GMP Entwicklungen 2022/2023

    

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Auch im Jahr 2022 hat sich wieder einiges getan im GMP-Umfeld. Im nachfolgenden Artikel finden Sie zusammengefasst ein paar ausgewählte Highlights.

Neue Tierarzneimittelgesetzgebung

Die Verordnung 2019/6, allgemein bekannt als die neue Tierarzneimittelverordnung ("new veterinary regulation", NVR), regelt die Zulassung, Verwendung und Überwachung von Tierarzneimitteln in der Europäischen Union. Die Rechtsvorschriften traten am 28. Januar 2019 in Kraft und werden seit dem 28. Januar 2022 in allen EU-Mitgliedstaaten angewendet. Ziel war, ein zweckmäßiges Tierarzneimittelrecht zu entwickeln, das nicht mehr auf den entsprechenden Vorgaben für Humanarzneimittel basiert.

Als EU-Verordnung (Regulation) gilt die EU-Tierarzneimittelverordnung (Verordnung (EU) 2019/6) unmittelbar in den Mitgliedstaaten und löste die bislang geltende Tierarzneimittel- Richtlinie (Directive) 2001/82/EG ab.

Zur Umsetzung wurde in Deutschland ein komplett neues Tierarzneimittelgesetz eingeführt. Dieses trat ebenso zum 28. Januar 2022 in Kraft, stellt aber keine komplette Übernahme der EU-Vorgaben dar. Für Details, auch z.B. zu Anforderungen an die sachkundige Person (Qualified Person, QP), sind daher die europäischen Vorgabedokumente maßgebend.

In diesem Zusammenhang hat die Europäische Arzneimittel- Agentur (EMA) auf ihrer Webseite die Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Guten Herstellungspraxis (GMP) und zur Guten Vertriebspraxis (GDP)1 angepasst. In dem neuen Kapitel geht es um Anforderungen an Wirkstoffe, die als Ausgangsstoffe für die Herstellung von Tierarzneimitteln verwendet werden.

AMG-Änderung

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass für bestimmte Krisensituationen zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln Abweichungen von den arzneimittelrechtlichen Vorschriften wie Arzneimittelgesetz (AMG) und Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) notwendig werden können. Bislang wurde dies auf Regelungen im Infektionsschutzgesetz und der "Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung" (MedBVSV) gewährleistet. Die AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung sah bislang für die Bereiche der Bundeswehr, Bundespolizei, Bereitschaftspolizei, des Zivil- und Katastrophenschutzes und für die Aufgaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) Ausnahmen von den Vorschriften des AMG vor.

Ein Referentenentwurf des BMG für eine zweite Verordnung zur Änderung der AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung sollte die bereits bestehenden Ausnahmen von den Vorschriften des AMG und der AMWHV sicherstellen2. Diesem wurde nach wenigen redaktionellen Änderungen im Oktober zugestimmt3. Die finale zweite Verordnung zur Änderung der AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung wurde im Oktober im Bundesgesetzblatt verkündet4.

EU-GMP

Anhang 1

Nach mehr als fünf Jahren und zwei öffentlichen Entwürfen zur Kommentierung hat die European Commission im August 2022 die finale Version des neuen Anhang 1 zu den EU-GMP Leitlinien veröffentlicht. Der neue Anhang 1 mit dem Titel "Manufacture of Sterile Medicinal Products" tritt zum 25. August 2023 in Kraft, also ein Jahr nach der Veröffentlichung in Eudralex Volume 4. Einzig in Bezug auf das Kapitel 8.123 "Produkttransfer/ Lade-/Entladebereiche bei Gefriertrocknern" beträgt die Frist zwei Jahre, geht also bis zum 25. August 2024

Welche Änderungen / Ergänzungen gegenüber der zweiten Entwurfsversion von 2020 sind augenfällig?

Der Anhang 1 ist nochmals umfangreicher geworden. Die Seitenzahl hat sich von 52 auf 58 erhöht.

