Der FDA Warning Letter Report des Fiskal Jahr 2020

    

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Der Blick auf die Warning Letters an Pharmafirmen der letzten 9 Monate des laufenden Fiskaljahres (Okt. 2019 - Juni 2020) lässt erkennen, dass die häufigsten GMP-Verstöße, die die FDA-Inspektoren bei ihren Besuchen in den Produktionsstandorten vorfanden, im Wesentlichen die selben sind wie die des vergangenen Fiskaljahrs 2019 (s. Abb. 1). Sie beziehen sich auf Abweichungen von Regelungen, die in folgenden Paragrafen des 21 CFR 211 formuliert sind:

  • §211.84  Testing and approval or rejection of components, drug product containers, and closures. (Subpart D- Equipment) zitiert in 24 Warning Letters
  • §211.100  Written procedures; deviations. (Subpart F-Production and Process Controls) zitiert in 24 Warning Letters
  • §211.22  Responsibilities of quality control unit. (Subpart B- Organization and Personnel) zitiert in 23 Warning Letters
  • §211.165  Testing and release for distribution (Subpart I-Laboratory Controls) zitiert in 23 Warning Letters
  • §211.192  Production record review. (Subpart J-Records and Reports) zitiert in 19 Warning Letters
  • §211.67  Equipment cleaning and maintenance. (Subpart D- Equipment) zitiert in 11 Warning Letters
  • §211.166  Stability testing. (Subpart I-Laboratory Controls) zitiert in 10 Warning Letters

Im Folgenden sollen diese GMP-Verstöße der ersten 9 Monate des Fiskaljahres 2020 aus einem erweiterten Blickwinkel betrachtet werden, der den "Lessons Learnt"-Aspekt stärker betont. Zunächst jedoch ein Blick auf die Systematik der GMPWarning Letters.

 

Aufbau und Struktur der FDA-Warning Letters

Die meisten GMP-Warning Letters richten sich nach folgendem Schema:

1. Einleitung:

  • Angabe des inspizierten Produktionsstandortes und des Zeitpunkts der Inspektion
  • Hinweis auf generelle Verletzungen der GMP-Vorgaben gemäß 21 CFR Parts 210 und 211.
  • Bestätigung unter Bezugnahme auf den Food, Drug, and Cosmetic Act, dass die an diesem Standort gefertigten Produkte nicht GMP-konform ("adulterated" = verfälscht, verdorben) sind.
  • Bestätigung mit kurzer Begründung, dass die Rückantwort der Firma auf den kurz nach der Inspektion verschickten Mängelbericht (Form 483) überprüft und für unzureichend ("inadequate") befunden wurde.

2. Beschreibung der beobachteten GMP-Verstöße:

  • Generelle Beschreibung des Mangels mit Angabe des Paragrafen aus dem 21 CFR 211 (meist fettgedruckt hervorgehoben). "Your firm failed to..."
  • Detaillierte Beschreibung mit Angaben zum Bereich, zu Produktchargen, zu anwesendem Personal, zu Dokumenten und z. T. zum Ablauf eines nicht GMP-konformen Vorgangs etc.

3. Kurze Beschreibung der Rückantwort der Firma auf die Form 483 zu dem betreffenden GMP-Verstoß - "Your response stated that..."

4. Begründung der FDA, warum die Rückantwort als "inadequate" eingestuft wird - "Your response is inadequate..."

5. Nachforderung von Dokumenten - "In response to this letter, provide ..."

Die nachfolgende erweiterte Analyse der GMP-Hauptsünden bezieht sich auf die auf die 3 häufigsten Verstöße, die im Zusammenhang mit den 21 CFR-Paragrafen 211.84, 211.100, 211.22, 211.165 und 211.192 stehen. Dabei werden folgende Passagen aus den Warning Letters berücksichtigt:

  • Die generelle Beschreibung der GMP-Mängel (2.)
  • Die Nachforderung von Dokumenten (5.)

Die Textpassagen, die die Dokumenten-Anforderungen der FDA beschreiben, stellen einen Extrakt aus allen Warning Letters des betrachteten Zeitraums (Okt. 2019 - Juni 2020) dar. Sie bilden die Essenz dessen ab, was in den einzelnen Warning Letters jeweils in unterschiedlicher Gewichtung formuliert wird.

  • §211.84  Testing and approval or rejection of components, drug product containers, and closures. (Subpart D- Equipment)

Generelle Beschreibung der GMP-Mängel:
"Your firm failed to test samples of each component for identity and conformity with all appropriate written specifications for purity, strength, and quality." "Your firm failed to conduct at least one test to verify the identity of each component of a drug product." "Your firm also failed to validate and establish the reliability of your component supplier's test analyses at appropriate intervals."

