Industrie 4.0 in der Pharmaindustrie

    

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Im Mittelpunkt der Pharmatechnik-Konferenz als Teil des Pharma-Kongresses Ende März standen innovative und nachhaltige Technologie-Projekte - darunter auch, wie die Pharmaindustrie den Wandel hin zu Industrie 4.0 bewältigt.

Nach Frau Prof. Dr. Schröder von der Hochschule Abstadt- Sigmaringen befinden sich die Unternehmen derzeit in unterschiedlicher Geschwindigkeit auf dem Weg zu Industrie 4.0. Den Weg dorthin, so die Professorin weiter, könne man auch auf Reisen mit dem Zug oder Flugzeug erkennen. Hat dort früher jeder Zeitungen und Zeitschriften gelesen, sieht man heute vorwiegend Reisende, die sich mit ihren Smartphones und Tablets beschäftigen.

Einleitend stellte sie eine Übersicht der Entwicklung von Industrie 1.0 bis 4.0 vor. Industrie 1.0 war durch die Mechanisierung (Dampfmaschine) gekennzeichnet. In der folgenden Industrie 2.0 folgte die Elektrifizierung (Fließbänder in der Industrie), darauf die Digitalisierung (Automatisierung) in Industrie 3.0. In Industrie 4.0 geht es jetzt um die Vernetzung (via W-LAN). Eine Gemeinsamkeit haben jedoch alle Phasen: technischer Fortschritt ist auch immer mit sozialem Wandel verbunden.

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Folgend ging die Professorin mit den Lehrgebieten Qualitätssicherung, Arzneimittelrecht und Regulatory Aff airs auf die sieben Merkmale ein, die Industrie 4.0 kennzeichnen.

1. Verteilte Intelligenz
Ein Beispiel: ein Bodenroller findet über W-LAN gesteuert autonom seinen Weg im Shopfloor und bearbeitet dort selbständig Logistikaufgaben, u.U. auch im Schwarm. Solche Bodenroller werden voraussichtlich flächendeckend eingesetzt, sind aber erst in ca. 10 bis 30 Jahren überall im Einsatz.

2. Schnelle Vernetzung und flexible Konfiguration
Das modulare Arbeiten ist ein typischer Teil von Industrie 4.0. D. h., der Mitarbeiter muss selbst nicht mehr unbedingt eine Maschinensprache beherrschen, er gibt nur die entsprechenden Anweisungen, die Maschine setzt diese dann eigenständig um.

3. Offene Standards
Maschinen und Komponenten unterschiedlicher Hersteller können dank harmonisierter Schnittstellen einfach integriert werden. Ziel ist also, in Unternehmen langfristig Schnittstellen aller Hersteller kompatibel zu machen - so wie es beispielsweise für (fast) alle Handyhersteller mit unterschiedlichen Modellen inzwischen einheitliche Ladegeräte gibt.

4. Mensch als Akteur
Der Mensch spielt in der vernetzen Fabrik eine entscheidende Rolle. Er triff t Entscheidungen auf Basis von kontextbezogenen digitalen Informationen. Er muss also die Komplexität von Aufgaben und neue Möglichkeiten der Visualisierung beherrschen und anwenden können. Ein Beispiel: der neue Mercedes hat die Navigation in der Frontscheibe integriert. Das gibt es mittlerweile auch an Maschinen. Dort steht der Mitarbeiter vor der Maschine und sieht auf einer Glasscheibe in Echtzeit direkt in die Maschine. So kann er sich Informationen anzeigen lassen, kontrollieren, aber auch direkt steuernd in die Prozesse eingreifen.

Zur Beherrschung dieser Prozesse braucht es aber auch neue Formen des Lernens - wie z.B. Assistenzfunktionen und Fähigkeitsverstärker für Menschen mit Behinderungen. Aktuell läuft dazu ein Projekt bei der Firma Bosch, das Menschen mit Behinderung ermöglichen soll, die gleiche Arbeit zu machen wie nichtbehinderte Mitarbeiter.

5. Virtuelles Echtzeitabbild
Auch hier ein Beispiel: Vom Logistikzentrum aus hat man jederzeit direkt Zugriff auf den LKW und kann z.B. Temperatur, Feuchtigkeit oder Lagerung überprüfen und ggf. korrigieren, während der LKW noch unterwegs ist. Früher konnte man die Werte erst am Zwischenlagerort manuell überprüfen.

6. Digitales Lebenszyklus-Management
Alle relevanten Informationen der Lebenszyklen von Produkt, Maschine und Anlage fließen ins Engineering ein und ermöglichen ggf. Anpassungen. So sollen zukünftig Planungs- und Engineering-Prozesse vor der Umsetzung in der virtuellen Welt beschleunigt und abgesichert werden. Zur Optimierung von Engineeringund Produktionsprozessen soll außerdem die Auswertung aus Felddaten einfließen. Ziel ist zudem die flexible Umsetzung von individuellen Kundenanforderungen.

7. Sichere Wertschöpfungsnetzwerke
Jede Maschine, alle Produkte, aber auch der arbeitende Mensch hat eine eigene Codierung zur Rückverfolgbarkeit und Überprüfung von Prozessen. Damit verbunden ist zugleich aber auch mit der Möglichkeit der Überwachung. Eine enge und sichere Zusammenarbeit von Mensch und Maschine und Datensicherheit mit Schutz vor Sabotage sind hier die Themen der Zukunft.

Wie werden diese Merkmale von Industrie 4.0 aber nun in der Pharmaindustrie umgesetzt?

Die Digitalisierung verändert die Produktion nachhaltig. Die manuelle Produktion wird auch in der Pharmaindustrie in Zukunft immer weniger werden - zugunsten einer hochautomatisierten Produktion. Ziel ist es, schneller und nachhaltiger zu produzieren. Prozessund Fertigungsindustrie profitieren dabei von einer nahtlosen Integration von Daten aus Produktion, Qualität und Lieferantenkette. Pharmahersteller können dadurch flexibel auf die Wünsche des Marktes reagieren. Am Beispiel von Unternehmen wie Pfizer und Uhlmann zeigte Prof. Dr. Schröder bereits umgesetzte Automatisierungen in der Pharmaindustrie - die Automation aller Transportwege, computergesteuerte Prozessführung und elektronische Dokumentation. So gibt es computergesteuerte Fahrzeuge in der Produktion, eine automatisierte Verpackung von Paletten und ein automatisches Hochregallager.

Eine kontinuierliche Produktion über mehrere Wochen ohne Unterbrechung Tag und Nacht wie bei Pfizer CMF - Continuous Manufacturing in Freiburg hängt auch stark von einer optimalen, miteinander vernetzten Zuliefer- und Logistikkette ab. Dort werden manuelle Prozesse in der Herstellung von Tabletten und Kapseln automatisiert (Continous Dispensing) und damit der Prozessfluss optimiert.

Track und Trace Prof. Schröder ging im Weiteren auf Track & Trace ein und beschrieb den individuellen Schutz vor Fälschungen am Beispiel von Viagra, Krebsmitteln und Impfstoff en über die Rückverfolgbarkeit.

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Das Problem beim globalen Track und Trace sind die vielen unterschiedlichen Anforderungen je Nation / Land und die verschiedenen Fristen. Hier sei es absolut notwendig, in Zukunft eine Logistik und ein passendes Datenmanagement aufzubauen, das all die verschiedenen Aspekte berücksichtigt. Ein End-to-end Verifikationssystem beschreibt den nachvollziehbaren Weg des Produkts zu jeder Zeit vom Pharmazeutischen Hersteller über den Großhändler weiter zur Apotheke/Klinik bis zum Patienten mit Rezept.

Die Referentin fasste die wichtigsten Herausforderungen für die Unternehmen in der Zukunft wie folgt zusammen:

  • weltweit unterschiedliche Fertigungsstätten und verschiedene Regularien in den Ländern
  • unterschiedliche Zeitrahmen und -fristen an den unterschiedlichen Standorten, sowie vielfältige Produktanforderungen- und merkmale für unterschiedliche Märkte
  • variable Produktionskostenentwicklung und Produktivität und der Umgang mit den Herausforderungen in den Bereichen Datenkomplexität und Datenmanagement

Das Gesamtfazit: Weg von Eisen und Stahl hin zu Daten und Software

Die wesentlichen Ziele der Digitalisierung stellte Prof. Schröder am Beispiel von Uhlmann vor. Diese sind u.a.: Lösungsangebote für Kunden - z.B. durch digitale Absatzwege - noch attraktiver zu machen und durch die Entwicklung digitaler Anwendungen und Infrastruktur das Wachstum des Unternehmens zu erhöhen. Auch die Neugewinnung von Kunden durch ein vielfältiges digitales Angebot gehört zu den Zielen, genauso wie die Anpassung interner Prozesse an die Anforderungen der digitalen Welt.

Abschließend stellte sie noch einige kritische Fragen zum Thema GMP - dabei u.a.:

  • Passen der GMP-Leitfaden und das derzeitige Konzept der Validierung noch?
  • Wie sieht die Ausbildung des Mitarbeiters in der Pharmaindustrie in Zukunft aus?

Hierzu stellte die Professorin auch die verschiedenen Studienbereiche der Hochschule Albstadt Sigmaringen vor - und wie die Hochschule Studenten fit für die Industrie 4.0 machen will.

 

Autorin:
Annette Dehmel-Feuerhelm
... arbeitet beim gemeinnützigen Bildungsträger BBQ Berufliche Bildung gGmbH und ist als externe Betriebliche Sozialberaterin vor Ort in mehreren Unternehmen in Baden-Württemberg im Einsatz.

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