Die Leitung der Qualitätssicherung (QS 2)

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Heidelberg10./11. April 2024

Die Leitung der Qualitätssicherung (QS 2)

Neben der gestiegenen Bedeutung des Quality Risk Managements (QRM) und der Diskussion um Pre-Use, Post-Sterilization Integrity Testing (PUPSIT) der Filter, sticht vor allem ins Auge, dass zum ersten Mal eine übergreifende Erfassung und ein konzertiertes Management der Kontaminations-Kontrollmaßnahmen gefordert wird, "Contamination Control Strategy" (CCS) genannt. Mit der CCS sollen verschiedene Maßnahmen wie Personalhygiene, Bekleidungsvorgaben, Reinigung und Desinfektionsprozesse, Umgebungsmonitoring und Lüftungstechnik verknüpft werden.

Daneben gibt es in vielen Kapiteln neben Umformulierungen auch ein paar Streichungen.

Anhang 21

Der Anhang 21 zu den EU-GMP Leitlinien ("Importation of medicinal products") wurde in seiner finalen Version im Februar 2022 in EudraLex Vol. 4 veröffentlicht5. Gültig ist er der neue Anhang seit 21. August 2022.

Neben redaktionellen Änderungen und Anpassungen an den Anhang 16 gab es ein paar wichtige Ergänzungen und Klarstellungen:

  • Explizit eingeschlossen sind nun klinische Prüfpräparate. Nicht eingeschlossen wurden Advanced Therapeutic Medicinal Products (ATMPs) und Arzneimittel, die in der EU / EWR keine Zulassung haben und direkt wieder exportiert werden.
  • "Fiscal transactions" (physischer Verbleib des Produktes in der EU, aber Eigentümerwechsel in ein Drittland und umgekehrt) bleiben explizit ausgeschlossen.
  • Die vollständigen Chargenunterlagen müssen dem für die QP-Zertifizierung bzw. die Bestätigung der Charge zuständigen Inhaber der Herstell- und Importerlaubnis (Manufacturing / Importers Authorisation, MIA) zum Zeitpunkt der Zertifizierung bzw. Bestätigung der Charge vorliegen ("Full batch documentation must be available to the MIA holder responsible for QP certification or confirmation of the batch, as appropriate, at the time of certification or confirmation of the batch").
  • Für die QP-Zertifizierung bzw. die Bestätigung der Charge bedarf es nun auch einer Packliste, Frachtpapieren oder einer Einfuhrzollanmeldung. Die Zertifizierung einer Charge kann daher erst nach der physischen Einfuhr und der Zollabfertigung stattfinden.

Leitlinien zu Qualität und Spezifikationen für pflanzliche Arzneimittel

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat finale Leitlinien (Revision 3) zu Qualität und Spezifikationen für pflanzliche Arzneimittel (Herbal Medicinal Products = HMPs) veröffentlicht. Unter anderem soll eine schriftliche GACP-Bestätigung für den pflanzlichen Ausgangsstoff vorgelegt werden. Darüber hinaus hat das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der EMA kürzlich ein Konzeptpapier zur Überarbeitung der GACP-Leitlinie veröffentlicht. Die Frist für Kommentare endete am 1. Juni 2022.

Remote Freigaben

Im Mai hat die EMA eine kurze, einmonatige öffentliche Konsultation zum Entwurf eines Fragen und Antworten Dokuments zur Fernfreigabe (Remote Certification) von Chargen durch die sachkundige Person (Qualified Peron; QP) eröffnet: "Public Consultation concerning the physical Attendance and the Location of Personal Residency of The Qualified Person" (EMA/INS/169000/2022).

Fragen, die hier geklärt werden sollen sind:

  • Ist die Fernzertifizierung von Chargen durch die QP routinemäßig zulässig?
  • Welche Bedingungen sollten gelten?
  • Muss die QP in dem Mitgliedstaat ansässig sein, in dem sich der zugelassene Standort befindet?
  • Welches sind die technischen Anforderungen für den Fernzugriff und die Unterschrift?

