Conti Manufacturing - Die kontinuierliche Herstellung von Tabletten

    

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Zur Herstellung von Chemikalien oder Lebensmitteln werden sehr häufig kontinuierliche Verfahren eingesetzt. Da solche Anlagen sehr kompakt aufgebaut werden können und außerdem durch die Integration vieler Einzelschritte eine schnelle Durchlaufzeit gewährleisten, sind die Produktionskosten meist deutlich geringer als bei einer chargenweisen Herstellung.

In der pharmazeutischen Herstellung hingegen war über Jahrzehnte hinweg fast ausschließlich die Produktion in Chargenverfahren üblich. Zwar wurden einzelne kontinuierliche Prozesse wie z.B. Extrusion, Tablettierung oder Verpackung eingesetzt, diese waren aber üblicherweise nicht integriert, sondern wurden aus einem Container fixer Größe beschickt und förderten auch wieder in einen solchen Container.

Die Welt ändert sich

Seit etwa 15 Jahren ist nun ein deutliches Interesse an kontinuierlichen Herstellverfahren speziell im Bereich fester Arzneiformen feststellbar. Pioniere waren multinationale Firmen. AZ und GSK verfolgten anfangs die Idee, alle Komponenten einer Tablettenrezeptur vorgemischt aus einem Container in eine kontinuierlich arbeitende Anlage zu dosieren. Dort laufen alle notwendigen Schritte integriert und voll automatisiert ab: von der Nassgranulation über die nachgeschaltete Trocknung, die Zugabe der externen Phase bis hin zur Tablettierung. GSK erhielt für die Realisierung einer solchen Anlage 2012 den renommierten IChem Award. Novartis hingegen ging eine viele Millionen Dollar schwere Partnerschaft mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) ein. Hier war die Idee, alle Prozessschritte von der Wirkstoff synthese bis zur fertigen Tablette kontinuierlich ablaufen zu lassen.

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Gründe

Die Gründe für dieses steigende Interesse sind vielfältig. Zunächst bietet sich die Möglichkeit, die Produktionskosten zu senken. Kontinuierliche Anlagen benötigen durch den hohen Grad an Integration deutlich weniger GMP-Fläche. Dieser Effekt wird noch zusätzlich dadurch verstärkt, dass keine Halbfertigprodukte mehr in Containern in der Produktionsumgebung zwischen gelagert werden müssen. Dies geht Hand in Hand mit einer deutlichen Reduzierung von Durchlaufzeiten. Von Behördenseite, insbesondere von der FDA, werden seit Jahren ein verbessertes Prozessverständnis und damit einhergehend weniger OSS-Chargen mit der Gefahr von Lieferschwierigkeiten gefordert. Durch Fortschritte in der Online-Analytik gepaart mit einer konsequenten Risikoanalyse ist es heute möglich, alle kritischen Prozessparameter in Realzeit zu überwachen. Bei kontinuierlichen Prozessen ist es zusätzlich möglich, kleine Produktmengen, die außerhalb der vorgegebenen Toleranzen sind, auszuschleusen und durch eine entsprechende Anpassung von Prozessparametern korrigierend einzugreifen. Dieses Prinzip wird seit Jahrzehnten bei der Verpressung von Tabletten erfolgreich genutzt, wodurch bei Abweichungen stets nur kleine Mengen verworfen werden müssen und nur Tabletten mit akzeptablem Gewicht tatsächlich in den Markt kommen können.

Mit dem Trend zu hochpreisigeren Wirkstoff en und kleineren Patientenkollektiven bekommt zusätzlich die Ausbeute der Prozesse eine immer größere Bedeutung. Wenn einzelne Tabletten für mehrere 100 Euro verkauft werden, müssen selbst für Blockbuster (Produkte mit Umsatz von mehr als 1 Mrd. USD pro Jahr) lediglich einige wenige Millionen Tabletten pro Jahr hergestellt werden. Kontinuierliche Anlagen machen den Scaleup- Schritt überflüssig, da Klinikmuster so hergestellt werden können, dass die Produktionsanlage nur einige Minuten betrieben wird. Weiterhin kann auch in der Entwicklung, wenn Wirkstoff besonders knapp und überproportional teuer ist, mit deutlich weniger Material gearbeitet werden, da für Verfahrensentwicklung und -optimierung nicht mehr viele komplette Kleinchargen hergestellt werden müssen.

Durch eine lückenlose Instrumentierung der kompletten Prozesskette ist es außerdem möglich, Real Time Release zu realisieren, wodurch kein Material für eine zerstörende Freigabeprüfung bereitgestellt werden muss.

