Effektives mikrobiologisches Umgebungsmonitoring für nichtsterile Arzneimittel
Für das mikrobiologische Umgebungsmonitoring bei sterilen Arzneimitteln gibt es relativ klare Vorgaben, was durchgeführt werden muss. So geben beispielsweise der Annex 1 (EudraLex 2022) oder das informative USP-Kapitel <1116> entsprechende Auskunft. Im Bereich der nicht-sterilen Arzneimittel sieht dies etwas anders aus. Hier finden sich vereinzelt Informationen, beispielsweise im informativen USP-Kapitel <1115>, im Buch von Rieth & Krämer (2016) oder in der Guten Hygiene Praxis (2018).
Der vorliegende Artikel fasst einige der wichtigsten Aspekte für die Etablierung und den Betrieb des mikrobiologischen Umgebungsmonitorings in der Produktion nicht-steriler Arzneimittel zusammen.
Grundsätzlich kann der Ansatz der Contamination Control Strategy (CCS) aus Annex 1 auch auf die nicht-sterile Produktion angewendet werden, indem Reinräume der Reinraumklasse (RRK) D zugewiesen werden. Doch Vorsicht: Sobald von RRK D die Rede ist, müssen auch sämtliche damit verbundenen Anforderungen eingehalten werden - dazu gehören beispielsweise die Klassifizierung gemäß ISO 14644-1, Partikelmessungen oder das Druckkonzept.
Daher empfiehlt es sich im nicht-sterilen Bereich, eher andere RRK-Kategorien zu definieren, wie beispielsweise RRK E, RRK F oder das häufig verwendete CNC (Controlled Non Classified). Es ist jedoch zu beachten, dass bereits heute bestimmte Behörden erwarten, dass die Herstellung nicht-steriler Arzneimittel in einer RRK D erfolgt (z. B. Mexiko 2013, China GMP Guide 2010).
Das CNC wird von der ISPE wie folgt definiert: "A controlled non classified area is an area where HVAC systems are specifically designed to reduce airborne contaminants below the level of the ambient environment and both temperature and relative humidity are controlled more tightly than in the ambient environment."
Tabelle 1: Beispiele für Aktions- und Warngrenzwerte "at rest" und "in operation" für zwei verschiedene kontrollierte Raumqualitäten in der nicht-sterilen Herstellung. TAMC = Gesamtkeimzahl aerober Mikroorganismen (alle auf CASO-Agar nachgewiesenen Mikroorganismen). SP = Schimmel = Schimmelpilze = Anzahl der in TAMC enthaltenen Schimmelpilze. KBE = Koloniebildende Einheiten. RRK = Reinraumklasse. GW = Grenzwert

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Grenzwerte
Die erste Herausforderung besteht in der Definition von Grenzwerten. Dazu wurde im Jahr 2010 von Seyfarth ein Artikel in der PharmInd veröffentlicht (Seyfarth 2010). Auch das Buch von Rieth & Krämer (2018) enthält einige Beispiele zu diesem Thema. Deren Vorschläge sowie Erkenntnisse aus praktischen Anwendungen wurden im ECA-Guide zusammengefasst (Goverde & Roesti 2019, Tabelle 1). Dabei ist zu beachten, dass diese Werte nicht unbedingt von den Behörden akzeptiert werden, da sie nur teilweise risikobasiert definiert sind - und genau das ist der entscheidende Punkt.
Natürlich können die in Tabelle 1 aufgeführten Grenzwerte als Grundlage herangezogen werden. Allerdings sollte man - ähnlich wie beim Ansatz der Contamination Control Strategy (CCS) gemäß Annex 1 - für die eigene Produktion risikobasiert Grenzwerte definieren und nachvollziehbar begründen (siehe auch USP-Kapitel <1115>).
Dies wird in der aktuellen Version des Aide Mémoires zur Qualifizierung und Validierung (ZLG 2020) wie folgt beschrieben:
"Die mikrobiologische und ggf. partikuläre Luftqualität in Produktionsräumen zur Herstellung nicht-steriler Arzneimittel soll im Rahmen der Kontrollstrategie definiert werden. In Anlehnung an die Raumklassen, die in Annex 1 definiert sind, sind die Umgebungsbedingungen so zu wählen, dass unkontrollierte Kontaminationen vermieden werden. Akzeptanzkriterien und geeignete Intervalle sind für den Betriebszustand ('in operation') risikobasiert als ein Bestandteil der Kontrollstrategie zur Vermeidung von unkontrollierten Kontaminationen festzulegen."
