Annex 1 Revision - Betrachtung einiger relevanter Punkte der finalen Version

    

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Der Blick zurück

Die aseptische Abfüllung eines sterilen Produkts muss in einer kontrollierten Umgebung durchgeführt werden. (Reinraumklasse A). Maßgeblicher Teil des EU GMP Leitfadens für diese Art der Herstellung ist der Annex 1 dieses Leitfadens. Nach einer langen Überarbeitungszeit der bisher gültigen Version von 2008 und zwei Kommentierungsrunden ist der lang erwartete überarbeitete Annex 1 über die Herstellung steriler Arzneimittel schließlich am 25. August 2022 von der Europäischen Kommission veröffentlicht worden1. Der Hauptgrund für die Aktualisierung war die Berücksichtigung von Änderungen im regulatorischen Umfeld und in der Herstellung, was eine deutliche Verlagerung hin zur Anwendung von Grundsätzen des Qualitätsrisikomanagements beinhaltet. Der neue Anhang 1 wird am 25. August 2023 in Kraft treten.

Die Europäische Kommission veröffentlichte 2017 einen ersten Entwurf, zu dem die Öffentlichkeit Stellung nehmen konnte. Dies führte zu über 6000 Kommentaren aus Industrie, von Interessenverbänden und von anderen Stellen. In einer zweiten Kommentierung des überarbeiteten Drafts im Jahr 2020, die eine gezielte Konsultationsphase durch anerkannte Stakeholder aus der Industrie und von Organisationen wie der ECA und EQPA beinhaltete, gingen über 2000 Kommentare ein.

Die intensiven Debatten im Rahmen der Kommentierungen, z. B. über den allen bekannten PUPSIT (Pre-Use Post Sterilisation Integrity Test), waren keine Überraschung, da esin der neuen Fassung erhebliche Überarbeitungen, Ergänzungen und viel mehr Details gab, was zu einer Erweiterung des Dokuments von 16 auf 58 Seiten führte.

Wir sollten an dieser Stelle die Bemühungen sowohl der Industrie als auch der Aufsichtsbehörden, einschließlich der WHO (Weltgesundheitsorganisation) und der PIC/S (Pharmaceutical Inspection Co-Operation Scheme), um die Herausgabe eines wesentlich moderneren Leitfadens für die Herstellung von Sterilprodukten anerkennen. Ihnen ist es damit auch gelungen, ein abgestimmtes Dokument zwischen den drei Institutionen EMA, WHO und PIC/S zu schaffen. Auch von Seiten der FDA wurde zur Revision beigetragen. Dementsprechend wurde Ende September auch der überarbeitet PIC/S Annex 1 veröffentlicht, der jetzt mit dem EU Annex 1 identisch ist. Obwohl die finale Version erst nach einer Übergangszeit von einem Jahr in Kraft tritt, wird erwartet, dass die aktuelle Version die Grundlage für die Inspektion von sterilen Produkten und Komponenten, die für die Herstellung steriler Arzneimittel bestimmt sind, bilden wird.

Relevanz auch für die Herstellung von vielen modernen Wirkstoffen und Therapien

Obwohl sich in den beiden Entwürfen der Titel nicht mehr ausschließlich auf sterile Arzneimittel bezogen hatte wurde dieser final doch nicht geändert und bleibt bei "Herstellung von sterilen Arzneimitteln". Vermutlich auch, um globale Effekte auf Basis einer europäischen Leitlinie zu minimieren und Diskussionen über die Gültigkeit und Kontrollierbarkeit außerhalb der EU nicht zu sehr zu forcieren, zumal eine entsprechende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden wohl kaum zu leisten wäre. Trotzdem besteht ein Ziel d des Annex 1 darin, auch eine Leitlinie für die Herstellung von sterilen Produkten im Allgemeinen bereitzustellen. Wirkstoffe, Hilfsstoffe, Primärverpackungsmaterialien und fertige Darreichungsformen werden ausdrücklich als sterile Produktarten aufgeführt. Darüber hinaus können einige der Grundsätze und Leitlinien in Anhang 1 auch auf andere Produkte angewendet werden, die nicht steril sein sollen, wie biologische Zwischenprodukte mit geringer biologischer Belastung. Insgesamt geht es darum, jegliche mikrobielle, partikuläre oder Endotoxin-Kontamination des Endprodukts zu verhindern. Um einen der wichtigsten Grundsätze des bisherigen und des neuen Anhangs 1 zu betonen: "Die Sterilität oder andere Qualitätsaspekte sollten nicht allein durch eine Prüfung des Endprozesses oder des Endprodukts bestimmt werden."