Status Quo

Fast alle multinational tätigen Pharmaunternehmen haben inzwischen in kontinuierliche Verfahren zur Tablettenherstellung investiert. Nachfolgend werden einige Beispiele genannt:

Janssen Pharma / J&J hat an seinem Standort Gurabo (Puerto Rico) eine kontinuierliche Herstelllinie für Prezista aufgebaut. Prezista war zuvor im Chargenverfahren hergestellt worden - inzwischen hat Janssen Pharma das Produkt sowohl bei der FDA wie auch bei der EMA erfolgreich auf kontinuierliche Herstellung umregistriert. Zusätzlich betreibt Janssen Pharma an verschiedenen Standorten mehrere kontinuierliche Anlagen unterschiedlicher Größe. Hierauf werden aktuell neue Produkte entwickelt beziehungsweise in klinischen Phasen erprobt. Langfristig möchte Janssen Pharma alle neuen Tablettenprodukte ausschließlich für kontinuierliche Herstellung entwickeln.

Pfizer geht mit dem PCMM-Konzept einen anderen Weg. Eine komplette kontinuierliche Produktionslinie mit einem nominellen Durchsatz von 25 kg/h wird nebst Lüftungstechnik, Material- und Personalschleusen sowie der gesamten Medienversorgung in fünf transportablen Containern untergebracht. Diese Container können per LKW oder Schiff weltweit verbracht werden. Der Zusammenbau zu einer voll funktionstüchtigen Tablettenfabrik dauert dann nur einige wenige Tage. 2016 gaben Pfizer und GSK bekannt, dass sie zukünftig einen gemeinsamen Standard für dieses Konzept erarbeiten werden. Dieses Konzept wurde 2016 mit dem renommierten FOYA Award (Facility Of The Year) von der ISPE ausgezeichnet.

Vertex aus Boston ist wahrscheinlich im Moment das prominenteste Beispiel einer kontinuierlichen Tablettenproduktion. Die Anlage zur kontinuierlichen Produktion eines Medikaments gegen Mukoviszidose verarbeitet die pulverförmigen Ausgangssubstanzen innerhalb von 90 Minuten zu beschichten Tabletten. Dank integrierter parametrischer Freigabe ist eine anschließende Chargenfreigabe nicht notwendig. Die Zulassung durch die FDA erfolgte 2015, die Zulassung durch die EMA in 2017.

Mit Aesica und Hovione gibt es inzwischen auch zwei Lohnhersteller, die als CMOs die Möglichkeit bieten, Tabletten kontinuierlich herzustellen. Dies ermöglicht interessierten Firmen, Klinikmuster für neue Produkte zu fertigen, ohne zu dieser frühen Phase bereits selbst investieren zu müssen. In einer späteren Entwicklungsphase kann die Zeit bis zur Lieferung und Inbetriebnahme einer eigenen Anlage überbrückt werden.

Technologiewende

Werden großvolumige Produkte im Umfang mehrerer Milliarden Tabletten pro Jahr hergestellt, so sind niedrige Rohstoff kosten von entscheidender Bedeutung. Meist ist es ökonomisch sinnvoll, preiswerte Hilfsstoff e mit unzureichenden physikalischen Eigenschaften durch Feuchtgranulation für den Einsatz auf schnell laufenden Tablettenpressen zu optimieren. Zusätzlich wird durch Feuchtgranulation das Risiko einer Entmischung bei der Tablettierung minimiert. Müssen hingegen nur relativ kleine Mengen hergestellt werden, bietet sich als Alternative die Direkttablettierung an. Hierbei müssen relativ teure, gut fließfähige Rohstoff qualitäten eingesetzt werden, allerdings kann dann der Feuchtgranulationsschritt entfallen. Da zusätzlich bei einer kontinuierlichen Herstellung die Mischung erst unmittelbar vor dem Tablettierschritt erfolgt, ist das Risiko einer Entmischung minimal. Speziell für hochpreisige, kleinvolumige Produkte verfolgen viele Pharmaunternehmen diese Strategie.

Zusammenfassung und Ausblick

Während interessierte Pharmaunternehmen zunächst nur auf die Technologie sehr weniger Anbieter zurückgreifen konnten, haben spätestens seit der Leitmesse Interpack 2017 alle großen Anlagenbauer entsprechende Technologien im Angebot.

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Da etliche Produkte sich zurzeit in klinischer Erprobung befinden, ist für die kommenden Jahre mit einer steigenden Zahl von Zulassungen zu rechnen. Weiterhin beginnen sich auch eine Vielzahl von Generikaunternehmen für die Technologie zu interessieren, wobei hier eher großvolumige Produkte das Target sind.

FDA, ASTM und einige universitäre Konsortien erarbeiteten darüber hinaus erste Standards und Guidelines.

 

Autor:
Dr. Harald Stahl
... ist als Group Director Application & Strategy Management innerhalb der GEA für den Vergleich und die Integration verschiedener Technologien sowie für die Bewertung neuer Technologien verantwortlich.

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