Nitrosamin-Verunreinigungen: weitere Aktualisierung des Frage-Antwort Dokuments der EMA

Das von der EMA und CMDh entwickelte Frage-Antwort Dokument wird in unregelmäßigen Abständen dem jeweils neusten Stand des Wissens angepasst. Am 12. Oktober 2022 veröffentlichte die EMA auf ihrer "What's new" Webseite eine erneute Aktualisierung des Q&A Dokuments "Questions and answers for marketing authorisation holders/applicants on the CHMP Opinion for the Article 5(3) of Regulation (EC) No 726/2004 referral on nitrosamin impurities in human medicinal products"6 - mittlerweile die 14. Revision. Neu diskutiert werden Fragen zu aktuellen Grenzwerten und zu neuartigen Nitrosamin-Verunreinigungen.

Klinische Prüfpräparate

Gültigkeit der Clinical Trials Regulation

Am 31. Januar 2022 wurde die Clinical Trials Regulation 536/2014 (CTR) erstmalig anwendbar. Für Klinische Prüfungen in Europa gab es damit einige wesentliche Änderungen hinsichtlich der Abläufe und Verfahren zur Genehmigung, Durchführung und Beendigung von klinischen Prüfungen. Es gilt nun eine insgesamt dreijährige Übergangszeit, während der sowohl die Inhalte der CTR als auch die aktuelle Gesetzgebung für klinische Prüfungen Anwendung finden.

Parallel dazu hat die Europäische Kommission eine aktualisierte Version des Entwurfs der Fragen und Antworten (Q&As) zur Verordnung über klinische Prüfungen (EU) Nr. 536/2014 (CTR) veröffentlicht. Bestimmte Abschnitte des Q&A-Dokuments sind jedoch noch nicht vollständig und aktualisierte Versionen der Q&As werden nach und nach veröffentlicht7.

Finale EMA-Leitlinien zu Qualitätsanforderungen für IMPs

Die finalen EMA-Leitlinien (Rev. 2) zu den Qualitätsanforderungen für pharmazeutische und biologische Prüfpräparate ("Investigational Medicinal Products" = IMPs) wurden zusammen mit einer Übersicht über die eingegangenen Kommentare zu den im letzten Jahr veröffentlichten Leitlinienentwürfen auf der EMA-Website veröffentlicht8. Als Datum des Inkrafttretens wurde ebenso der 31. Januar 2022 festgelegt.

Laut der EMA sollte klar zwischen den Anforderungen an ein Dossier für ein Prüfpräparat ("Investigational Medicinal Product Dossier" = IMPD) für eine klinische Prüfung ("Clinical Trial" = CT) und an ein Zulassungsdossier unterschieden werden. Weitere Informationen finden Sie in den beiden EMA-Leitlinien (Rev. 2) zu den Anforderungen an die chemische und pharmazeutische Qualitätsdokumentation für Prüfpräparate9 und zu den Anforderungen an die Qualitätsdokumentation für biologische Prüfpräparate10.

Neues von der FDA

Neue Guidance zu Out-of-Specification (OOS)-Ergebnissen

Im Mai 2022 hat die U.S. Food and Drug Administration (FDA) eine neue Version (Revision 1) ihrer Guidance for Industry mit dem Titel "Investigating Out-of-Specification (OOS) Test Results for Pharmaceutical Production" veröffentlicht11. Die ursprüngliche Version des Dokuments wurde knapp 16 Jahre vorher, im Oktober 2006, herausgegeben.

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Gegenüber der Fassung von 2006 wurden u. a. die folgenden Anpassungen vorgenommen:

  • Redaktionelle Änderungen.
  • Der Begriff "quality control unit (QCU)" wurde durch quality unit (QU)" ersetzt.
  • Hinzufügung bzw. Aktualisierung von Verweisen im Haupttext und in den Fußnoten, um auf die neueste Fassung anderer einschlägiger Leitlinien, USP-Kapitel, CFR-Paragraphen usw. zu verweisen.
  • Ergänzungen zu "Outlier Tests" und "Averaging results from same final sample preparation"

Neue Guidance zu Rückrufen

Die FDA hat ihren Leitfaden für freiwillige Rückrufe fertiggestellt, um die Industrie bei der unverzüglichen Einleitung von Rückrufaktionen für fehlerhafte Produkte zu unterstützen ("Initiation of Voluntary Recalls Under 21 CFR Part 7, Subpart C")12. Der Leitfaden gilt für freiwillige Rückrufe von Lebensmitteln, Arzneimitteln, Medizinprodukten, Kosmetika, biologischen und Tabakerzeugnissen. Gegenüber der im April 2019 veröffentlichten Entwurfsfassung hat die Behörde nur geringfügige Änderungen vorgenommen.

