Gute Vertriebspraxis - Konzepte und Rechtsverhältnisse

    

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In der Einleitung zu den Leitlinien vom 5. November 2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (2013/C 343/01) heißt es, dass durch die Einhaltung dieser Leitlinien "eine Kontrolle der Vertriebskette sichergestellt und somit die Qualität und Unversehrtheit von Arzneimitteln aufrechterhalten" wird¹. Aber die Vertriebswege sind oft kompliziert. Der folgende Überblick fasst deshalb einige Möglichkeiten zusammen:

Hersteller-Direktvertrieb

Hier erfolgt der Verkauf von selbst freigegebenen Arzneimitteln unter eigener Rechnung und Verantwortung. Der Hersteller bzw. pharmazeutische Unternehmer (PU) beliefert selbst die qualifizierten Empfänger (z.B. Apotheken, Krankenhausapotheken, Apotheken mit Großhandelserlaubnis) über eigene oder beauftragte Logistikzentren. Die Herstellerlaubnis beinhaltet die Großhandelserlaubnis für diese Produkte.

Eine Verantwortliche Person entsprechend Kapitel 2.2 GDP Richtlinie muss beim Hersteller/PU nicht gemeldet werden, allerdings sind ihre Aufgaben zu erfüllen und innerbetrieblich festzulegen. Die GDP-Verantwortung liegt damit vollständig beim Hersteller und den dort benannten verantwortlichen Personen.

Vertrieb über den Großhandel

Die Arzneimittel werden an einen Großhändler veräußert und von diesem unter eigener Rechnung und Verantwortung an Dritte weiterverkauft. Dabei unterliegt der vollsortimentierte Großhandel einer "Public Service Obligation". Das heißt, die Lieferfähigkeit an die Apotheken muss gemäß §52b Abs. 2 AMG sichergestellt sein. Für den Großhandel ist eine Großhandelserlaubnis entsprechend §52a AMG bzw. Art. 77 2001/83/EC erforderlich und die Verantwortliche Person nach Kapitel 2.2 GDP-Richtlinie muss gemeldet werden. Die GDP-Verantwortung geht ab Eigentumsübergang auf den Großhändler über; Sortimentsauswahl, Lieferregeln und Abläufe werden dann vom Großhändler festgelegt.

Vertrieb über (mehrere) Zwischenhändler

Der Vertrieb kann auch über einen oder mehrere Zwischenhändler gehen. Diese sind meist auf spezielle Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen spezialisiert, kaufen größere Mengen beim Hersteller/PU (oder einem anderen Zwischenhändler) und verkaufen diese weiter (an weitere Zwischenhändler oder einen Großhändler). Auch hierfür ist eine Großhandelserlaubnis erforderlich und die Betriebe unterliegen der Überwachung.

Vertrieb über Vermittler

Vermittler (Broker nach Kapitel 10 der EU GDP-Leitlinien) vermitteln Ware zwischen Hersteller, Zwischenhändler und Großhandel, ohne über die Arzneimittel körperlich verfügen zu können. Sie betreiben deshalb auch keine eigene Lagerhaltung. Insofern gelten die GDP-Leitlinien auch nur eingeschränkt für Vermittler. Eine Großhandelserlaubnis wird nicht erteilt und auch eine Verantwortliche Person muss nicht benannt sein. Aber es besteht eine Registrierungspflicht innerhalb der EU, in Deutschland entsprechend §§ 52c und 67 AMG. Die GDP-Verantwortung verbleibt daher zunächst beim Verkäufer, allerdings werden in Kapitel 10 der Leitlinien konkrete Forderungen an Vermittler definiert: Qualitätssicherungssystem, Umgang mit Rückrufen und Arzneimittelfälschungen sowie insbesondere die Sicherstellung, dass sowohl Käufer wie Verkäufer über eine entsprechende Herstell- oder Großhandelserlaubnis verfügen.

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Was ist dabei zu beachten?

