GMP Hot Spots im Spiegel der Warning Letters - Überprüfung der Chargendokumentation und Aufklärung von Abweichungen

    

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Die Überprüfung der Chargendokumentation - der Batch Record Review - ist ein zentraler Bestandteil der GMP-gerechten Arzneimittelherstellung. Dabei müssen dokumentierte Abweichungen untersucht, nachverfolgt und über eine Ursachenermittlung aufgeklärt werden. Diese Anforderungen sind im Code of Federal Regulations 21 CFR 211.192 Production Record Review beschrieben und lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Alle Herstellungs- und Prüfprotokolle einschließlich der Dokumente zur Verpackung und Kennzeichnung müssen von der Qualitätseinheit überprüft und genehmigt werden. Dabei wird die Übereinstimmung mit den genehmigten Verfahrensanweisungen und Spezifikationen bestätigt. Dies erfolgt vor Freigabe der Charge oder ihrem Versand.

Jede unerklärliche Abweichung einer Charge oder einer ihrer Bestandteile oder die Nichteinhaltung der Spezifikationen (einschließlich der Über- oder Unterschreitung der in den Verfahrens- und Prüfanweisungen festgelegten theoretischen Ausbeute) muss gründlich untersucht werden und zwar unabhängig davon, ob die Charge bereits verteilt oder versendet wurde.

Diese Untersuchung ist auch auf andere Chargen desselben Arzneimittels auszudehnen sowie auch auf andere Arzneimittel, die mit derselben Abweichung in Verbindung stehen.

Zu diesen Untersuchungen ist ein Protokoll zu erstellen, das Schlussfolgerungen und Folgemaßnahmen enthält.

Während einer Inspektion richten die FDA-Inspektoren ihr Augenmerk besonders auf Abweichungen und das Nichteinhalten von festgelegten Vorgaben bzw. Spezifikationen in allen Bereichen und den Umgang der Qualitätseinheit mit den "failures". Die Richtlinien für ihre Arbeit vor Ort finden die Inspektoren in den Guides to Inspections. Beispielsweise enthält der Guide to Inspections of Foreign Pharmaceutical Manufacturers folgenden Hinweis:

While at the firm the inspection team should evaluate all process failures, product failures, failures in laboratory tests, and process changes. Process failures and process changes are important because they have a significant impact on the adequacy of process validation. Attention should be given to all reports of failure investigations of any batches requiring rework or reprocessing.

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Selbstverständlich wenden die Inspektoren diese Vorgehensweise nicht nur bei Inspektionen ausländischer sondern auch US-amerikanischer Betriebsstätten an.

Ein Blick auf die Statistik der Warning Letters der vergangenen Fiskaljahre zeigt, dass Verstöße gegen den Paragrafen 211.192 stets im Durchschnitt in jedem dritten Warning Letter und damit unter den Top Ten der am häufigsten zitierten Mängel zu finden sind (s. Abbildung 1).

Abbildung 1: Prozentualer Anteil an Warning Letters mit Mängelrügen zu Batch Record Review und Aufklärung von Abweichungen nach 21 CFR 211.192 der letzten 5 Fiskaljahre

Auch in den bis zum März 2025 veröffentlichten Waring Letters liegt die Häufigkeit der Verstöße gegen die Vorgaben des Paragrafen 211.192 bei annähernd 30%.

Die in den Warning Letters beschriebenen Mängel bei der Aufklärung und Nachverfolgung von Abweichungen betreffen im Wesentlichen folgende Bereiche:

Abweichungen im Produktionsbereich

Häufig finden die Inspektoren, dass Überschreitungen von mikrobiellen Grenzwerten bzw. Grenzwerte für Partikel im aseptischen Herstellungsbereich (z. T. auch in Systemen für Wasser, das im Produktionsprozess verwendet wird) zwar dokumentiert aber nicht entsprechend nachverfolgt werden. In vielen Fällen wird eine Fehlersuche ergebnislos beendet und Nachforschungen, zum Teil trotz Rückweisung der Charge, eingestellt. Dasselbe gilt auch für Fehler in der Produktionsausrüstung, z. B. technische Mängel.

Nachforderungen der FDA

Die FDA stellt zu jedem Verstoß gegen die CFR 211-Paragrafen konkrete, auf den speziellen Mangel bezogene Nachforderungen von Dokumenten, Berichten und Nachweisen.

Bei Mängeln im Produktionsbereich wird folgendes gefordert:

  • Eine umfassende, unabhängig erstellte Bewertung des Systems zur Ursachenforschung bei Abweichungen, Beanstandungen, OOS-Resultaten und nicht GMP-konformen Chargen
  • Einen Aktionsplan zur Verbesserung dieses Systems sowie des CAPA-Programms. Dieser Aktionsplan soll mindestens folgendes enthalten: Verbesserung der Fähigkeit des Personals, Ursachenforschungen durchzuführen, Maßnahmen zur Steigerung der CAPA-Effizienz, zur verbesserten Oberaufsicht durch die Qualitätseinheit und eine klare Beschreibung, wie sichergestellt wird, dass alle Phasen einer Nachforschung adäquat durchgeführt werden.
  • Eine unabhängige, retrospektive Untersuchung aller Abweichungen bei der Herstellung von Chargen, die sich bereits auf dem Markt befinden.
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Abweichungen im Qualitätskontrollbereich

Bei der Inspektion der Dokumentation im Labor stoßen die Inspektoren immer wieder auf den mangelhaften Umgang mit OOS-Resultaten. Häufig ist das Retest-Prozedere bei Erhalt eines anfänglichen OOS-Resultats wissenschaftlich nicht haltbar. Auch stehen die entsprechenden Analysenergebnisse für eine retrospektive Überprüfung nicht mehr zur Verfügung, da sie nicht archiviert wurden.