Das Dokument enthält Empfehlungen in den folgenden drei Kernbereichen:

  • Richtige Schulung des Personals
  • Aufzeichnungen
  • Schriftliche Verfahren zur Einleitung von Rückrufen

Wie viele FDA Inspektionen finden noch in Deutschland statt?

Seit Juli 2019 ist das MRA (Mutual Recognition Agreement) zwischen der EU und der FDA vollständig in Kraft getreten. Eines der Hauptziele war es, die jeweiligen GMP-Inspektionssysteme gegenseitig anzuerkennen und die Zahl der gegenseitigen Inspektionen zu reduzieren.

Aber ist die Zahl der FDA-Inspektionen wirklich zurückgegangen? Eine sehr gute Quelle bietet das FDA Data Dashboard13. Diese detaillierte Übersicht über durchgeführte FDA-Aktivitäten bietet einfach zu verwendende und verständliche Tabellen und Grafiken zur umfassenden Analyse.

Laut dem Dashboard wurden alleine 2021 zehn Inspektionen im Bereich "Drug Quality Assurance" bei deutschen Firmen abgeschlossen - und das trotz Pandemie und MRA. Und pre-approval Inspektionen werden hier nicht mal aufgeführt. Im Jahr davor (2020) waren es 27, in 2019 noch 68. Warning Letter wurden hierbei keine ausgestellt.

Zusätzlich zu den Inspektionen vor Ort hat die FDA auch sog. "Remote Interactive Evaluations" (RIE) durchgeführt. Diese Fernbewertungen entsprechen laut FDA zwar nicht der gesetzlichen Definition einer Inspektion und dienen quasi nur als Ergänzung zu einer Inspektion, aber Anfang 2022 wurde ein Warning Letter veröffentlicht, der an eine Firma in Polen ging14. Und dies geschah nach einer reinen Fernüberprüfung. Laut FDA Dashboard wurde dort nämlich noch nie eine Inspektion vor Ort durchgeführt. Die Firma stellt rezeptfreie Arzneimittel her (over-the-counter drug products, OTC) und vertreibt eine homöopathische Creme in USA. Die FDA hat im Rahmen der im Warning Letter beschriebenen Fernbewertung Unterlagen geprüft, die als Antwort auf ein Ersuchen der Behörde vom Juni 2021 eingereicht wurden.

FDA weitet Fernbewertungen aus - auch nach der Pandemie

Die FDA möchte sog. Remote Regulatory Assessments (RRAs) nicht nur während der COVID-19-Pandemie, sondern auch darüber hinaus zur Bewertung von Standorten und Zulassungsanträgen nutzen und hat hierzu eine Draft Guidance for Industry "Conducting Remote Regulatory Assessments - Questions and Answers" veröffentlicht15.

Außerdem hat die FDA zwei sog. Compliance Program Guides (CPGs) zum Thema GMP-Inspektionen aktualisiert16. CPGs sind primär für FDA-Mitarbeiter und unterstützen diese bei der Bewertung und Durchsetzung der Vorschriften für die Industrie. Es finden sich dort viele Details und Auslegungen, die nicht durch bestehende FDA-Gesetze, -Verordnungen oder -Leitlinien abgedeckt sind. Chapter 46 - New Drug Evaluation befasst sich mit Inspektionen vor der Zulassung (pre-approval Inspections; PAI) und Chapter 56 - Drug Quality Assurance mit routinemäßigen Überwachungsinspektionen.