Beim Bezug oder Vertrieb über Vermittler sind klare vertragliche Regelungen nötig, vor allem der Verantwortungsübergang Hersteller zum Händler (und Qualified Person zur Verantwortlichen Person). Dabei sind dann Vermittler von Großhandels-Aktivitäten zu trennen, und das Vorhandensein der nötigen Registrierung ist zu prüfen.

Vertrieb über sogenannte Pre-Wholesaler

Was ist ein Pre-Wholesaler? In den EU-GDP Leitlinien und den GMP-Anforderungen im Eudralex ist Pre-Wholesale nicht definiert. Der Begriff taucht in einer Bewertung der EU-Kommission zum Zusammenschluss von Alliance Boots mit der ANZAG (zwei Großhändler) auf, wo bezüglich der Frage nach einer Monopolsituation auch auf den Geschäftsbereich Pre-Wholesale eingegangen wird:
"Pre-wholesaling is the provision of logistical services to pharmaceutical manufacturers, mainly consisting in the warehousing and transportation of pharmaceutical products from the manufacturer to wholesalers, hospitals and, in some instances, to pharmacies. The suppliers of pre-wholesale services do not take title to the pharmaceutical products they are storing and ownership remains with the manufacturer until delivery. Pre-wholesalers do not have a customer relationship with the intended recipient of the products but with the manufacturers who pay a fee or commission for the service. (…) Pre-wholesaling services diff er from wholesaling in that they are services provided to the manufacturers and do not concern the purchase and sale of pharmaceuticals. Pre-wholesaling also differs from wider logistics and transportation services because pre-wholesaling requires sector-specific knowledge, and the providers need a wholesale license as well as a license for the premises where the pharmaceuticals are stored (warehousing)."²

Ein Vermittler bzw. Broker ist also dadurch definiert, dass er mit Arzneimittel handelt, ohne körperlichen Zugriff darauf zu haben. Der Pre-Wholesaler macht im Prinzip das Gegenteil - er hat Zugriff, ohne einen Eigentumstitel zu haben bzw. die Ware erwerben und verkaufen zu können. Eine normale Transportdienstleistung ist es aber auch nicht, weil der Pre-Wholesaler lagert, einzelne Packungen entnimmt, ggf. kommissioniert und entsprechend eines vom Kunden (Hersteller / PU) weitergeleiteten Auftrag eine Sendung zum Empfänger zusammenstellt und dorthin transportiert.

Laut deutschem Arzneimittelgesetz AMG wird hierfür aber kein GDP-Zertifikat ausgestellt. Entsprechend der Begriffsdefinition des Großhandels im deutschen Arzneimittelgesetz erfordert die Bewilligung einer Großhandelserlaubnis den Willen zum Handeltreiben und damit ein Eigentum an den Arzneimitteln: §4 (22) AMG: "Großhandel mit Arzneimitteln ist jede berufs- oder gewerbsmäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Beschaff ung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht…."³. Da aus deutscher Sicht ein Pre-Wholesaler formal ein Außenlager für den Hersteller in dessen (GDP-) Auftrag betreibt, generiert dies die Notwendigkeit eines entsprechenden Vertrags und eine Benennung des Außenlagers bei der Überwachungsbehörde. Daher kann auch inspiziert werden. Pre-Wholesalern in Deutschland wird in der Regel aber von den zuständigen Behörden keine entsprechende Erlaubnis (bzw. GDP-Zertifikat) erteilt. Dies gilt aber nicht für alle, denn manche Pre-Wholesaler sind Geschäftsbereiche innerhalb eines Großhändlers, anderen gelingt es, von der zuständigen Behörde nach GDP inspiziert zu werden und eine Erlaubnis zu erhalten.
Und es gibt eine Divergenz zwischen EU- und deutschem Recht. Entsprechend der GDP-Leitlinien genügt die beschriebene Tätigkeit eines Pre-Wholesalers, um eine Pflicht zur Überwachung bzw. einer Großhandelserlaubnis zu generieren: "Gemäß Artikel 1 Absatz 17 der Richtlinie 2001/83/EG gilt als Großhandelsvertrieb von Arzneimitteln "jede Tätigkeit, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Lieferung oder der Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit;" - so die Einleitung zur GDP-Richtlinie.