Dies ist auch ein klarer Verstoß gegen die FDA Guidance Investigating Out-of-Specification (OOS) Test Results for Pharmaceutical Production, in der der korrekte Umgang mit OOS-Ergebnissen, z. B. das wiederholte Testen nach und das Invalidieren von OOS-Ergebnissen beschrieben wird.

Nachforderungen der FDA

Die FDA verlangt von den Firmen z. T. eine umfangreiche Dokumentation zur Handhabung von OOS-Resultaten und retrospektive Nachweise in Bezug auf Chargen, die bereits für den Markt freigegeben sind. Die Nachforderungen lauten:

  • Eine vollständige Bewertung des Dokumentationssystems im Herstellungs- und Laborbereich. Diese Bewertung soll einen CAPA-Plan enthalten, der eine umfassende Verbesserung der Dokumentationspraxis beschreibt.
  • Eine unabhängige, retrospektive Überprüfung aller invalidierten OOS-Resultate bei Inprozesskontrollen, Freigabeprüfungen und Stabilitätsstudien. Dabei soll ermittelt werden, ob ein Laborfehler als Ursache eindeutig identifiziert werden kann. In diesem Fall ist zu beschreiben, wie sichergestellt wird, dass der Laborfehler beseitigt wird.
  • Für Ursachen, die durch die retrospektive Prüfung nicht eindeutig ermittelt werden können, ist eine vollständige Überprüfung der Herstellungsdokumentation durchzuführen. Hierbei müssen z. B. die Eignung der Produktionsausrüstung, die Schwankungen der Qualität von Ausgangsmaterialien, die Historie von Abweichungen, Beanstandungen und nicht konformen Chargen mit einbezogen werden. Zusammenfassend müssen wahrscheinliche Ursachen für jede Abweichung benannt werden.
  • Ein umfassender, detaillierter Plan für die Verbesserung der Ursachenforschung bei OOS-Resultaten

Versagen der Qualitätssicherung

Häufig werden in den Warning Letters Verstöße gegen den Paragrafen 211.192 als ein Unterpunkt des Paragrafen 211.22 Responsibilities of quality control unit zitiert. Die Verantwortung der Qualitätssicherung besteht in der Überwachung der verschiedenen Qualitätssysteme, wie in der Guidance for Industry Quality Systems Approach to Pharmaceutical CGMP Regulations beschrieben. In dieser Guidance wird auch der Paragraf 211.192 den verschiedenen Qualitätssystem-Elementen (build QS, system review, address nonconformities, corrective action) zugeordnet.

In der Regel wird in den Warning Letters das Versagen der Qualitätssicherung wie folgt formuliert:

Your quality unit (QU) did not provide adequate oversight for the manufacture of your drug products. For example, your QU failed to ensure the following:

- Adequate investigations into non-conformances (21 CFR 211.192).

Letztlich fällt es also in den Verantwortlichkeitsbereich der Qualitätssicherung, dass der Umgang mit Abweichungen und die Ursachenforschung über entsprechende Verfahrensanweisungen geregelt und sichergestellt wird.

Nachforderungen der FDA

Hier verlangt die FDA vor allem Nachweise über die Ausübung der "oversight" durch die Quality Unit. Folgende Dokumentemüssen die Firmen dann zur Verfügung stellen:

  • Eine umfassende Bewertung und einen Sanierungsplan zur Ausübung der Verantwortung der Qualitätssicherung. Diese Bewertung muss folgendes enthalten:
    - Eine Stellungnahme zur Robustheit und Eignung aller qualitätsbezogener Verfahrensanweisungen
    - Dokumente mit Vorgaben, die die Überwachungsfunktion der Qualitätseinheit beschreiben
    - Eine vollständige Überprüfung jeder Charge und der dazugehörigen Informationen vor der Freigabeentscheidung durch die Qualitätseinheit.

Die Aufklärung der Ursachen von Abweichungen in der Herstellung und Qualitätskontrolle ist eine Grundanforderung der cGMP-Regeln. Die Menge an Dokumenten, Nachweisen, Stellungnahmen und Bewertungen, die die FDA bei Verstößen gegen den Paragrafen 211.192 nachfordert, zeigt, wie ernst die Behörde eine korrektes Abweichungsmanagement nimmt. Eine Ursachenforschung, die zwar durchgeführt, aber nicht durch eine vollständige Aufklärung und nachfolgende Korrekturmaßnahmen abgeschlossen wird, gilt ebenso als Verstoß wie eine nicht durchgeführte investigation. Daher sollte im Vorfeld einer FDA-Inspektion auf diesem Thema besondere Aufmerksamkeit liegen.

Hinweis: Auf dem Mitgliederbereich der ECA finden Sie die kompletten Analysen der Warning Letters der Fiskaljahre 2023 und 2024 sowie weitere in diesem Kontext relevante Dokumente.

 

Über den Autor:
Dr. Gerhard Becker
... ist seit 2002 bei CONCEPT HEIDELBERG und seither Fachbereichsleiter für die Themen Wirkstoffe und Dokumentation

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