FDA plant Bewertungs-System für Firmen

FDAs CDER arbeitet weiter an ihrer Vision für eine pharmazeutische Qualität des 21. Jahrhunderts und der Sicherung der Lieferketten. Hierzu wurde ein White Paper mit dem Titel "Quality Management Maturity (QMM): Essential for Stable U.S. Supply Chains of Quality Pharmaceuticals"17 erstellt. Im Prinzip geht es hier um Möglichkeiten zu einer objektiven Bewertung der "Qualitätsmanagement-Reife" von pharmazeutischen Produktionsstätten. Ein zentraler Aspekt hierin ist ein sog. "QMM Rating System", ein Programm zur Bewertung und Einstufung der QMM von Produktionsstätten unter Verwendung von Überwachungsdaten und der Beteiligung der Unternehmen.

Zentrale Elemente des Programms sind:

  • Quality Culture als Basis mit gemeinsamen Geschäfts- und Qualitätszielen
  • Objektivität des QMM-Bewertungsinstruments o Anreize für die Industrie
  • Transparenz

Draft Guidance on Computer Software Assurance (CSA)

Im September 2022 veröffentlichte die FDA den Entwurf der Guidance for Industry "Computer Software Assurance for Production and Quality System Software"18. Die Kommentierungsfrist endete bereits am 14. November 2022. Laut FDA soll das Dokument "Computer Software Assurance" als risikobasierten Ansatz beschreiben im Zuge der fortschreitenden Automatisierung bei Produktions- oder Qualitätssystemen. Nach der Fertigstellung wird diese Guidance for Industry die FDA Guidance "General Principles of Software Validation" ergänzen. Der Abschnitt "Validation of Automated Process Equipment and Quality System Software" soll ersetzt werden.

Neues von der ICH

Entwurf zur Revision der ICH Q9-Leitlinie Qualitätsrisikomanagement veröffentlicht

Der Entwurf war mit 33 Seiten deutlich umfangreicher als die bisherige Version mit 19 Seiten19. Das hat allerdings auch den Grund, dass zur besseren Kommentierung jede Zeile nummeriert ist und die Zeilenabstände dadurch größer geworden sind. Aber es gibt auch durchaus neue Passagen. Teilweise zeigt sich das auch schon im Inhaltsverzeichnis, das mit den Unterkapiteln 5.1 Formalien im Qualitätsrisikomanagement und 5.2. risikobasierte Entscheidungsfindung und II.9 Qualitätsrisikomanagement als Teil der Lieferketten-Kontrolle/Steuerung neue Elemente enthält.

Auf die umfangreichsten Änderungen wird auch schon in der Einführung hingewiesen. So wird auf die Problematik der "Subjektivität" im Zusammenhang mit Risikomanagement-Aktivitäten und den daraus resultierenden Entscheidungen eingegangen. Ferner werden angemessene risikobasierte Entscheidungsfindungen während des Produktlebenszyklus und Formalitätsaspekte im Zusammenhang mit Qualitätsrisikomanagement in der Einführung thematisiert.

Am 14. Juni 2022 hat dann auch die FDA das Entwurfsdokument als "Draft Guidance for Industry" auf ihrer Webseite veröffentlicht. Kommentare konnten online oder schriftlich bei der FDA eingereicht werden. Mittlerweile wurde die Revision (R1) auf der ICH-Website veröffentlicht.

ICH Q13: Guideline zur Kontinuierlichen Produktion

Bereits 2018 hatte die ICH mit der Arbeit an einer Guideline begonnen, die unter dem Titel "Continuous Manufacturing of Drug Substances and Drug Products" die Anforderungen an die kontinuierliche Herstellung von Arzneimitteln beschreibt. Mitte 2021 wurde ein Entwurf veröffentlicht. 2022 hat die ICH die finale Fassung verabschiedet20.