Unabhängig davon müssen die Verantwortlichkeiten geklärt werden: ist jetzt die Verantwortliche Person des Pre-Wholesalers verantwortlich oder die des Herstellers oder gar die Leitung der Herstellung?

Die Situation in Europa ist im Arzneimittelhandel heterogen - derzeit gibt es keine durchgehend einheitlichen Vertriebskonzepte. Hier ein paar Beispiele:

UK: Solus-Wholesale Konzept: nur ein Großhändler bekommt Ware vom Hersteller, muss aber alle Apotheken beliefern, auch wenn sie für das Restsortiment diese Apotheken nicht beliefern.
Dänemark: Öffentliche Apotheken (in Dänemark gibt es keine Ketten) werden von einem der beiden Großhändler beliefert, eine Direktbelieferung durch Pre-Wholesaler findet praktisch nicht statt
Norwegen: Es gibt fast nur Ketten-Apotheken, diese werden ausschließlich von ihren zugehörigen Konzern- Großhändlern beliefert.
Schweden: Nur zwei Großhändler am Markt, die die Arzneimittel jeweils exklusiv vertreiben und alle Apotheken beliefern; damit kaufen alle schwedischen Apotheken bei beiden Großhändlern, ohne für ein bestimmtes Produkt zwischen zwei Angeboten auswählen zu können.
Frankreich: Einkaufsgenossenschaften nutzen Großhändler zur Lagerung und Auslieferung von eigenen Beständen; im Gegensatz zum Pre-Wholesale-Konzept gehört die Ware hier also bereits dem Kunden, nicht dem Hersteller.

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Verantwortlichkeiten

Theoretisch endet die Verantwortung einer Sachkundigen Person (QP) mit der Chargenfreigabe, danach geht die Ware in den Verantwortungsbereich der Verantwortlichen Person nach GDP über (auch Responsible Person, RP). Teilweise können Aufgaben der RP des Herstellers durch andere Verantwortungsträger übernommen werden, um Überlappungen zu vermeiden; hier hilft eine Stellenbeschreibung. Grundsätzlich bestehen diese Verantwortlichkeiten auch bei Lagerung und Vertrieb durch den Pre-Wholesaler. Eine Verantwortungsübernahme durch eine RP des Pre-Wholesalers ist möglich, falls klare vertragliche Regelungen bestehen und der Pre-Wholesaler entsprechend qualifiziert wurde.

Autoren:
Konrad Betzler
... ist Apotheker und Chief Pharma Officer bei der Haselmeier GmbH. Davor war er u.a. Leiter Quality Governance bei der Celesio AG und Qualified Person bei Catalent Pharma Solutions.

Wolfgang Schmitt
... wechselte 2006 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Qualitätssicherung, GMP und GDP.

Fußnoten:
¹ Einleitung zu den Leitlinien vom 5. November 2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (2013/C 343/01):"Die Leitlinien enthalten geeignete Instrumente, die die Großhändler bei ihrer Tätigkeit unterstützen und verhindern sollen, dass gefälschte Arzneimittel in die legale Lieferkette gelangen. Durch die Einhaltung dieser Leitlinien wird eine Kontrolle der Vertriebskette sichergestellt und somit die Qualität und Unversehrtheit von Arzneimitteln aufrechterhalten."
² Quelle: Case No COMP/M.6044 -ALLIANCE BOOTS/ANDREAE-NORIS ZAHN In electronic form on the EUR-Lex website under document number 32010M6044
³ Dies wurde von den deutschen Überwachungsbeamten im Rahmen eines ZLG Fragen- und Antwortpapier zu GDP explizit bestätigt: Frage- & Antwortpapier EFG 09 zum Betreiben eines Großhandels mit Arzneimitteln vom 19.03.2015

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