GMP für ATMPs - Roundtable-Diskussion

    

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Vor der diesjährigen ATMP-Konferenz in Wien organisierte die ATMP Interest Group der ECA einen Roundtable mit Vertretern aus Behörden, Industrie und Wissenschaft. Damit sollte eine Plattform für den Erfahrungsaustausch über die im Mai 2018 in Kraft getretenen GMP-Richtlinien für Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMPs) geschaffen werden, auf der durch Information und Interpretation dieser neuen Leitlinien der Übergang zu einem harmonisierten GMP- und Regulierungsrahmen gefördert werden soll.

Die Teilnehmer der Diskussion wurden im Vorfeld gebeten, wichtige und interessante Themen und Fragen aus ihrer täglichen Arbeit auszuwählen und im Rahmen der Veranstaltung zu präsentieren und damit zur Diskussion zu stellen.

Entstehung der ECA ATMP Interest Group

Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 - dem allgemeinen Rechtsrahmen für ATMPs in Europa - im Jahr 2007 begann die ECA gleichzeitig mit der Bewertung des Interesses an Seminaren für ATMPs und an zusätzlichen Aktivitäten für zellbasierte Produkte. Das anfängliche Interesse war jedoch begrenzt. Der Hauptgrund dafür mag gewesen sein, dass sich viele Unternehmen noch in der frühen Entwicklungsphase befanden. Um ihre Mitglieder jedoch über die Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten, nahm die ECA weiterhin ATMP-Themen in ihre Newsletter auf und organisierte alle zwei Jahre Seminare zu GMP für ATMPs.

Aufgrund vielversprechender Ergebnisse und steigender Investitionen in die Entwicklung von ATMPs hat inzwischen eine wachsende Zahl von Institutionen und Unternehmen die Phase der klinischen Prüfung und GMP-gerechten Herstellung sowie der Zulassung erreicht. Diese Entwicklung hat zu einem steigenden Interesse der ECA-Mitglieder am Thema ATMPs geführt.

Mit dem Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zu GMP für ATMPs, der während des ECA-ATMPs- Workshops im April 2017 intensiv diskutiert wurde, wurden die GMP-Anforderungen stärker hinterfragt. Während dieser Veranstaltung bat die ECA um Rückmeldung der Teilnehmer, ob eine ECA Interest Group für ATMPs von Interesse wäre. Mehrere Teilnehmer zeigten sich interessiert. Gleichzeitig haben die an ATMPs beteiligten QPs innerhalb der European Qualified Person Association eine Initiative zur Diskussion des Themas gestartet (insbesondere innerhalb der IMP-Arbeitsgruppe).

Um das zunehmende Interesse zu koordinieren, beschloss die ECA, eine gemeinsame ATMP Interest Group einzurichten. Die Gruppe wird von einem Board geleitet, das aus neun Mitgliedern aus Industrie und Wissenschaft besteht und von zwei Behördenvertretern begleitet wird. Das Board hatte seine erste Sitzung im Juni 2018, wo die ersten Aktivitäten geplant wurden. Die Gruppe beschloss, sich auf die GMP-Richtlinien für ATMPs zu konzentrieren und die Diskussion zwischen den Behörden auf der einen Seite und der Industrie und Wissenschaft auf der anderen Seite zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Diskussionsrunde in Wien organisiert, über die nachfolgend berichtet wird.

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Klassische im Vergleich zu spezifischen GMPs für ATMPs