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Nachforderung der FDA von Dokumenten ("In response to this letter, provide ..."):

  • Eine Zusammenstellung der chemischen und mikrobiologischen Spezifikationen zur Eingangsprüfung und Freigabe durch die Qualitätskontrolle von allen für die Herstellung des Arzneimittels benötigten Komponenten.
  • Eine Beschreibung der Prüfung der Komponenten auf Konformität mit den Spezifikationen.
  • Informationen zur Etablierung einer robusten Verlässlichkeitsprüfung der Angaben auf den Lieferanten-Analysenzertifikaten. Die FDA verlangt dazu auch Informationen zur initialen Validierung und regelmäßigen Re-Validierung dieser Angaben.
  • Eine Verpflichtungserklärung, als Eingangsprüfung für jede Komponentencharge mindestens eine Identitätsprüfung durchzuführen.
  • Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Eingangsprüfungen aller Komponenten, die im Rahmen der Verlässlichkeitsprüfung der Lieferantenzertifikate durchgeführt wurden.
  • Eine SOP zum Validierungsprogramm für Lieferantenzertifikate.
  • Eine Zusammenfassung der Verfahren zur Qualifizierung und Überwachung externer Labore, die Prüfungen an Fertigarzneimitteln durchführen.
  • Einen Bericht zur umfassenden Überprüfung des gesamten Materialsystems. Dieser Bericht sollte Informationen zur Qualifizierung aller Lieferanten von Komponenten, Packmittel und Verschlusssysteme und zu Verfallsdaten bzw. Re-Test-Perioden enthalten. Die möchte FDA auch eine glaubwürdige Begründung dafür sehen, dass die Qualitätskontrolle in der Lage ist, die Verwendung ungeeigneter Materialien zu verhindern.

 

  • §211.100 Written procedures; deviations. (Subpart F-Production and Process Controls)

Generelle Beschreibung der GMP-Mängel:
"Your firm failed to establish adequate written procedures for production and process control designed to assure that the drug products you manufacture have the identity, strength, quality, and purity they purport or are represented to possess."

Nachforderung der FDA von Dokumenten ("In response to this letter, provide ..."):

  • Eine Zusammenfassung des Prozessvalidierungs-Programms. Das Programm sollte Angaben zur Prozessperformance- Qualifizierung und zum kontinuierlichen Monitoring von intra-Batch und inter-Batch-Schwankungen enthalten, aus denen ersichtlich ist, dass der Herstellprozess über den gesamten Lebenszyklus des Produkts unter Kontrolle ist.
  • Fristen für die Durchführung der Prozessperformance- Qualifizierungen für jedes auf dem Markt befindliche Arzneimittel.
  • Protokolle der Prozessperformance-Qualifizierungen
  • SOPs zur Qualifizierung von Produktionsgebäuden, -räumen und -ausrüstungen.

 

  • §211.22 Responsibilities of quality control unit. (Subpart B- Organization and Personnel)

Generelle Beschreibung der GMP-Mängel:
"Failure to establish an adequate quality unit with adequate facilities and procedures to ensure that drugs are manufactured in compliance with CGMP regulations and meet established specifications for identity, strength, quality, and purity."

Nachforderung der FDA von Dokumenten ("In response to this letter, provide ..."):

  • Ein umfassender Bewertungs- und Sanierungsplan, mit dem sichergestellt wird, dass die Qualitätseinheit über die Autorität und notwendigen Ressourcen verfügt, um ihre Pflichten wirksam wahrzunehmen. In diesem Plan soll dargelegt werden:
    - ob alle Verfahren robust und zweckmäßig sind,
    - nach welchen Vorgaben die Qualitätseinheit alle Vorgänge im Zusammenhang mit den Produktionsprozessen überwacht,
    - dass die Qualitätseinheit vor ihrer Freigabeentscheidung einen abschließenden Review für jede Charge mit den zugehörigen Daten durchführt, - dass die Beaufsichtigung durch die Qualitätseinheit, die Prüfung und Genehmigung von Ursachenforschungen bei Abweichungen und die Übertragung von Pflichten der Qualitätseinheit auf Dritte der Sicherstellung der Produktqualität dient.

Wenn GMP-Mängel für bestimmte Bereiche oder Anlagen vorliegen, wie z. B. für das Dokumentationssystem oder die Wasserversorgung, fordert die FDA die entsprechenden Dokumente (SOPs, Protokolle etc.).