Damit ist klar, dass die Grenzwerte von jedem Unternehmen individuell über eine Risikobewertung festgelegt werden müssen. Für alle Interessierten: In der älteren Version des Aide-Mémoires (AiM 07121105) war noch eine Tabelle mit Grenzwerten enthalten, die auf der Publikation von Seyfarth (2010) basierte.
Definition der Musterzugstellen
Auch die Definition der Musterzugstellen, deren Anzahl und Prüffrequenz sollte risikobasiert erfolgen. Hierfür können verschiedene Ansätze verwendet werden (siehe Goverde 2023).
Eine der einfachsten Methoden ist eine Rationale, bei der der Raum analysiert und festgelegt wird, wo eine Probenahme sinnvoll ist und in welcher Häufigkeit sie erfolgen sollte. Bereits im Vorfeld sollte beispielsweise in einer Vorschrift definiert werden, was als kritische und somit zu beprobende Stelle gilt. Eine ausgezeichnete Grundlage dafür bietet die EN 17141.
Nr. | Ort/Gerät | Raumnummer | Raumklasse |
| Risiko für Produkt | Frequenz |
L1 | Luft 2 m vor Schleusen | K60 | E | Häufig frequentierter Bereich, Materialfluss, Schnittstelle Reinheitsgrade, allgemeine | Gering | 2/Jahr |
L2 | Luft 1.5 m vor | K60 | E | Häufig frequentierter Bereich, Materialfluss, allgemeine Überwachung, keine Produktnähe | Gering | 2/Jahr |
A1 | Boden nach | K60 | E | Häufig frequentierter Bereich, Materialfluss, Schnittstelle Reinheitsgrade, keine Produktnähe | Gering | 2/Jahr |
A2 | Regal (Mitte) | K60 | E | Anlageteile, Reinigung schwer zugänglich, keine Produktnähe | Gering | 2/Jahr |
A3 | Korridor Boden | K60 | E | Allgemeine Überwachung, keine Produktnähe | Gering | 2/Jahr |
Tabelle 2: Auszug aus der zusammenfassenden Rationale für die Definition der Musterzugstelle, der Methode (L = Luft, A = Abklatsch) und der Überwachungsfrequenz (aus Goverde 2023).

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Bei einer einfachen Risikobetrachtung sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden:
1. Anzahl der Probenahmestellen: Eine Möglichkeit ist, die Quadratwurzel der Raumfläche als Basis zu nehmen. Alternativ kann die Formel aus der EN 17141 verwendet werden.
2. Position der Probenahmestellen: Kritische Bereiche sollten gezielt definiert werden, z. B. Nähe zum Produkt; häufig frequentierte Bereiche; Personal- oder Materialfluss; kritische Manipulationen (z. B. Öffnen eines Behälters).
3. Überwachungsfrequenz: Die Frequenz kann von wöchentlich bis jährlich variieren. Es sollte jedoch sorgfältig abgewogen werden, ob eine einmalige Messung pro Jahr wirklich eine ausreichende Aussagekraft hat.
4. Methode der Probenahme: Aktive Luftmessung; passive Luftmessung; Abklatschplatten; Tupferproben. Es muss nachvollziehbar begründet werden, warum eine bestimmte Methode gewählt wurde oder weshalb bestimmte Methoden nicht angewendet werden.
Die gesamte Beurteilung kann schließlich in einer einfachen Tabelle zusammengefasst werden (siehe Tabelle 2).
Neben der einfachen Rationale zur Definition der Musterzugstellen können auch andere Methoden angewendet werden, wie beispielsweise eine FMEA (siehe Gilles et al. 2017) oder der Gridline Approach von BioPhorum (2020). Letzterer wurde ursprünglich für die sterile Produktion entwickelt, lässt sich jedoch an die nicht-sterile Produktion anpassen - eine Anpassung, die bereits erfolgreich umgesetzt wurde (Goverde & Floret 2025, in Vorbereitung).