Bereits 2018 auf der ECA ATMP-Konferenz in Berlin waren viele Referenten und Teilnehmer unzufrieden mit der Entscheidung der Europäischen Kommission, die GMP-Richtlinien für ATMPs als eigenständiges Dokument zu veröffentlichen, anstatt sie in die bestehenden GMP-Richtlinien zu integrieren. Ein Jahr später in Wien wurde diese Haltung erneut bestätigt. Die große Sorge aller Beteiligten ist, dass die klassischen GMP-Regelungen (Eudralex Volume 4 Part I für Arzneimittel und Part II für Wirkstoffe) und die ATMP-spezifischen GMP-Regelungen (Part IV) im Laufe der Zeit voneinander abweichen werden, da die spezifischen ATMP-Richtlinien kaum jede Änderung an einem Kapitel oder Anhang von Part I oder II nachvollziehen können. Insbesondere die bevorstehende Überarbeitung von Annex 1 zur Herstellung steriler Arzneimittel könnte zu ersten größeren Abweichungen führen.
Dies stellt eine besondere Herausforderung für GMP-Inspektoren dar, die häufig sowohl klassische Anlagen zur aseptischen Herstellung als auch AMTP-Hersteller inspizieren. Aber auch ATMP-Hersteller sind sich teilweise unsicher, wie sie die neuen GMP-Richtlinien für ATMPs interpretieren sollen. Da die neuen Leitlinien den risikobasierten Ansatz stark betonen und daher in einigen Bestimmungen im Vergleich zu Teil I weniger detailliert sind, können sie in unterschiedlicher Richtung ausgelegt werden. Im Gegensatz dazu sind vor allem die Kapitel und Anhänge von Teil I im Laufe der Zeit gewachsen und viel klarer und eindeutiger formuliert.
Aus diesem Grund wird Teil I häufig immer noch als Grundlage für ATMP-Inspektionen verwendet, obwohl er dafür eigentlich nicht gilt. Eine weitere Herausforderung ist, dass ATMPs derzeit überwiegend von kleinen Unternehmen oder akademischen Institutionen entwickelt und produziert werden, die nicht so viel Erfahrung im Umgang mit den allgemeinen GMP-Regeln haben und oft über begrenzte personelle und materielle Ressourcen verfügen. Dies könnte der Grund dafür sein, dass Behördenvertreter der Diskussionsrunde berichteten, dass Inspektionsbefunde oft nicht ATMP-spezifisch sind, sondern mit allgemeinen Fragen des Qualitätsmanagements (z.B. Änderungskontrolle, Umgang mit Abweichungen oder CAPA-Management) verbunden sind. Leider bieten insbesondere die Abschnitte über die grundlegenden GMP-Anforderungen von Teil IV nur eine eingeschränkte Anleitung im Vergleich zu Teil I. Im Zusammenhang mit begrenzten Ressourcen berichtete Yolanda van Kooij vom niederländischen Gesundheits- und Jugendinspektorat (HYCI) über eine interessante Initiative der niederländischen Krankenhausapotheker, die sich zusammengeschlossen haben, um Audits zur Lieferantenqualifizierung durchzuführen.

Schließlich diskutierte die Gruppe die Anforderungen an Geräte und Anlagen in Bezug auf Kreuzkontaminationen. Derzeit scheint es, dass nur eine begrenzte Anzahl von ATMP-Herstellern dedizierte ATMP-Produktionsstätten betreibt, während es sich bei einer großen Anzahl von Anlagen um Multi-Produkt-Standorte handelt, in denen nicht nur verschiedene Arten von ATMPs, sondern auch andere Arten von Arzneimitteln hergestellt werden. Die Unsicherheit darüber, wie die neuen Vorschriften über Kreuzkontaminationen und die gleichzeitige Herstellung verschiedener Chargen oder Produkte auszulegen sind, zeigte sich auch in den Diskussionen der ECA-ATMP-Konferenz in den folgenden Tagen. Eine wichtige Frage im Hinblick auf die gleichzeitige Herstellung von ATMPs scheint zu sein, wie geschlossen die sogenannten "cosed systems" wirklich sind.

Spezifikationen

Dr. Christoph Mück von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (AGES) berichtete über seine Erfahrungen bei der Beurteilung von Zulassungsanträgen (MAA) von ATMPs. Er betonte, dass die Definition kritischer Qualitätsmerkmale und geeigneter Spezifikationen sowie die Vorlage aussagekräftiger Daten für die Bewertung der Qualität und Vergleichbarkeit eines Produkts von grundlegender Bedeutung sind und dass die Antragsteller diesen Fragen besondere Aufmerksamkeit schenken sollten.

Die komplexen Herstellungsprozesse für ATMPs werden in der präklinischen und klinischen Entwicklungsphase oft noch erheblich verändert und erfordern daher möglicherweise Kompatibilitätsstudien, die den geltenden ICH-Richtlinien folgen sollten. Ein entsprechender Nachweis der Vergleichbarkeit von Material vor und nach Änderung des Herstellungsprozesses ist für die MAA-Bewertung unerlässlich. Für Freigabe-Assays können Brückenstudien zwischen alten und neuen/optimierten Assays erforderlich sein. Wie sich in der Diskussion zeigte, stellt der Mangel an geeigneten Daten aus den frühen Entwicklungsphasen eine Herausforderung dar. Häufig ist den Antragstellern die Relevanz von Vergleichsstudien für spätere Entwicklungsphasen nicht klar. Dies kann zu der Frage führen, ob präklinische Daten für ein Produkt in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien überhaupt noch anwendbar sind.

Ein weiteres sicherheitsrelevantes Thema sind Verunreinigungen, die bei ATMPs oft wesentlich diverser sind als in anderen Biologika. Sie stammen sowohl aus den komplexen Herstellungsprozessen als auch aus den komplexen Produkten und deren Ausgangsstoff en. Antragsteller sollten sich gründlich mit potentiellen Verunreinigungen auseinandersetzen.

Ein aktuelles Thema in Bezug auf Produktspezifikationen ist die Möglichkeit, OOS-Chargen verwenden zu können (siehe unten) und die Frage, wie man mit OOS-Ergebnissen in Sterilitätstests umgeht. Die Gruppe diskutierte, wie der risikobasierte Ansatz bei OOS-Ergebnissen in Bezug auf Sterilität angewendet werden könnte und ob das Konzept der Sterilitätsanforderung mit Fokus auf Keimbelastungen geändert werden könnte.

Import von ATMPs aus Drittländern

Kommerzielle Produkte rückten mit der Frage nach erneuter Testung für ATMPs nach deren Einfuhr aus Drittländern in den Mittelpunkt. Da ATMPs von den meisten Mutual Recognition Agreements (MRA) ausgeschlossen sind, ist ein vollständiger Retest beim Import gemäß den Richtlinien zwingend erforderlich. Lediglich aufgrund einer begrenzten Chargengröße könnte ein Verzicht darauf gerechtfertigt werden. Aber was ist mit den anderen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit ATMPs - wie z.B. der kurzen Haltbarkeit der Produkte? Die Gruppe erörterte, dass Erleichterungen bei der Freigabeprüfung von ATMPs (z.B. mikrobiologische Prüfung von Surrogatmaterial aus Zwischenproduktionsstufen) in der Vergangenheit von den Behörden akzeptiert wurden. Allerdings werden diese Fragen bisher hauptsächlich im Rahmen der Produktfreigabe diskutiert und weniger im Hinblick auf die Einfuhr aus Drittländern. Daher sollten Antragsteller die Anforderung frühzeitig mit den Behörden besprechen. Das Concept paper on new guidance for importers of medicinal products, EMA/238299/ 2015, sollte dabei berücksichtigt werden.