  • §211.165 Testing and release for distribution. (Subpart I- Laboratory Controls)

Generelle Beschreibung der GMP-Mängel:
"Your firm failed to have, for each batch of drug product, appropriate laboratory determination of satisfactory conformance to final specifications for the drug product, including the identity and strength of each active ingredient, prior to release." "Your firm failed to conduct, for each batch of drug product, appropriate laboratory testing, as necessary, required to be free of objectionable microorganisms and your firm failed to establish the accuracy, sensitivity, specificity, and reproducibility of its test methods."

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Nachforderung der FDA von Dokumenten ("In response to this letter, provide ..."):

  • Ein Review aller Routinearbeiten im Labor inkl. aller analytischer Verfahren, der technischen Ausrüstung und der Kompetenzen des Laborpersonals. Im Rahmen dieses Reviews ist ein CAPA-Plan zur Sanierung des Laborsystems sowie ein Verfahren zur Sicherstellung der Wirksamkeit des CAPA-Plans einzureichen.
  • Eine Auflistung aller analytischer Methoden, Spezifikationen und Verfahrensanweisungen, die zur Endproduktprüfung vor Marktfreigabe verwendet werden.
  • Eine Zusammenfassung der Testergebnisse aus der retrospektiven Prüfung der Rückstellmuster aller Produktchargen, die in die USA geliefert wurden. Die Prüfergebnisse sollten Angaben zur Identität, zum Wirkstoffgehalt und anderen geeigneten chemischen und mikrobiologischen Qualitätsmerkmalen enthalten.
  • Angaben zu Korrekturmaßnahmen bei OOS-Resultaten (Mitteilung an die Kunden, Rückrufe)
  • Bei Vergabe der Endproduktprüfung an Dritte: Zusammenfassung des Verfahrens zur Qualifizierung und Evaluierung der Leistungsfähigkeit externer Prüflabore. Dabei ist nachzuweisen, dass die im Prüflabor verwendeten Methoden zuvor validiert wurden.

 

  • §211.192 Production record review. (Subpart J-Records and Reports)

Generelle Beschreibung der GMP-Mängel:
"Your firm failed to thoroughly investigate any unexplained discrepancy or failure of a batch or any of its components to meet any of its specifications, whether or not the batch has already been distributed."

Nachforderung der FDA von Dokumenten ("In response to this letter, provide ..."):

  • Eine umfassende Bewertung der Vorgehensweise bei Abweichungen. Dazu zählen OOS-Resultate in der Qualitätskontrolle, Abweichungen von Qualitätsparametern in der Produktion, im Bereich von Versorgungssystemen (z. B. Wasser) und Beanstandungen von Qualitätsdefekten des Fertigarzneimittels.
  • CAPA-Pläne zur Verbesserung des Abweichungsmanagements in den betreffenden Bereichen; dazu müssen die entsprechenden Dokumente, z. B. Validierungspläne und -protokolle der Wasseranlage, von Produktionsprozessen oder SOPs zum Umgang mit OOS-Resultaten beigefügt werden.
  • Eine Verfahrensanweisung, zur Überprüfung der Wirksamkeit der CAPA-Maßnahmen.

Der nützliche Erkenntnisgewinn - "Lessons Learnt" - aus der Analyse der Warning Letters besteht zum einen in der Betrachtung der am häufigsten zitierten GMP-Verstöße; zum anderen liefert die Analyse dessen, was die FDA von den inspizierten Firmen an Nachweisen und Dokumenten mit Bezug zu den GMP-Mängeln nachfordert, wertvolle Hinweise zur Überprüfung von Qualitätssystemen und betrieblichen Abläufen in GMP-relevanten Bereichen. Das Wissen darum, auf welche Dokumentation die FDA ihr besonderes Augenmerk legt, kann für die Vorbereitung auf eine Inspektion sehr nützlich sein.

Hinweis: Auf dem Mitgliederbereich der ECA finden Sie in Kürze die komplette Analyse der "Top Ten Failures" der Warning Letters des Fiskaljahres 2020 nach der in diesem Artikel dargestellten Systematik. Damit erhalten Sie eine umfassende Zusammenstellung der Dokumente, die bei keine FDA-Inspektion fehlen dürfen.

 

Autor:
Dr. Gerhard Becker
... ist seit 2002 bei CONCEPT HEIDELBERG und seither Fachbereichsleiter für die Themen Wirkstoffe und Dokumentation.

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