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Daher ist der neue Anhang 1 für viele Zulieferer von Packmitteln, Ausgangs- und Wirkstoffen und CDMOs jetzt von größerer Bedeutung. Obwohl für die Neuartigen Therapien (ATMP) mit Eudralex Vol.4 ein eigener kompletter GMP Leitfaden vorliegt betrifft der Annex 1 durchaus auch moderne Wirkstoffe oder Therapieansätze wie mRNA und virale Vektoren, wenn diese nicht für ATMP, sondern z.B. für Impfstoffe genutzt werden. Diese Produkte werden in der Regel nicht mit der Angabe "steril" freigegeben, sondern steril gefiltert und anschließend aseptisch in zuvor sterilisierte Behälter oder Beutel abgefüllt. Angesichts der potenziellen Variabilität der Filtrationsleistung dieser Produkte wird die Gesamtstrategie zur Kontaminationskontrolle immer wichtiger.

Führt kein Weg dran vorbei: Kontaminationskontrollstrategie

Die "Kontaminationskontrollstrategie" (CCS) ist ein vielfach angeschnittenes Thema in allen Diskussionen über Anhang 1. Schon in den Entwurfsversionen hieß es:

"Kontaminationskontrollstrategie (CCS) - Eine geplante Reihe von Kontrollen für Mikroorganismen, Pyrogene und Partikel, die aus dem aktuellen Produkt- und Prozessverständnis abgeleitet ist und die Prozessleistung und Produktqualität sicherstellt. Die Kontrollen können Parameter und Attribute umfassen, die sich auf Wirkstoff-, Hilfsstoff- und Arzneimittelmaterialien und -komponenten, Betriebsbedingungen der Einrichtung und Ausrüstung, prozessinterne Kontrollen, Spezifikationen des Endprodukts und die damit verbundenen Methoden und Häufigkeit der Überwachung und Kontrolle beziehen."

Es wurden dafür bereits verschiedene Hilfsdokumente und Vorlagen veröffentlicht2, 3, um Arzneimittelhersteller bei der Erstellung ihrer eigenen CCS zu unterstützen, die in Zukunft, genauer gesagt bis zum 25. August 2023, ein Muss sein wird! Das Ziel eines ganzheitlichen CCS besteht darin, sich von der Sterilität wegzubewegen, die nur auf einer Prüfung des Endprozesses oder des Endprodukts beruht, hin zu einer detaillierten Prozesskenntnis und allen potenziellen Kontaminationsquellen. Es gibt eine lange Liste von Elementen, die berücksichtigt werden müssen, angefangen bei der Anlagen- und Prozessgestaltung bis hin zu Korrektur- und Präventivmaßnahmen. Dabei spielen verschiedene Verantwortlichkeitsbereiche eine Rolle, denn Kontaminationskontrollmaßnahmen können in verschiedenen Abteilungen angesiedelt sein, von der Produktion über die Technik zu Qualitätssicherung oder Qualitätskontrolle. Es wird zwar eingeräumt, dass der Hersteller möglicherweise bereits über Kontrollsysteme verfügt, die nicht ersetzt werden müssen, auf die aber im CCS Bezug genommen werden muss, bzw. die die CCS zu einem koordinierten Ganzen machen soll und evtl. Wechselwirkungen berücksichtigen. Außerdem soll durch diese eine bessere Möglichkeit entstehen, evtl. Lücken im bestehenden System zu erfassen.

Der unten aufgeführte Guideline der ECA Contamination Control Strategy Task Force wird, nach Erscheinen des finalen Annex 1 in Kürze noch einmal ein Update erfahren. Er hat folgende Struktur:

Der ECA-Leitfaden enthält einen 3-stufigen Ansatz zur Erreichung der "CCS-Bereitschaft".

  • Stufe 1: Entwicklung (oder Überprüfung und Verfeinerung/ Verbesserung) des CCS
  • Stufe 2: Zusammenstellung der CCS-Dokumente
  • Stufe 3: Bewertung des CCS

Der CCS Guide soll als Leitfaden für zwei mögliche Fälle dienen:

1. Für eine neue Anlage, neue Ausrüstung, z. B. für

  • Kartierung der Herstellungsprozesse, um mögliche Kontaminationsquellen zu identifizieren.
  • Durchführung einer Risikobewertung zur Beurteilung des Kontaminationsrisikos.
  • Festlegung von Präventivmaßnahmen und deren Kontrollen in einem ganzheitlichen System (einschließlich der Festlegung von Verantwortlichkeiten).
  • Bewertung und Management des Restrisikos einer Kontamination.

2. Für eine bestehende Anlage, die bereits eine Risikobewertung durchgeführt hat, z. B. für:

  • Bewertung der bestehenden Maßnahmen zur Kontaminationskontrolle
  • Analyse und Überblick über mögliche Lücken
  • Risikobewertung und ggf. Ergänzung um weitere Maßnahmen und Einbindung in das Gesamtsystem (einschließlich Festlegung der Verantwortlichkeiten)
  • Management des Restrisikos einer Kontamination

Das Single Use Thema

Der neue Anhang 1 erkennt die Verwendung von Single-Use- Systemen (SUS) bei der Herstellung steriler Produkte an und enthält einen eigenen Absatz, in dem "einige spezifische Risiken im Zusammenhang mit SUS, die im Rahmen des CCS bewertet werden sollten", aufgeführt sind: Wechselwirkung mit dem Arzneimittel (z.B. spielen Leachables and Extractables bei SUS eine Rolle), Integrität ("Risiko von Löchern und Leckagen") und Partikelkontamination. Es werden Erwartungen wie Lieferantenqualifikation, Bewertung extrahierbarer Stoffe, Überprüfung der Integrität während des gesamten Prozesses, Eingangskontrolle, Bedienerschulung und mehr aufgeführt. Ein weiteres neues und interessantes Kapitel befasst sich mit "geschlossenen Systemen", in dem Überlegungen dazu angestellt werden, wie ein geschlossenes System zu konzipieren und zu verwenden ist und welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Integrität des Systems zu gewährleisten, insbesondere wenn ein geschlossenes System in einem Bereich mit einer niedrigeren Einstufung als Grad A verwendet wird. Zu den Überlegungen zur geschlossenen Aufbereitung gehört auch die Verwendung einer sterilen Verbindungsvorrichtung, auf die nun im gesamten Anhang 1-Dokument durchgängig als "intrinsische sterile Verbindungsvorrichtung" Bezug genommen wird.

Damit sollen nur einige der relevanten Themen an dieser Stelle angesprochen sein. Alleine dem Thema des Qualitiy Risk Managements könnte man einen eigenen Artikel widmen und "trivialere" Themen wie "Reinraumsocken", die zu einer Herausforderung für den Hersteller aber auch für die aufbereitende Reinraumwäscherei werden können (oder doch Wegwerfsocken? Ist das nachhaltig?) bleiben an dieser Stelle undiskutiert. Umfangreiche Erweiterungen hat auch das Unterkapitel "Barrier Technologies" im Kapitel "Premises" annähernd doppelt so umfangreich geworden ist.. Die Themen Hintergrundumgebung, Handschuhe und Dekontaminationsmethoden hat man jeweils für Isolatoren als auch für RABS separat behandelt. Die Unterkapitel "Form-Fill-Seal (FFS)" und "Blow-Fill-Seal" im Kapitel "Production and Specific Technologies" haben sich im Umfang fast verdreifacht und gehen viel tiefer in die Details.

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Wie erwähnt endet die Umsetzungsfrist für den Annex 1 zum 25. August 2023 in Kraft, also genau ein Jahr nach der Veröffentlichung in Eudralex Volume 4, nur für einen Abschnitt, das Kapitel 8.123 "Produkttransfer / Lade-/Entladebereiche bei Gefriertrocknern" beträgt die Frist zwei Jahre, also bis zum 25. August 2024. An dieser Stelle wurde den Einwänden der Industrie für längere Fristen einiger Abschnitte wohl Gehör geschenkt.

Ausführlichere Informationen und Beispiele für die Erwartungen der Behörde und für die Umsetzungen in der Industrie kann man am 14. und 15 Dezember bei der ECA Live Online Annex 1 Konferenz erwarten.

 

Über den Autor:
Dipl. Biol. Axel H. Schroeder
... ist seit 2008 bei CONCEPT HEIDELBERG tätig und hier Fachbereichsleiter für den Themenbereich Mikrobiologie.

Fußnoten:
1 European Commission (2022), EU GMP Annex 1 https://health.ec.europa.eu/latest-updates/revision-manufacture-sterile-medicinal-products-2022-08-25_en (assessed 29 Aug 2022).
2 ECA Foundation (2022), Contamination Control Strategy – A New Guideline from ECA, https://www.eca-foundation.org/news/eca-foundation-ccs-task-force-guidance.html (assessed 29 Aug 2022).
3 El Azab W (2021), Contamination Control Strategy: Implementation Road Map. PDA J Pharm Sci Technol., 75(5):445-453.

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