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Umgang mit OOS-Produkten

Eines der am intensivsten diskutierten Themen des Tages war der mögliche Umgang mit OOS-Produkten, den die spezifischen GMP-Richtlinien für ATMPs unter bestimmten Voraussetzungen zulassen. Die Teilnehmer tauschten ihre Erfahrungen aus und diskutierten mögliche Prozesse sowie Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen. Ein wichtiger Diskussionspunkt war, ob OOS-Chargen von einer Sachkundigen Person freigegeben und damit zertifiziert werden müssen, um ihre Verabreichung zu ermöglichen, oder ob sie im Gegenteil überhaupt nicht freigegeben werden dürfen, da sie den Freigabespezifikationen nicht entsprechen. Klar ist, dass in der entsprechenden Passage in den spezifischen GMP-Richtlinien für ATMPs das Wort "Freigabe" nicht erwähnt wird. Aber was bedeutet das für die Umsetzung eines möglichen Verfahrens im Qualitätsmanagement- System? Wie kann eine Risikobewertung durchgeführt werden? Wie soll der Prozess dokumentiert werden? Was ist die Verantwortung des behandelnden Arztes? Gibt es eine Verantwortung der QP? Welche OOS-Parameter können eine Anwendung überhaupt rechtfertigen? Die Gruppe war sich einig, dass ATMPs aufgrund ihrer Komplexität und Variabilität des Ausgangsmaterials menschlichen Ursprungs generell anfällig für OOS-Ergebnisse sind und dass sich die Hersteller auf diese Fälle vorbereiten sollten. Wie immer im Rahmen von GMP ist es zwingend erforderlich, ein detailliertes schriftliches Verfahren einzuführen und den Vorfall nach seinem Auftreten gründlich zu dokumentieren. Nicht in den Richtlinien erwähnt ist die Rolle der Patienten, die ein OOS-Produkt erhalten sollen. Die Gruppe war sich auch darin einig, dass betroffene Patienten über das OOS-Ergebnis informiert werden sollten, dass sie aber nicht entscheiden sollten, ob sie das Produkt erhalten möchten oder nicht. In klinischen Studien kann es ratsam sein, das Verfahren für OOS-Batches sowie mögliche Risiken im Vorfeld mit dem Prüfer zu besprechen. Diese Informationen können auch Teil der Investigator's Brochure sein. Weitere Hinweise zum Umgang mit OOS-Batches von zugelassenen ATMPs finden Sie in einem von der EMA im April dieses Jahres veröffentlichten Q&A-Papier.1

Training von GMP-Inspektoren für ATMPs

Ein interessanter Vortrag, der nicht in direktem Zusammenhang mit den GMP-Richtlinien für ATMPs stand, war Yolanda van Kooijs Ausführungen zum Schulungssystem für GMP-Inspektoren in den Niederlanden. Das niederländische Gesundheits- und Jugendinspektorat (HYCI) verfügt über spezialisierte Inspektoren für ATMPs, die sich von denen für Zellen und Gewebe unterscheiden. GMP-Inspektoren für ATMPs in den Niederlanden haben unterschiedliche berufliche Qualifikationen und können sowohl Biologen als auch Pharmazeuten sein. Für die Qualifikation neuer Inspektoren existiert ein internes Ausbildungskonzept, das unter anderem vorsieht, dass erfahrene Inspektoren von neu qualifizierten Inspektoren begleitet werden. Neben dieser internen Schulung wird darauf geachtet, dass einzelne Inspektoren auch an externen Veranstaltungen teilnehmen. Die Inspektoren, die an externen Schulungen, Workshops oder Konferenzen teilnehmen, berichten über diese Veranstaltungen im ATMP-Team und fungieren so als Multiplikatoren. Für die Vorbereitung der Inspektionen werden diejenigen Prüfer hinzugezogen, die das MAA oder CTA erteilt haben und somit mit den einzelnen Produkten und den Anforderungen an die Produktion und Qualitätskontrolle vertraut sind. Sie können Auskunft darüber geben, welche Aspekte bei der Inspektion besonders zu berücksichtigen sind. Die Ergebnisse der Inspektion werden abschließend mit dem gesamten ATMP-Team diskutiert, um Wissen zu vermitteln und die Überwachung zu harmonisieren.

Fazit

Der Roundtable-Workshop wurde nach sehr konstruktiven Diskussionen über gemeinsame Erfahrungen abgeschlossen. In diesem offenen Umfeld entstanden neue Ideen für weitere Aktivitäten, die im nächsten Arbeitsplan der ATMP-Interessengruppe umgesetzt werden. Informationen dazu finden sich auch auf der Website der ATMP Interest Group unter www.atmp-group.org.

 

Autorinnen:
Dr. Sabine Hauck
... arbeitet für die Leukocare AG und ist Chair der ECA ATMP Interest Group.
Dr. Andrea Hauser
... arbeitet für das Universitätsklinikum Regensburg und ist Vice Chair der ECA ATMP Interest Group.
 

Fußnoten:
1 "Questions and answers on the use of out-of-specification batches of authorised cell/tissue-based advanced therapy medicinal products", 24 April 2019, EMA/CAT/224381/2019

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