Die Guideline ICH Q13 beschreibt wissenschaftliche und regulatorische Überlegungen für die Entwicklung, Implementierung, Betrieb und Lebenszyklusmanagement der kontinuierlichen Herstellung. Anwendbar ist ICH Q13 auf die Herstellung von Wirkstoffen, Arzneimitteln (small and large molecules). Sie gilt für neue Produkte (z. B. neue Arzneimittel, Generika, Biosimilars) und die Umstellung der herkömmlichen Chargenherstellung auf kontinuierliche Produktion für bestehende Produkte. Angesprochen werden Aspekte aus Entwicklung, GMP und Zulassung.

Neues von der PIC/S

Anhang 1 (Manufacture of Sterile Medicinal Products)

Nahezu zeitgleich mit der EU-Kommission veröffentlichte auch die PIC/S (Pharmaceutical Inspection Co-operation Scheme) den revidierten Annex 1. Dabei ist der PIC/S Annex 1 mit Ausnahme einiger kleinerer Korrekturen im Wording identisch zum neuen Anhang 1 des EU-GMP Leitfaden.

Die PIC/S hat auch den EU-GMP Anhang 16 (Zertifizierung durch eine sachkundige Person und Chargenfreigabe) übernommen und bezeichnet diesen als "Certification by the Authorised Person and Batch Release".

Bislang hatte die PIC/S den EU-Anhang 16 nicht übernommen, auch nicht in angepasster Form. Ursprünglich war die PIC/S der Ansicht, der Anhang sei zu EU-spezifisch und für die Zwecke der PIC/S schwer umsetzbar. Nach einer Konsultation der teilnehmenden PIC/S-Behörden im Jahr 2017 wurde dann aber beschlossen, eine Umsetzung des EU-Anhangs 16 anzugehen. Hintergrund waren auch die internationalen Harmonisierungsbemühungen.

Der Anhang wurde am 26. Januar 2022 (zusammen mit einem angepassten Anhang 13 für Prüfpräparate) vom PIC/S-Ausschuss angenommen und trat am 1. Februar 2022 in Kraft. Alle Behörden im PIC/S (außerhalb der EU und des EWR) wurden aufgefordert, die Anhänge in ihre eigenen GMP-Leitfäden zu übernehmen. Es wird interessant sein zu sehen, wie diese Behörden (zu denen z. B. auch die US FDA gehört) eine mögliche Implementierung angehen.

Ausblick

Die EMA hat einen Drei-Jahresplan veröffentlicht21. Ein großer Teil des Arbeitsplans der IWG leitet sich aus den Erfahrungen mit der Problematik von Nitrosamin-Verunreinigungen ab ("Nitrosamines Lessons Learnt Exercise" - LLE) und beinhaltet auch die Pläne zur Überarbeitung der EU-GMP Leitlinien:

Kapitel 1 (Pharmazeutisches Qualitätssystem)
Vorlage eines endgültigen Textes für das geänderte Kapitel an die Europäische Kommission, um die Industrie zu ermutigen, risikobasierte Ansätze zur Vorbeugung von Engpässen zu verfolgen und dabei Initiativen wie die HMA-EMA Taskforce und die verbandsübergreifenden Leitlinien der Industrie zu berücksichtigen.

Kapitel 4 (Dokumentation) und Anhang 11 (Computerisierte Systeme)
Übermittlung der endgültigen Texte für das geänderte Kapitel und den Anhang an die Europäische Kommission, um die Datenintegrität im Zusammenhang mit GMP zu gewährleisten.
Am 16. November 2022 veröffentlichte die EMA dann ein 5-seitiges "Concept-Paper on the revision of Annex 11 of the guidelines on Good Manufacturing Practice for medicinal products - Computerised Systems" (Kommentierungsfrist bis zum 16. Januar 2023)22. Dies ist noch kein neuer Entwurf, dieser soll wohl 2025 kommen. In 33 Punkten, angelehnt an die Struktur und die Kapitel des bestehenden Anhang 11, werden neu aufzunehmende Punkte und zu aktualisierende Themen vorgestellt.

Anhang 4 (Manufacture of Veterinary Medicinal Products other than Immunological Veterinary Medicinal Products)
Überprüfung der Kommentare, die bei der Konsultation der Interessengruppen zum Konzeptpapier eingegangen sind, und Entwurf eines aktualisierten Textes.

Anhang 15 (Qualifizierung und Validierung)
Überprüfung des Anhangs im Hinblick auf neue Technologien bei Anlagen, Produkten und Prozessen und Prüfung, ob Aktualisierungen erforderlich sind. Auch wird geprüft, ob der Geltungsbereich auf APIs erweitert werden kann.

Anhang 16 (Zertifizierung durch eine sachkundige Person und Chargenfreigabe)
Im Anschluss an die LLE-Empfehlungen sollte eine Überarbeitung des Anhangs in Betracht gezogen werden, um zusätzliche Hinweise zur Rückverfolgbarkeit von Chargen zu geben.

GMP and Marketing Authorisation Holders
Überarbeitung des Papiers in Übereinstimmung mit den LLE-Empfehlungen, um die Leitlinien für die MAHs hinsichtlich einer angemessenen Qualitätsvereinbarung mit Herstellern anzupassen.

 

Über den Autor:
Wolfgang Schmitt
... wechselte 2006 zu CONCEPT HEIDELBERG und ist seither Fachbereichsleiter für die Themen Qualitätssicherung und GMP.

Fußnoten:
1 https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/research-development/compliance/good-manufacturing-practice/guidance-good-manufacturing-practice-good-distribution-practice-questions-answers#requirements-for-active-substances-used-as-starting-materials-in-ve
2 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/A/RefE_2._AEndV_AMG-ZivilSchutzAusnV.pdf
3 https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/1025/tagesordnung-1025.html;jsessionid=A714FC09772CC9006894FB2B4828A567.2_cid349?nn=4732016#top-26
4 https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*%5b@attr_id=%27bgbl122s1806.pdf%27%5d#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl122s1806.pdf%27%5D__1667551983035
5 https://ec.europa.eu/health/system/files/2022-02/vol4_annex21_en.pdf
6 https://www.ema.europa.eu/en/documents/referral/nitrosamines-emea-h-a53-1490-questions-answers-marketing-authorisation-holders/applicants-chmp-opinion-article-53-regulation-ec-no-726/2004-referral-nitrosamine-impurities-human-medicinal-products_en.pdf
7 https://ec.europa.eu/health/system/files/2022-02/regulation5362014_qa_en_1.pdf
8 https://www.ema.europa.eu/en/requirements-quality-documentation-concerning-biological-investigational-medicinal-products-clinical
9 https://www.ema.europa.eu/en/requirements-chemical-pharmaceutical-quality-documentation-concerning-investigational-medicinal
10 https://www.ema.europa.eu/en/requirements-quality-documentation-concerning-biological-investigational-medicinal-products-clinical
11 https://www.gmp-navigator.com/gmp-news/fda-aktualisiert-guidance-zu-out-of-specification-oos-ergebnissen
12 https://www.fda.gov/media/123664/download
13 https://datadashboard.fda.gov/ora/cd/inspections.htm
14 https://www.fda.gov/inspections-compliance-enforcement-and-criminal-investigations/warning-letters/dr-retter-ec-wladyslaw-retter-619881-03142022
15 https://www.fda.gov/media/160173/download
16 https://www.gmp-navigator.com/gmp-news/fda-neue-wege-bei-inspektionen
17 https://www.fda.gov/media/157432/download
18 https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/computer-software-assurance-production-and-quality-system-software
19 https://www.gmp-navigator.com/gmp-news/entwurf-zur-revision-der-ich-q9-leitlinie-qualitaetsrisikomanagement-veroeffentlicht
20 https://database.ich.org/sites/default/files/ICH_Q13_Step4_Guideline_2022_1116.pdf
21 https://www.ema.europa.eu/en/documents/work-programme/work-plan-good-manufacturing-practice/good-distribution-practice-inspectors-working-group-2021-2023_en.pdf
22 https://www.gmp-navigator.com/gmp-news/revision-des-eu-gmp-leitfaden-annex-11-computerised-systems-vorstellung-des-concept-papers

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