Abweichungen
Nachdem das mikrobiologische Umgebungsmonitoring-Programm definiert und in einer entsprechenden Vorschrift festgehalten wurde, muss es von geschultem Personal durchgeführt werden. Unweigerlich werden dabei Abweichungen auftreten. Wie in solchen Fällen vorzugehen ist, wird im ECA-Guide von Goverde & Roesti (2017) detailliert beschrieben. Das Flussdiagramm in Abbildung 1 fasst die einzelnen Schritte zusammen.
Der erste Schritt ist die Meldung der Abweichung an die Qualitätssicherung (QA) und die Produktion, die innerhalb von 24 Stunden erfolgen sollte. Gleichzeitig wird eine Abweichung offiziell eröffnet.
Idealerweise wird diese Abweichung in kritisch oder unkritisch eingestuft - häufig auch als Major oder Minor bezeichnet. Für beide Abweichungstypen sind folgende Maßnahmen vorgesehen (hellblau in Abbildung 1)
Abbildung 1: Flussdiagramm zum Vorgehen bei Abweichungen in der nicht-sterilen Produktion (nach ECA-Guide, Goverde & Roesti 2017).
1. Identifikation der Kontaminanten: Die Identifikation der nachgewiesenen Mikroorganismen unterstützt die Ursachenforschung und kann für die Bewertung der Kritikalität entscheidend sein (z. B. Objectionables; siehe dazu verschiedene Publikationen, u. a. PDA TR 67 (PDA 2014) oder Roesti (2012)).
2. Musterzugsfehler: Ein Musterzugsfehler sollte die Ausnahme darstellen. Durch gezielte Maßnahmen wie Schulungen, QA-Oversight und das Tragen von Handschuhen, Mundschutz und Haarnetz lässt sich das Risiko solcher Fehler minimieren.
3. Laborfehler: Auch Laborfehler sollten selten auftreten und müssen durch entsprechende Untersuchungsmaßnahmen bewiesen werden.
4. Historische Daten: Die historischen Daten des betroffenen Prüfpunktes und des entsprechenden Raumes/Bereichs sollten kritisch analysiert werden. Handelt es sich bei der vorliegenden Abweichung um ein einzelnes Ereignis oder um eine wiederholte Abweichung? Zusätzlich sollten die historischen Daten aktiv genutzt werden, um Warngrenzen festzulegen, die auf realen Messergebnissen basieren (siehe Gordon et al. 2015). Zudem sollten in den Vorschriften klare Trendregeln definiert sein, die festlegen, wann ein Out-of-Trend (OOT)-Ereignis vor liegt (siehe Goverde & Roesti 2019).
5. Wiederholungsprüfung: Im nicht-sterilen Bereich ist die Prüffrequenz meist relativ gering (z. B. quartalsweise oder alle zwei Monate). Daher sollte in solchen Fällen der betroffene Raum oder das Equipment erneut beprobt werden. Nur so lässt sich feststellen, ob es sich um ein einmaliges Ereignis handelt oder ob ein systematisches Problem vorliegt.
6. Root Cause Investigation (RCI) der Produktion: Liegt weder ein Musterzugs- noch ein Laborfehler vor, muss eine detaillierte Untersuchung in der Produktion erfolgen. Dies kann mithilfe einer Checkliste (siehe Goverde & Roesti 2019) oder durch gängige Methoden wie 5-Why, Ishikawa, etc. durchgeführt werden. Entscheidend ist, dass diese Analyse strukturiert, gewissenhaft und systematisch erfolgt.
Für alle kritischen Abweichungen sind zusätzliche Abklärungen hinsichtlich der hergestellten Produkte erforderlich (siehe Abbildung 1, hellgelbe Aktionen). Der Detaillierungsgrad dieser Untersuchungen kann variieren. Zunächst sollte das betroffene Batch vorübergehend nicht freigegeben werden. Zudem müssen alle Batches überprüft werden, die seit der letzten Gut-Prüfung freigegeben wurden. In den meisten Fällen stehen noch mikrobiologische Freigabeprüfungen gemäß Ph. Eur. 2.6.12 und 2.6.13 zur Verfügung, die in die Bewertung einfließen können.
Wird eine kritische Kontamination festgestellt - beispielsweise ein kritischer Keim (objectionable) -, kann eine zusätzliche Produktprüfung erforderlich sein.
