregeln bei Behördeninspektionen dienen. Die Ratschläge sind ebenso auch bei Kundenaudits anwendbar.
Inspektionsziele
Oberstes Ziel aller Behördeninspektionen ist der Schutz des Verbrauchers. Dabei erfolgt grundsätzlich die Überprüfung zweier Aspekte:- GMP-Konformität
Die Einhaltung von GMP-Regeln ist einer der Schwerpunkte bei Inspektionen durch Behörden. Welche Regelwerke hierbei die Grundlage bilden, ist jedoch abhängig von der jeweiligen Behörde. Beispielsweise überprüfen Inspektoren aus EU-Ländern die Einhaltung der GMP-Anforderungen auf Basis des EUGMP- Leitfadens und dessen Anhängen, und dies sowohl in EU-Mitgliedsstaaten als auch in nicht EU-Ländern. Für FDA-Inspektoren sind die Forderungen des 21 CFR Part 210/211, 600, 808, 812 und 820 ausschlaggebend. - Zulassungskonformität
Hier wird überprüft, ob die Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln in der Praxis so erfolgt wie in der Zulassungsdokumentation beschrieben. Dies zu gewährleisten, bedeutet bisweilen eine gewisse Herausforderung für den pharmazeutischen Unternehmer.
Sehr gerne werden von den Fachfunktionen Verfahren "optimiert". Dass es sich bei Marktprodukten hierbei um anzeige- oder gar zustimmungspflichtige Änderungen handelt, wird leider manchmal übersehen.
Chemische Syntheseverfahren werden im Hinblick auf Ausbeuten, Kosten oder Verunreinigungsprofil verbessert. Manuelle Analysenmethoden werden gerne auf modernere oder automatisierbare Methoden umgestellt. Bei Farbvergleichsuntersuchungen wird statt des menschlichen Auges nun ein geeignetes Gerät mit automatischem Probenwechsler eingesetzt. Die Methode ist präziser, kostengünstiger und liefert mit Hilfe des angeschlossenen Druckers gleich auch noch eine schriftliche Dokumentation. Was sollte also gegen diese eindeutige Verbesserung sprechen?
Auch werden Methoden "schon immer so gemacht" und noch nie wie in der entsprechenden Vorschrift "weil es so ja gar nicht geht".
Leider wird in diesen und ähnlichen Fällen die Meldung an die Zulassungsbehörde dann manchmal "vergessen". In international tätigen Unternehmen bedeutet es aber oft bereits eine Herausforderung überhaupt zu wissen, was in welchem Land eingereicht wurde. Wenn die Zulassung bereits vor vielen Jahren erteilt wurde, ist heutzutage kaum nachvollziehbar, welche Dokumentation bei der jeweiligen Behörde vorliegt. Aber auch heute werden von den Tochtergesellschaften oft Übersetzungen angefertigt, die den Kollegen der Zentrale sprachlich nicht zugänglich sind. Ob hier immer die aktuelle Version z.B. der Prüfvorschrift eingereicht wurde und ob evtl. noch Veränderungen vorgenommen wurden, ist praktisch schwer nachvollziehbar.
Dies ist eine große Herausforderung für die Sachkundige Person, die mit ihrer Freigabe die zulassungskonforme Herstellung und Prüfung bestätigt.
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Die Behörden
In Deutschland ist die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln Aufgabe der zuständigen Landesbehörde. Inspektionen sind essentieller Bestandteil dieser Tätigkeit und im AMG § 64 gesetzlich festgehalten. Pharmazeutische Unternehmen werden aber nicht nur durch die lokale Überwachungsbehörde inspiziert, sondern auch von ausländischen Behörden. Voraussetzung für die Zulassung, Lieferung und Vermarktung von Arzneimitteln in den USA ist die Durchführung von Inspektionen durch die amerikanische Zulassungs- und Überwachungsbehörde, die Food and Drug Administration (FDA). Angesichts der Größe und damit verbundenen finanziellen Bedeutung des US-amerikanischen Marktes ist es nicht verwunderlich, dass die Ankündigung einer FDA-Inspektion eine gewisse Nervosität bei den betroffenen Unternehmen auslöst.Mit Skepsis sind auch Aussagen mancher Firmen (insbesondere Lohnhersteller oder Lohnlabore) zu betrachten wie "Wir sind sogar FDA-inspiziert". Eine FDA-Inspektion ist kein "Gütesiegel". Ein besonders hoher GMP-Standard wird durch eine FDA-Inspektion nicht zwangsläufig gewährleistet. Ein Beispiel möge dies verdeutlichen:
Einer der FDA-Inspektoren machte einen Rundgang durch das Mikrobiologie-Labor der Firma. Nach wenigen Minuten war den Mitarbeitern klar, dass die Kenntnisse dieses FDA-Inspektors in Mikrobiologie außerordentlich begrenzt waren. Folglich stellte er auch so gut wie keine Fragen, und die Führung der Inspektion wurde von den Firmenmitarbeitern übernommen. Letztendlich war aber auch dieses Labor "FDA-inspiziert".
Natürlich gibt es auch ganz andere Inspektionen, die von FDA-Mitarbeitern mit hoher fachlicher Kompetenz durchgeführt werden. Es ist nur bisweilen schwierig zu beurteilen, welche Art von Inspektion stattgefunden hat, wenn eine Firma mit obigem Satz wirbt.
Darüber hinaus werden zunehmend auch Inspektionen von Behörden weiterer Länder durchgeführt, wie z.B. Brasilien, Saudi-Arabien, Ukraine und seit 2017 insbesondere Russland. Die Fachkenntnisse und Erfahrungen dieser Inspektoren können sehr unterschiedlich sein. Gefundene Mängel können aber immer zu einer Verzögerung der Zulassung führen.
Länderspezifische Besonderheiten sollten beachtet werden. So erwarten z.B. Inspektoren aus Saudi-Arabien eine Unterbringung in einem 5-Sterne-Hotel. Auch religiösen Erfordernissen (z.B. Gebetsraum, kein Schweinefleisch) sollte Rechnung getragen werden. Inspektoren der GUS-Staaten sprechen häufig nur russisch, so dass ein Übersetzer (möglichst mit Fachkenntnissen) unbedingt notwendig ist. Man sollte sich auch darauf einstellen, dass von manchen Inspektoren männliche Gesprächspartner bevorzugt und nur diese ernst genommen werden (auch wenn dies deutschen oder europäischen Ansichten widersprechen mag). Zum Schluss zählt für das Unternehmen nur der erfolgreiche Abschluss der Inspektion.
Inspektionsarten
Je nach Anlass können Behördeninspektionen in verschiedene Arten eingeteilt werden. Hierzu gehören:
- pre-approval Inspektionen
Wird ein neues Arzneimittel bei der FDA zur Zulassung eingereicht, ist diese Art der Inspektion Teil des Zulassungsverfahrens. Die Behörde vergewissert sich direkt vor Ort, ob die Herstellung dieses Arzneimittels entsprechend den GMP-Regeln sowie nach den Angaben in den Zulassungsunterlagen durchgeführt wird. - Routine-Inspektionen
Diese dienen der regelmäßigen Überprüfung, ob GMP-Anforderungen auch weiterhin beachtet werden. Sie erfolgen sowohl von deutschen Überwachungsbehörden als auch von der FDA etwa alle 2 bis 3 Jahre. - Anlassorientierte Inspektionen
Kritische Vorkommnisse können Überwachungsbehörden dazu veranlassen, Inspektionen außerhalb des regelmäßigen Inspektionszyklus durchzuführen.
Bei FDA-Inspektionen kann man sich nicht mehr darauf verlassen, dass nur USA-relevante Chargen oder Produkte betrachtet werden. Von der früher gängigen Praxis, die "guten" Chargen (ohne Abweichungen usw.) für die USA zu reservieren und die anderen in den übrigen Ländern zu vermarkten, muss dringend abgeraten werden. Vor dem Hintergrund von "systems inspections" sind unterschiedliche Vorgehensweisen bei verschiedenen Chargen einem Inspektor nicht mehr vermittelbar. Eine Firma hat genau ein Qualitätssicherungssystem und nicht mehrere. Demzufolge kann sich ein Inspektor beliebige Chargen zur näheren Untersuchung auswählen und wird sich nicht auf die "USA-Chargen" festlegen lassen.
Mögliche Folgen einer FDA-Inspektion
Wie bereits ausgeführt, unterliegt ein pharmazeutischer Unternehmen zunächst der Überwachung und damit der Inspektion durch die lokale Behörde. Diese entscheidet dann z.B. über die Erteilung der Herstellungserlaubnis oder fordert im Rahmen von Routineinspektionen die Beseitigung festgestellter Mängel. Obwohl solche Inspektionen regelmäßig und meist häufiger stattfinden als Inspektionen durch die FDA, führt bereits die bloße Ankündigung einer FDA-Inspektion zu wesentlich größerer Aufregung in der betroffenen Firma.
Ein Grund hierfür ist sicherlich ein psychologischer Aspekt. Man kennt die Inspektoren der eigenen Behörde häufig seit Jahren, steht mit ihnen in regelmäßigem Kontakt, weiß um ihre Vorlieben für bestimmte Themen, auf die man sich einstellen kann und hat zu den Inspektoren ein mehr oder weniger gutes Verhältnis. Dies gilt aber in der Regel nicht für FDA- und andere Inspektoren.
Darüber hinaus gibt es aber auch sachliche Gründe, eine FDA-Inspektion zu "fürchten". Die offiziellen Folgen, die eine solche Inspektion nach sich ziehen kann, sind:
- Form 483
Werden im Rahmen einer FDA-Inspektion GMP-Defizite festgestellt, bekommt das Unternehmen am Ende der Inspektion einen Mängelbericht ausgehändigt. Hierzu wird das Formblatt 483 der FDA verwendet. Dieser Mängelbericht muss innerhalb einer bestimmten Frist (3 bis 4 Wochen) offiziell beantwortet werden. In der Regel verpflichtet sich die Firma hierbei, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um die aufgezeigten GMP-Defizite zu beheben. Sofern die Antwort von der FDA als angemessen eingeschätzt wird, ist die Inspektion damit erledigt. - Warning Letter
Werden die GMP-Defizite als besonders schwerwiegend eingeschätzt und / oder ist das Antwortschreiben völlig unzureichend, wird von der FDA ein "warning letter" ausgestellt. Hierin wird der Firma unter Fristsetzung Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen und ausführlich darzulegen, auf welche Weise die GMP-Defizite behoben werden sollen und wie zukünftig eine Wiederholung ausgeschlossen wird. Ein weiterer ernstzunehmender Aspekt ist die Veröffentlichung aller warning letter auf der Internet-Seite der FDA (www.fda.gov/iceci/enforcementactions/ WarningLetters/default.htm). Damit sind die GMP-Defizite eines Unternehmens der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Die Gefahr eines daraus resultierenden Image-Verlustes für das Unternehmen ist nicht zu unterschätzen. - Versagen, Ruhen oder Widerruf der Zulassung
Sind nach Einschätzung der FDA die GMP-Mängel so gravierend, dass eine Gefährdung des Patienten möglich ist, kann die Vermarktung des Produktes, das bei der Inspektion betrachtet wurde, untersagt werden. Handelt es sich um ein grundsätzliches Problem innerhalb der Firma, besteht die Gefahr, dass die Vermarktung aller Produkte untersagt wird. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn vorsätzlich Chargen freigegeben werden, die nicht der Spezifikation entsprechen. - Debarment
Bei dem oben beschriebenen Fall besteht die Möglichkeit, dass sich die verantwortlichen Personen auf der sogenannten "debarment list" der FDA wiederfinden. In dieser Liste werden alle Personen namentlich aufgeführt, denen es verboten ist, an der Herstellung von Arzneimitteln für den amerikanischen Markt mitzuwirken. Auch diese Liste ist für jedermann im Internet einsehbar (www.fda.gov/ICECI/EnforcementActions/FDADebarmentList/ucm2005408.htm). - Gerichtsverfahren
Personen, die sich durch vorsätzliches Handeln strafbar gemacht haben, werden juristisch belangt. Dies betrifft allerdings nur Mitarbeiter amerikanischer Firmen.
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Inspektionen durch deutsche Behörden
Nützliche Hinweise zu Inspektionen durch deutsche Behörden finden sich auf der Internet-Seite der "Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG)" (www.zlg.de). Auf der Seite der Qualitätsdokumente (www.zlg.de/arzneimittel/deutschland/qualitaetssystem.html) sind eine Vielzahl von öffentlich zugänglichen Dokumenten aufgelistet. Diese beschreiben das Vorgehen der Behörden bei Inspektionen, können aber somit auch zur Vorbereitung aus Sicht der Industrie hilfreich sein.
So soll an dieser Stelle z.B. auf die Verfahrensanweisung VAW 07110205 "Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Inspektionen im Bereich GMP" hingewiesen werden. Im Abschnitt 3.4.2 "Inhaltliche Vorbereitung von Inspektionen" wird beschrieben, wie und an Hand welcher Dokumente der Inspektor sich auf die Inspektion vorbereiten soll. Es empfiehlt sich daher, diese Dokumente bereit zu halten (z.B. Site Master File, Maßnahmen aus früheren Inspektionen, Produktrückrufe, Beanstandungen).
In der Eröffnungsbesprechung soll das Unternehmen u.a. darstellen: das Qualitätsmanagementsystem, Räume, Einrichtungen und Personal, Erläuterungen zur Beseitigung von Mängeln aus der letzten Inspektion. Nach dem Betriebsrundgang folgt die Durchsicht der Dokumentation. Als besondere Schwerpunkte werden hier genannt: Arbeitsplatzbeschreibungen, Unterlagen zur Qualifizierung / Validierung, Prüfanweisungen, Freigaberegister, Dokumentation der Herstellung und Prüfung, Schulungsunterlagen.
Auch die oft gestellte Frage, ob Selbstinspektionsberichte durch Inspektoren eingesehen werden dürfen, wird hier beantwortet. Wörtlich heißt es im Abschnitt 3.5.3 "Überprüfung der Unterlagen": "das System für die Durchführung von Selbstinspektionen im Unternehmen (ohne Einblicknahme in Details der Selbstinspektionsprotokolle)". (Hervorhebung durch den Autor)
Weitere nützliche Hinweise zur Inspektionsvorbereitung finden sich auch in verschiedenen Checklisten (z.B. für Laboratorien VAW 07114601 Anlage III) oder in den Aides mémoires (z.B. AiM 07120102 Überwachung von Arzneimittelherstellern).
Erfahren Sie im zweiten Teil des Beitrags in der kommenden Ausgabe des GMP Journals, was zu beachten ist, wenn eine Inspektion angekündigt ist, was während und was danach.
Autor:
Dr. Jörg Fetsch
… ist Sachkundige Person bei der Medios Manufaktur in Berlin.
Fußnoten:
* Fetsch J, Mocha D, Vorbereitung und Begleitung von FDA-Inspektionen. Pharm. Ind. 2005, 455-461