Fragen und Antworten zum Thema (reduzierte) Probenahme
Die Prüfung von Wirkstoffen, Hilfsstoffen, Packmitteln, Zwischenprodukten und Fertigprodukten gehört zu den wesentlichen Aufgaben des Bereichs Qualitätskontrolle in der pharmazeutischen Industrie. Bei der Probenahme wird jeweils ein kleiner Teil einer Charge oder Lieferung entnommen und analysiert. Aus dem Ergebnis der Analyse werden dann Rückschlüsse auf die Qualität der gesamten Charge bzw. Lieferung gezogen. Der korrekten Probenahme kommt hierbei eine Schlüsselfunktion zu. Fehler, die sich bei der Probenahme eingeschlichen haben, können durch keine noch so gute Analytik ausgeglichen werden.
Regulatorische Anforderungen an die Probenahme
In Deutschland ist in Bezug auf die Probenahme zunächst die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV)1 zu beachten. § 14 Abs. 1 AMWHV enthält die allgemeine Vorgabe, Ausgangsstoffe und Endprodukte, ggf. Zwischenprodukte und Behältnisse, äußere Umhüllungen, Verpackungs- und Kennzeichnungsmaterialien sowie Packungsbeilagen gemäß Prüfanweisung zu prüfen. In diesem Zusammenhang kommt der Leitung der Qualitätskontrolle gemäß § 12 Abs. 1 AMWHV die Aufgabe zu, die Spezifikationen, Anweisungen zur Probenahme und die Prüfanweisungen zu genehmigen, sicherzustellen, dass diese eingehalten werden und letztlich über die Billigung oder Zurückweisung von Ausgangsstoffen, Verpackungsmaterial und Zwischenprodukten zu entscheiden.
Aus den verschiedenen GMP-Regularien, insbesondere dem EU-GMP Leitfaden, ergeben sich eine ganze Reihe mehr oder weniger konkrete Anforderungen an die Probenahme. Die Probenahme wird zunächst in Kapitel 6.11 bis 6.14 des EU-GMP Leitfadens Teil I2 näher beschrieben. Die Probenahme ist nach genehmigten, schriftlich festgelegten Verfahren durchzuführen und zu dokumentieren. Kapitel 6.11 listet Punkte auf, die dazu im Vorfeld festgelegt werden müssen, wie beispielsweise die Methode der Probenahme, die zu entnehmende Probenmenge und Anweisungen für die Reinigung und Aufbewahrung der Probenahmeausrüstung. Nach Kapitel 6.12 ist gefordert, dass die Proben für die Material- oder Produktcharge, der sie entnommen wurden, repräsentativ sind und der verwendete Probeentnahmeplan sachgerecht begründet ist und auf der Risikomanagement- Herangehensweise basieren sollte. Kapitel 6.13 enthält Vorgaben zur Etikettierung und Handhabung der Probenbehältnisse und Kapitel 6.14 einen Verweis auf Anhang 19 des EU-GMP Leitfadens.3
Darüber hinaus finden sich im EU-GMP Leitfaden Teil I auch noch an anderen Stellen Vorgaben für die Probenahme. So sollte beispielsweise nach Kapitel 3.22 die Probenahme von Ausgangsstoffen normalerweise in einem abgetrennten Bereich erfolgen. Wird sie im Lagerbereich durchgeführt, müssen Maßnahmen getroffen werden, um Verunreinigungen oder Kreuzkontamination zu verhindern. Es müssen Spezifikationen sowohl für Ausgangsstoffe und Verpackungsmaterial (Kapitel 4.14) als auch für die Fertigprodukte (Kapitel 4.16) vorliegen, die u.a. Vorschriften für die Probenahme enthalten. Gemäß Kapitel 4.25 müssen schriftliche Verfahrensbeschreibungen vorhanden sein, die Methoden der Probenahme und die einzusetzende Ausrüstung, die zu entnehmenden Probenmengen und alle Vorsichtsmaßnahmen, die zu beachten sind, um eine Verunreinigung des Materials oder sonstige Qualitätsminderungen zu vermeiden, enthalten. Diese Verfahren müssen der Qualitätskontrollabteilung auch zugänglich sein, wie sich aus Kapitel 6.7 ergibt.
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Ergänzend dazu ist Anhang 8 des EU-GMP Leitfadens4 zu beachten, der zusätzliche Hinweise zur Probenahme von Ausgangsstoffen und Verpackungsmaterial sowie zum Personal, das Probenahmen durchführt, enthält.
Die grundsätzlichen Anforderungen an die Probenahme für Wirkstoffhersteller sind weitestgehend analog zu denen für Arzneimittel. Vorgaben dazu finden sich insbesondere in Kapitel 7.3 (Probenahme und Prüfung eingehender Materialien für die Produktion), Kapitel 8.3 (Inprozessprobenahme und -kontrollen) sowie 11.7 (Ru?ckhalte-/Ru?ckstellmuster) des EU-GMP Leitfadens Teil II.5
Für die USA ist der Code of Federal Regulations zu beachten. Vorgaben zur Probenahme befinden sich in 21 CFR 211 (Current Good Manufacturing Practice for Finished Pharmaceuticals) und dort hauptsächlich in Subpart I (Laboratory Controls) sowie Subpart E (Control of Components and Drug Product Containers and Closures).
Muss der Probenzug durch Mitarbeitende der Qualitätskontrolle durchgeführt werden?
CONCEPT HEIDELBERG veranstaltet regelmäßig Seminare zum Thema Probenahme. In einer dieser Veranstaltungen kam die Frage auf, ob der Probenzug durch Mitarbeitende der Qualitätskontrolle durchgeführt werden muss, oder ob auch andere Personen, z.B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bereich Lager oder Produktion, die Proben ziehen dürfen.
Wie bereits oben dargestellt, werden die Anforderungen an die Probenahme im EU-GMP Leitfaden beschrieben. Zwar heißt es im EU-GMP Leitfaden Teil I, dass sich die Qualitätskontrolle mit der Probenahme befasst (Kapitel 6, Grundsätze) und dass das Personal der Qualitätskontrolle Zugang zu den Produktionsbereichen haben sollte, um Proben zu nehmen (Kapitel 6.4), jedoch ist nicht explizit gefordert, dass die Probennehmerinnen und Probennehmer aus der Qualitätskontrolle stammen müssen. Auch aus den anderen Passagen des EU-GMP Leitfadens lässt sich diese Forderung nicht ableiten.
Unstrittig ist, dass das Personal für Probennahme geschult und zugelassen sein muss. Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen, in Kapitel 2 des EU-GMP Leitfadens Teil I bzw. Kapitel 3 des EU-GMP-Leitfadens Teil II beschriebenen Grundsätzen, nach denen für alle GMP-relevanten Tätigkeiten Personal mit der erforderlichen Qualifikation und praktischen Erfahrung vorhanden sein muss, das zudem fortlaufend geschult werden sollte. In Kapitel 1.9 des EU-GMP Leitfadens Teil I heißt es zudem: "Proben von Ausgangsstoffen, Verpackungsmaterial, Zwischenprodukten, Bulkware und Fertigprodukten werden durch dafür zugelassene Personen und nach genehmigten Methoden entnommen." In Anhang 8 des EU-GMP Leitfadens wird außerdem folgendes gefordert: "Personal, das Probenahmen durchführt, sollte sowohl eine Grundausbildung als auch eine regelmäßige Fortbildung in den die korrekte Probenahme betreffenden Disziplinen erhalten."
Ebenso wie Teil I enthält auch Teil II des EU-GMP Leitfadens keine konkreten Angaben dazu, wer genau die Probenahme durchführen muss. Ein interessanter Hinweis findet sich jedoch im Frage- und Antwortdokument6 zur ICH Q7-Richtlinie.7 Unter Punkt 2.4 geht es um die Frage, ob nach ICH Q7 gefordert ist, dass die Probenahme von der Quality Unit (Qualitätseinheit) durchgeführt wird. Diese Frage wird in dem Dokument mit einem klaren "Nein" beantwortet. Zur Begründung wird ausgeführt, dass ICH Q7 nicht ausdrücklich vorschreibe, wer die Probenahme durchführen soll. Die Quality Unit sei jedoch für die Überprüfung und Genehmigung der Probenahmepläne und -verfahren verantwortlich. Die Probenahme solle außerdem von angemessen geschultem Personal durchgeführt und angemessen dokumentiert werden.
Dass die Quality Unit für die Überprüfung und Genehmigung der Probenahmepläne und -verfahren verantwortlich ist, ist auch für die USA gesetzlich vorgeschrieben. Eine entsprechende Vorgabe findet sich in 21 CFR 211.160.
Somit lässt sich zusammenfassen, dass sich aus den GMP-Regularien nicht ableiten lässt, dass die Probenahme durch Mitarbeitende der Qualitätskontrolle erfolgen muss. Klar vorgegeben ist hingegen, dass die betreffenden Mitarbeitenden geschult sein müssen, dass die Anweisungen zur Probenahme durch die Qualitätskontrolle genehmigt sein müssen und dass auch die Gesamtverantwortung bei der Qualitätskontrolle liegt.
Unter welchen Voraussetzungen ist eine reduzierte Probennahme zulässig?
Ein weiteres, in den Seminaren von CONCEPT HEIDELBERG immer wieder diskutiertes Thema ist die reduzierte Probenahme von Ausgangsstoffen.
Reduzierte Probennahme meint, dass nicht alle Gebinde einer Lieferung oder einer Charge, sondern nur eine vorher spezifizierte Anzahl bemustert wird. Hiervon abzugrenzen ist die reduzierte Prüfung, bei der nur einzelne vorher spezifizierte Prüfpunkte einer Spezifikation durchgeführt werden. Beide Konzepte können ggf. verknüpft werden.
Im Rahmen dieses Beitrags soll zum einen beleuchtet werden, unter welchen Voraussetzungen eine reduzierte Probenahme grundsätzlich möglich ist. Zum anderen wird darauf eingegangen, ob jeder einzelne Behälter eines Ausgangsstoffes zu Identifikationszwecken beprobt werden muss, oder ob auch diesbezüglich eine Stichprobe ausreichend sein kann.
Für Deutschland sind zunächst die in der AMWHV niedergelegten grundsätzlichen Voraussetzung zu beachten. Gemäß § 13 Abs. 3 AMWHV dürfen zur Herstellung von Arzneimitteln nur Wirkstoffe und Hilfsstoffe als Ausgangsstoffe verwendet werden, die gemäß der Guten Herstellungspraxis hergestellt wurden und deren Qualität festgestellt und entsprechend kenntlich gemacht worden ist. Die Lieferanten für Ausgangsstoffe und primäre und sekundäre Verpackungsmaterialien, die zur Arzneimittelherstellung eingesetzt werden, müssen gemäß § 11 Abs. 2 AMWHV im Rahmen des QM-Systems des verarbeitenden Betriebs nach schriftlich oder elektronisch festgelegtem Verfahren qualifiziert werden. Für Wirkstofflieferanten ist gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 AMWHV sogar ein Audit vor Ort verpflichtend.
Grundsätzlich sind gemäß Kapitel 5.35 des EU-GMP Leitfadens Teil I Hersteller von Fertigprodukten für jede Testung des Ausgangsmaterials, wie in dem Zulassungsdossier beschrieben, verantwortlich. Sie können jedoch teilweise oder vollständige Testergebnisse von dem genehmigten Ausgangsmaterialhersteller nutzen. In diesem Fall ist jedoch mindestens eine Identitätstestungen jeder Charge gemäß Anhang 8 des EUGMP Leitfadens vorgeschrieben. Außerdem müssen die in Kapitel 5.36 beschriebenen Voraussetzungen (durchgeführtes Audit, Berücksichtigung der Qualitätshistorie, Bewertung der Testergebnisse durch Vergleich mit den Ergebnissen eigener Vollanalysen usw.) erfüllt sein. In der Regel werden mindestens drei Vollanalysen erwartet, bevor Testergebnisse von dem genehmigten Ausgangsmaterialhersteller genutzt werden.
Wie die Identität einer Charge eines Ausgangsstoffes sichergestellt werden muss, wird ebenfalls in Kapitel 5 des EU-GMP Leitfadens Teil I beschrieben. Sofern eine Lieferung von Ausgangsstoffen aus mehreren Chargen besteht, ist gemäß Kapitel 5.31 jede Charge einzeln zu betrachten, d.h. separat zu beproben, zu untersuchen und freizugeben. Nach Kapitel 5.33 muss die Identität des Inhalts eines jeden Behältnisses mit Ausgangsstoffen sichergestellt werden.
Nach Kapitel 7.30 des EU-GMP Leitfadens Teil II "sollte mindestens ein Identitätstest an jeder Charge eines Materials durchgeführt werden. Statt weiterer Tests kann ein Analysenzertifikat des Lieferanten verwendet werden, vorausgesetzt, dass der Hersteller über ein System zur Lieferantenbewertung verfügt." In Kapitel 7.31 heißt es: "[…] Bevor die eigene Prüfung reduziert wird, sollte an mindestens drei Chargen eine Vollanalyse durchgeführt werden. Es sollte jedoch mindestens in angemessenen Zeitabständen eine Vollanalyse durchgeführt und mit dem Analysenzertifikat verglichen werden. Die Zuverlässigkeit von Analysenzertifikaten sollte in regelmäßigen Abständen geprüft werden." Kapitel 7.32 enthält eine Ausnahme für Prozesshilfen, gefährliche oder hoch toxische Rohmaterialien. Diese brauchen nicht getestet zu werden, sofern das Analysenzertifikat des Herstellers vorliegt und sich daraus die Spezifikationskonformität ergibt.
In Anhang 8 des EU-GMP Leitfadens ist die grundsätzliche Erwartungshaltung formuliert, Proben aus allen Behältnissen zu entnehmen und an jeder Probe Identitätsprüfungen durchzuführen. Es ist jedoch ausdrücklich zulässig, "nur aus einem Teil der Behältnisse Proben zu entnehmen, wenn durch ein validiertes Verfahren sichergestellt wird, dass kein einziges Behältnis mit Ausgangsstoffen auf seinem Etikett falsch gekennzeichnet wird."
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Anhang 8 nennt auch die Gesichtspunkte, die bei einer solchen Validierung zu berücksichtigen sind. So muss der betreffende Hersteller der Ausgangsstoffe ein funktionierendes Qualitätssicherungssystem haben und die Bedingungen, unter denen der Ausgangsstoff hergestellt und geprüft wird, müssen bewertet werden. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Identitätstestung an nur einem Teil der Behältnisse möglich, sofern die Ausgangsstoffe von einem Hersteller eines einzigen Produktes bzw. aus einem einzigen Betrieb stammen sowie außerdem bei Ausgangsstoffen, die direkt vom Hersteller oder in einem versiegelten Behältnis eines Herstellers geliefert werden. Bei letzterem "muss die Zuverlässigkeit des Herstellers bekannt sein, und das Qualitätssicherungssystem des Herstellers muss regelmäßig durch den Käufer (den Hersteller des Arzneimittels) oder eine offiziell zugelassene Stelle überprüft werden." Umgekehrt ist es in den Fällen, in denen die Ausgangsstoffe über Zwischenhändler geliefert werden und deren Quelle unbekannt oder nicht überprüft ist sowie bei Ausgangsstoffen zur Verwendung in Parenteralia, als unwahrscheinlich anzusehen, dass eine Validierung gelingen kann. In diesen Fällen wird daher in aller Regel eine gebindeweise Identitätsprüfung zu erfolgen haben.
Bezüglich der für die USA geltenden Anforderungen kann folgendes festgehalten werden: Nach 21 CFR Part 211.84 ist vorgeschrieben, dass die Probenahme nach statistischen Kriterien zu erfolgen hat und dass die Chargen vor dem Gebrauch freigegeben werden müssen. Gemäß Part 211.84(a) sind die Materialien so lange von der Verwendung auszuschließen, bis die Charge von der Quality Unit beprobt, getestet bzw. untersucht und zur Verwendung freigegeben wurde. Nach Part 211.84(b) sind aus jeder Lieferung einer Charge repräsentative Proben zur Prüfung oder Untersuchung zu entnehmen. Die Anzahl der zu beprobenden Behälter und die aus jedem Behälter zu entnehmende Materialmenge muss auf geeigneten statistischen Kriterien beruhen und sollte auch die Qualitätshistorie des Lieferanten berücksichtigen. Weitere Informationen zur Auslegung der Regularien finden sich in einem auf der Website der FDA veröffentlichtem Frage- und Antwort-Katalog.8
Über den Autor:
Dr. Markus Funk
... ist seit Oktober 2019 bei CONCEPT HEIDELBERG als Fachbereichsleiter tätig und dort für die Themen GDP und Analytik zuständig.
Fußnoten:
1 Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung - AMWHV).
2 Leitfaden der Guten Herstellungspraxis Teil I – Arzneimittel.
3 EU-GMP Leitfaden, Anhang 19: Referenzproben und Rückstellmuster.
4 EU-GMP Leitfaden, Anhang 8: Erganzende Leitlinie fur die Probenahme von Ausgangsstoffen und Verpackungsmaterial.
5 Leitfaden der Guten Herstellungspraxis Teil II . Grundlegende Anforderungen fu.r Wirkstoffe zur Verwendung als Ausgangsstoffe.
6 Q7 Q&As . Questions and Answers: Good Manufacturing Practice Guide for Active Pharmaceutical Ingredients (https://www.ich.org/page/quality-guidelines).
7 ICH Q7 . Good Manufacturing Practice Guide for Active Pharmaceutical Ingredients
8 Questions and Answers on Current Good Manufacturing Practices—Control of Components and Drug Product Containers and Closures (https://www.fda.gov/drugs/guidances-drugs/questionsand-answers-current-good-manufacturing-practices-control-components-and-drug-product).