Schlussfolgerung
Die Herstellung der meisten nicht-sterilen Arzneimittel ist weniger kritisch als andere pharmazeutische Produktionsprozesse. Dennoch muss ein entsprechendes mikrobiologiches Umgebungsmonitoring (EM) definiert werden. Zwar können geringere Prüffrequenzen und weniger Musterzugstellen als in der sterilen Produktion festgelegt werden, doch die Verbindlichkeit des Programms sollte die gleiche bleiben. Nur ein sorgfältig konzipiertes und konsequent durchgeführtes EM-Programm stellt sicher, dass nicht-sterile Arzneimittel in einwandfreier Qualität hergestellt werden.
Über den Autor:
Dr. Marcel Goverde
... ist Gründer und Geschäftsführer der MGP Consulting mit Schwerpunkt auf Beratung, Schulung und Projektmanagement im pharmazeutischen GMP-Umfeld und im Besonderen in Mikrobiologie, Hygiene und Abweichungsmanagement.
Referenzen
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BioPhorum Operations Group Ltd, November 2020.
China GMP Guide (2010). Good Manufacturing Practice for Drugs (2010 Revision). MOH Decree No. 79. China Food and Drug Administration.
EN 17141 (2021). Cleanrooms and associated controlled environments - Biocontamination control. 2. Auflage.
EudraLex (2022). Annex 1 - Manufacture of Sterile Medicinal Products. The Rules Governing Medicinal Products in the European Union, Volume 4, EU Guidelines to Good Manufacturing Practice,
Medicinal Products for Human and Veterinary Use. 2022
Gilles N.T., Marty E., Roesti D., Staerk A., Goverde M. (2017). Adoption of FMEA for Microbiological Contamination Risk Assessment to Implement USP Chapter <1115>. American Pharmaceutical
Review, September/October 2017.
Gordon O., Goverde M., Pazdan J., Staerk A., Roesti D. (2015). Comparison of different calculation approaches for defining microbiological control levels based on historical data. PDA Journal of
Pharmaceutical Science and Technology, 69, pp. 383-398.
Goverde M. (2023). Moderner Ansatz zur Ermittlung von Probenahmestellen im nicht-sterilen Bereich (Gridline Approach), Aseptikon.
Goverde M., Roesti D. (2019). Guidance for deviation handling of microbiological environmental monitoring excursions in non-sterile pharmaceutical manufacturing. ECA Pharmaceutical
Microbiology Working Group, ECA Academy.
Goverde, M., Floret, E. (2025). Umsetzung des Gridline Approaches des BioPhorums für Nicht-Sterile Arzneimittelproduktionen. In Vorbereitung.
Gute Hygiene Praxis (2018). Hygiene - Reinigung - Monitoring. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage 2018. Editio Cantor Verlag.
ISO 14644-1:2015(E). Cleanrooms and associated controlled environments - Part 1: Classification of air cleanliness by particle concentration. Second Edition 2015-12-15.
Mexico (2013). NORMA Oficial Mexicana NOM-059-SSA1-2013, Buenas prácticas de fabricación de medicamentos. https://dof.gob.mx/nota_detalle.php%3Fcodigo%3D5307536%26fecha%3D22/0
7/2013#gsc.tab=0. Zuletzt besucht am 01.02.2025.
PDA (2014). Technical Report No. 67. Exclusion of Objectionable Microorganisms from Nonsterile Pharmaceuticals, Medical Devices and Cosmetics. ISBN: 978-0-939459-70-4.
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Ph. Eur. chapter 2.6.13. (current version). Microbiological examination of non-sterile products: Test for specified micro-organisms.
Rieth M., Krämer N. (2016). Hygiene in der Arzneimittelproduktion. Wiley-VCH.
Roesti D. (2012). Objectionable micro-organisms in non-sterile pharmaceutical drug products: Risk assessment and origins of contamination. In J. Moldenhauer (ed.): Environmental Monitoring, Vol.
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Seyfarth H. (2010). Mikrobiologisches Monitoring - Teil 6: Monitoring in Betrieben zur Herstellung nichtsteriler Arzneimittel. PharmInd 72(5), 897-904.
USP Chapter <1115>. Bioburden control of nonsterile drug substances and products.
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ZLG (2020). Aide-Mémoire 07121107: Qualifizierung und Validierung - allgemeine Grundlagen. Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten